Archiv des Themenkreises ›Lost‹


Lost: 6. Staffel, 7. Folge

Paris, 10. März 2010, 09:45 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Dr. Linus«
Episode Number: 6.07 (#109)
First Aired: March 9, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Dr. Linus« (EA 28. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Macht und Machtverlust sind die Hauptthemen der gesamten Serie. In dieser 7. Folge der Finalstaffel hat dieses Themenpaar wieder mal einen schönen Auftritt, und dass es eine auf Ben Linus zentrierte Folge ist, hilft diesem zum Lutscher degradierten einstigen Überboss der Others wieder zu einigen Sympathiepunkten:

1. – Insel-Plot

Nach dem Überfall des Fake-Locke auf den Temple schließt Ben in der Finsternis des Inseldschungels zu den anderen Jacobinern auf. Sie sind in deutlicher Unterzahl und wollen sich erst mal zum Strand zurückziehen.

Miles, der ja als relativ plumper Deus ex machina in die Serie geschrieben wurde, soll anhand von Jacobs Asche (mitgeschleppt von Ilana) herauskriegen, wie der Inselgötze starb. Das bringt Ben in die Bredouille, denn nun wissen alle, dass er ihn abgestochen hat. Ilana ist auch ziemlich sauer über den Verlust ihrer Vaterfigur Jacob.

Im Strandlager darf auch Sun mal wieder was sagen. Ok, von jetzt ab heißt sie nur noch Kulissen-Sun, weil sie nur noch dumm in den Kulissen steht und sie nur noch aus Mitleid ein paar Sätze zugeschustert kriegt. Ilana jedenfalls erzählt ihr, dass sie und/oder Jin candidates seien für die Übernahme von Jacobs Job.

Inzwischen findet Ben in den Zeltresten ein Schmuddelheft (»Booty babes«) und ein Buch von Disraeli, außerdem ein weiteres, das von ihm aber nicht beachtet wird, den 60er-Jahre-Bestseller »The Chosen« von Chaim Potok. Man fürchtet, dass das vielleicht sein letztes intellektuelles Erlebnis war, denn kurz darauf wird er von Ilana dazu gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln.

Fake-Locke erscheint ihm, sprengt seine Fußfessel und lädt ihn auf die andere Insel ein, wo er sich angeblich mit den Ausreisewilligen versammelt hat. Ben flieht denn auch und hat die Chance, seinerseits Ilana umzunieten. Aber ein klärendes Gespräch mit viel Sentiment verhindert das. Ilana vertraut ihm wieder, und statt Fake-Locke zu folgen, kehrt Ben mit ins Strandcamp zurück.

Soweit die Haupthandlung auf der Insel. Ansonsten haben wir auch Jack und Hurley wiedergetroffen. Letzterer erwacht im Dschungelgras mit den Worten »cheese carrots« auf den Lippen. Aber ohne Dusche und Frühstück will Jack gleich weiter zum Temple. Die beiden werden aber von Richard abgepasst, der sie stattdessen zur Black Rock führt, diesem stylischen alten Britenschiff, das zu einem Lieblingsgimmick der Zuschauer geworden und nun endlich einmal wieder zu sehen ist.

Übrigens gab es bei Richards Auftauchen noch einen dieser typischen Langweilerdialoge, buuuaah:

Jack: Where did you come from.
Richard: You wouldn’t believe me if I told you.
Jack: Try me.

Richard, der offenbar mit dem altehrwürdigen Schiff auf die Insel gelangt ist, sagt aber auch gute Sachen, etwa: »I’m not a cyborg.« Er erklärt auch seinen komischen Nichtalterungsprozess: Jacob habe ihn berührt, deshalb. Die Unsterblichkeit sei aber natürlich mehr Fluch als Segen (gääähn). Richard könne sich auch nicht selber um die Ecke bringen, jemand anderes müsse es tun. Jack vergisst seinen hippokratischen Eid und erklärt sich dazu bereit. Er setzt sich neben Richard, während in der Black Rock die Lunte abbrennt. Jack ist sich sicher, dass nichts passieren werde, und es passiert auch nichts.

Zusammen mit Hurley ziehen sie zum Strand, wo es ein Wiedersehen mit den anderen Jacobinern gibt. Als Cliffhanger fungiert ein Periskop, das vor der Insel den Ozean durchpflügt. Es gehört zu einem U-Boot, in dem Widmore sitzt. Der alte Zausel nimmt nun also endlich wieder am Kampf um die Insel teil.

