Archiv des Themenkreises ›Die Welt‹


Werner Who?

Hamburg, 19. Juli 2007, 07:17 | von San Andreas

»Der deutsche Regisseur Werner Herzog«, muß Werner Herzog schon vorgestellt werden. Wo? Auf Seite 12 der Juli-Ausgabe der »CINEMA«. In einem Filmmagazin also. Einem deutschen Filmmagazin. Ist das nicht schlimm? (Und das war auch kein Ausrutscher wie ein Blick auf deren Website zeigt.) Auch die »Welt« schreibt: »Zuhause vergessen, gilt Werner Herzog im Ausland als einer der großen deutschen Filmemacher.«

Hierzulande denkt man »Herzog? Kinski!«, das war’s. Seine nachfolgenden dokumentarischen Arbeiten wurden allenfalls unter ›ferner liefen‹ wahrgenommen. »The White Diamond« (2004) wurde kaum beachtet, »Grizzly Man« (2005) erschien gar nicht erst im Kino. Beides hervorragende Filme, eindringliche Porträts getriebener Seelen in Extremsituationen, und gleichzeitig selbstreflexive Film-Kontemplationen mit hohem Herzog-Faktor.

Ein anderer, neuerer Erguss trägt den Titel »The Wild Blue Yonder« (2005). Wie bei »Grizzly« recycelt Herzog Archivmaterial – zum einen aus dem Inneren einer Raumstation, zum anderen von unter dem Polareis – kleidet das Ganze jedoch in einen abstrakt-fantastischen, manche sagen kruden, narrativen Mantel. Wir treffen Brad »Schlangenzunge« Dourif als missgelaunten Außerirdischen, so viel soll verraten sein. Nichtsdestoweniger vermag der Herzog-Connaisseur auch hier transzendente Ansichten zur Allmacht der Natur herauszulesen.

Dieser Tage nun erschien »Rescue Dawn« in den USA, Herzogs erster veritabler Spielfilm seit langem. Es ist die Filmversion seiner Doku »Little Dieter needs to fly« (1997) über die abenteuerliche Flucht eines freiwilligen Luftwafflers aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft. Und wie man von einer Münchener Vorpremiere hört, soll der Film ziemlich gut sein. Selbst ohne Kinski.


Das letzte Wort vom Wörthersee

Konstanz, 4. Juli 2007, 11:58 | von Marcuccio

Ok, die Klagenfurt-Reporterin sagte – wie 94 Prozent aller F-Journalisten – nicht »ich«, und auch sonst scheint es, als hätte K. M.-Z. ihre erste Klagenfurt-Lektion schnell gelernt. Nämlich die, dass es auch im ORF-Theater nur einen Spiralblock für alle gibt. Da teilte sich Elmar Krekelers »solipsistische Wörterwelt« das literaturkritische Karokästchen mit Christoph Schröders Beobachtung, »dass nicht wenige Autoren sich Solipsisten und Egomanen als Protagonisten wählten«, und schon hatte auch K. M.-Z. für die SZ notiert: »Weltekel und Solipsismus – nichts Neues in Klagenfurt.«

Non sola ipse fecit? Der Umblätterer wird das selbstständige Schaffen der K. M.-Z. auf jeden Fall weiterverfolgen. So wie wir hier ja ohnehin das einzige allumfassende Live-Monitoring des deutschen Feuilletons realisieren. Und natürlich exklusiv wissen, wer heute nicht erster Klasse reist …


The best, Jerry, the best!

Hamburg, 26. Juni 2007, 16:24 | von San Andreas

Es ist so weit, das Warten hat ein Ende. Zehn Jahre waren das, nun hat das American Film Institute die neue Liste fertig, die Liste der besten Filme aller Zeiten. Der besten *amerikanischen* Filme aller Zeiten. Ungestört also von europäischem Kunstkino und asiatischem Fremdwerk. Und warum auch nicht. Stilistisch und historisch ist Hollywood eh ein Segment für sich; man kann den Wählern des AFI durchaus ein wenig Kompetenz zusprechen. Das sind Macher, und genug to choose from haben sie auch.

Gleich vorweg: Charles Foster Kane hat sein Abo auf Platz 1 um weitere zehn Jahre verlängert. Soll er doch; der Film ist ganz gut. Interessanter sind die Neuzugänge in den Top Ten. Hitchcocks »Vertigo« ist im Ansehen mächtig gestiegen (zu Recht), hat 52 Plätze gutgemacht und steht nunmehr auf Platz 9. Ebenso hat Scorceses »Raging Bull« an Reputation gewonnen, er boxte sich von 24 auf 4, was sehr beachtlich ist (wie auch Holger Kreitling in der sogenannten »Welt« bemerkt). Ebenfalls zugelegt haben Chaplins »City Lights« (11) und der Ford-Western »The Searchers« (12).

Ein Kampf der Klassiker. Kaum ein Film in den Top 50 ist jünger als 30 Jahre, die meisten sind älter, mit Ausnahme von »E. T.« (24) und »Schindler’s List« (8). Offenbar gelingt es heute nur noch Spielberg, Klassiker zu produzieren, oder – besser gesagt – Filme, die sich in relativ kurzer Zeit als solche etablieren. Obwohl, gerade sehe ich, Peter Jackson hat es auch geschafft mit Teil 1 seiner Ringologie: von Null auf 50 nach nur sechs Jahren, das ist Rekord.

»Blade Runner« hat länger gebraucht: Neueinstieg auf Patz 97, pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum. Höher wird der Streifen kaum steigen, glaubt man den imdb-Charts, wo er sich auch in diesen Rängen aufhält. Freilich ist diese Liste naturgemäß stärkeren Fluktuationen unterworfen und in hohem Maße dem Zeitgeist angekoppelt. Da findet sich zum Beispiel »Pulp Fiction« in den Top Ten, der bei der AFI nur einen kläglichen 94. Platz erringt. Hingegen taucht besagter »The Searchers« in den imdb-Top 250 überhaupt nicht auf. Was läuft da schief im Volk?

Ungewöhnlich auch ein Film, der sich hartnäckig auf den imdb-Spitzenplätzen hält: »The Shawshank Redemption«. Fraglos ein feines Stück Kino, hat das Knast-Drama bei den Experten den Einstieg auf Platz 72 geschafft. Ob es sich weiter nach oben zu arbeiten vermag, sehen wir 2017, pünktlich zwölf Uhr mittags (Platz 27: »High Noon«).


Darf man das lesen? (Teil 1: »Die Welt«)

Leipzig, 22. Mai 2007, 21:56 | von Paco

»Die Welt« ist der natürliche erste Kandidat für diese Rubrik, weil die Frage, ob man die »Welt« lesen darf, wirklich ständig gestellt wird. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Die einfachste Antwort lautet: ja. Schon wegen Hans Zippert, dessen Text über das »Schrödertum« 2005 von uns gekürt wurde. Der Umblätterer verteidigt die »Welt« vor allem vor denen, die sie ablehnen. Wobei das eine Kunstform sein kann, und mit ihren Ätztexten gegen Springer setzt die Blogbar eine schöne Tradition fort.

Tilman Krause hat nach eigenen Worten bei der »Welt« mitgemacht, als man sich dort vor ein paar Jahren entschloss, »endlich mal eine ordentliche Zeitung« zu machen. Seitdem gibt es zum Beispiel das Samstags-Supplement »Literarische Welt«. Trotzdem ignorierte etwa der Perlentaucher die »Welt« jahrelang und berücksichtigte sie als einzige der überregionalen Zeitungen mit Kulturteil nicht. Inzwischen aber schon.