2. – L.A.-Plot (Lehrer Linus)

Dr. Ben Linus, in Studienratsoutfit mit Studienratsnickelbrille, referiert in seiner Klasse über Napoleons Elba-Aufenthalt und über dessen tragischen »loss of power«. Genau darum geht es auch im alternativen L.A.-Plot, und weil das »Lost«-Thema auch hier im Kleinen so gekonnt bespielt wird, kann man diese Folge als sehr gelungen bezeichnen.

Ben ist ja in dieser Parallelwelt Lehrer an derselben Schule, an die es auch Locke als Substitute verschlagen hat. Und Locke schlägt ihm im Lehrerzimmer vor, doch nach dem Amt des Schuldirektors zu streben, da er sich so für die Schule und die Schüler einsetze. Ben bekommt auch bald die Möglichkeit dazu. Es stellt sich heraus, dass Alex, seine adoptierte Inseltochter, hier in L.A. seine Lieblingsschülerin ist. Und Alex hat nun mitbekommen, dass Principle Reynolds nun also mit einer Krankenschwester usw. und auch noch auf dem Schulgelände!

Bens Erpressungsversuch scheitert jedoch, da Reynolds ihn vor die Wahl stellt: Wenn er seinen Posten tatsächlich räumt, dann werde er auch Alex‘ Yale-Empfehlung versemmeln. In diesem Machtspiel entscheidet sich Ben für Alex‘ Fortkommen und handelt damit anders als in Folge 4.09, als er Alex geopfert hat.

In einer Einzelszene sehen wir noch, wie sich Ben um seinen kranken Vater kümmert. In diesem Gespräch erwähnt der Vater auch seine Beteiligung an der Dharma-Initiative. Er war also mit seinem Sohn damals auf der Insel, hat sie aber offenbar wieder rechtzeitig verlassen und bedauert das jetzt gegenüber seinem Sohn: »Who knows what you would have become?«


Lost: 6. Staffel, 6. Folge

Paris, 4. März 2010, 09:21 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Sundown«
Episode Number: 6.06 (#108)
First Aired: March 2, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Bei Sonnenuntergang« (EA 21. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Okay, das könnte alles doch noch irgendwie funktionieren. Fake-Locke wird systematisch zum mephistophelischen Verführungskünstler aufgebaut. Er sucht, als schwarzer Rauch verkleidet, den Temple heim und rekrutiert sich weiter sein Team zusammen. Die Geschichte in der Nicht-Absturz-Welt (a.k.a. flash-sideways) ist dagegen wieder dröge wie nur was, es geht um Sayid und seine Verflossene.

1. – Insel-Plot

Jetzt aber! Sayid will Antworten von Dogen, der in seiner Privatkammer hockt und ein Buch liest (hoffentlich was Lustiges, es wird seine letzte Lektüre sein). Reichlich grundlos folgt eine Kampfszene, die beiden schmeißen sich gegenseitig durch den dunklen Raum. Irgendwann fällt der Baseball, mit dem Dogen in der vorvorletzten Folge schon gespielt hatte, auf den Boden, von der »Lost«-Kamera signalartig inszeniert. Alea iacta est, so scheint es, und der japanische Tempelmensch raunt seinem irakischen Sparringspartner verschwörerisch zu: »Go! Leave this place! Never come back!«

Inzwischen sind Claire und ihr Kumpel Fake-Locke am idyllischen Tempelteich angekommen. Claire informiert Dogen darüber, dass »er« ihn sehen wolle. Und auf einmal soll Sayid doch bleiben, verkündet durch den wieder mal typisch überinszenierten Satz von Dogen: »Things have changed.« Jedenfalls sei der Typ, der mit Claire jetzt hier hergekommen sei, »evil incarnate« und wolle jetzt, da Jacob krepiert ist, alles Leben auf der Insel vernichten.

Es geht weiter mit klischiertem Unsinn: Sayid soll nun einfach mal so diesen allegorischen Brausepöter mit einer Art Stilett umbringen gehen. Wichtige Info: Er soll sein Opfer nicht zum Sprechen lassen kommen, dann sei es schon zu spät. Sayid trifft dann kurz noch auf Kate, die beiden gehen aber in verschiedene Richtungen weiter, Kate zum Tempel, wo Claire wartet, das »Australian chick, (…) acting all weird, still hot, though« (Miles).

Sayid trifft dann auch wirklich gleich den gefakten Locke, der schafft es aber problemlos, »Hello, Sayid!« zu sagen, und zieht dann das Stilett einfach wieder aus seinem Leib: »Now why did you go and do that?!« Sayid lässt sich dann mehr oder weniger von Fake-Locke rekrutieren, Mephistopheles at work: »What if I told you that you could have anything you wanted?«

Sayid singt das Lied verlorener Liebe, aber selbst im Falle der dahingestorbenen Nadia ist das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen, so jedenfalls der geschickte Verführer, und überhaupt ist ja die »Lost«-Insel mit ihren Auferstehungserscheinungen so was wie ein Friedhof der Kuscheltiere.

Doppelagent Sayid soll nun alle Tempelbewohner von ihrer Heimstatt weglocken, damit sie geschlossen die Insel verlassen können. Entscheidung bitte bis Sonnenuntergang, sonst werden sie alle jämmerlich verrecken. Die Nachricht wird überbracht, ordnungsgemäß bricht Panik aus.

Nun ist es erst mal an Dogen, Sayid eine anrührende Geschichte zu erzählen. Sein Sohn sei nach einem Unfall in Lebensgefahr gewesen, aber ein Unbekannter, Jacob nämlich, habe ihn retten wollen unter der Bedingung, dass Dogen zur Insel komme und seinen Sohn niemals wiedersehe. Aber Sayid ist natürlich kalt gegen so ein gefühliges Geschwurbel und ertränkt Dogen kurzerhand. Dessen windiger und an Nervigkeit schwer zu überbietender Übersetzer, der »Holzperlenketten­hippie«, eilt zur Hilfe und wird auch abgemurkst. (Vielen Dank, Sayid!)

Es ist dunkel geworden. Sundown. Wie zu erwarten besucht nun das vor Lust quiekende Rauchmonster den Temple und zieht einen nach dem anderen aus dem Verkehr. Gleichzeitig trifft aber auch die mehr oder weniger Jacob-treue Strandtruppe ein: Ilana, Chopper-Frank, Ben und Sun. Ilana, Spitzname ab jetzt: Lara Croft, öffnet durch das Berühren eines bestimmten Steins einen geheimen Gang, wohinein ihr die anderen nachfolgen und so dem Rauchmonster knapp entrinnen.

Sayid sehen wir das Schlachtfeld abwandern, Leichen überall, dazu fast weihnachtlich anmutende Musik. Kate, die sich zu Claire in die Grube geflüchtet hatte, wird nun von dieser mit nach draußen gezogen. Dort wartet Fake-Locke mit einem guten Dutzend von überlebenden Temple-Others, die auf seine Seite gewechselt sind. Diese Szene ist so unheimlich und endlich wieder mal exciting wie eine ähnliche Situation in Folge 2.11 (»The Hunting Party«), als um die Lostianer herum aus dem nächtlichen Nichts heraus plötzlich dutzende Others-Fackeln aufleuchten.

2. – L.A.-Plot (Sayid)

Sayid hat sich fein gemacht, Besuch bei Nadia, seiner Traumfrau. Aber dann springen da Kinder herum und reden den Ankömmling mit »Uncle Sayid« an, und dann kreuzt Nadias Ehemann auf, der nun also nicht Sayid ist, sondern dessen Bruder Omar. Ein Businesstyp, der in finanziellen Nöten steckt, wie er Sayid schnell offenbart. Er habe sich Geld von einem Mann geborgt, das inzwischen auch zurückgezahlt wurde, aber jetzt wolle der Geldgeber jeden Monat frische Zinsen. Foltermeister Sayid soll nun »convince these people to leave me alone«.

Omar landet bald im Krankenhaus, Sayid kümmert sich um die Kinder, die den sympathischen Ex-Folterer abgöttisch zu lieben scheinen. Es gibt ein »Why?!«-Gespräch zwischen Nadia und Sayid, er habe sie damals verlassen weil (der Klassiker!): »Because I don’t deserve you!«

Später erscheinen Männer in einem schwarzen SUV und nehmen Sayid darin mit. In einer düsteren Großküche wartet Keamy auf sie, der ja eigentlich am Ende der 4. Staffel von Richard abgestochen wurde. Nun brät er in der Parallelwelt fröhlich wie Mutter Beimer ein paar Eier und bietet sie Sayid an, »I make good eggs!«

Wie bei Ethan vor zwei Folgen ist auch dies ein interessanter Charakterwechsel, der aber nicht lange für was gut ist. Denn erst macht Sayid die beiden Bodyguards klar, Keamy will daraufhin beschwichtigen, aber Sayid erschießt auch ihn, so eiskalt wie Keamy damals in Folge 4.09 Alex hingerichtet hat.

Und dann, uff!, entdeckt Sayid im Kühlraum eine Inselbekanntschaft, und zwar Jin, der auf Koreanisch vor sich hin flucht.


Lost: 6. Staffel, 5. Folge

Paris, 28. Februar 2010, 12:20 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Lighthouse«
Episode Number: 6.05 (#107)
First Aired: February 23, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Der Leuchtturm« (EA 14. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Fake-Locke hat erst am Ende dieser Folge einen Kurzauftritt. Ansonsten geht es diesmal in der Nicht-Absturz-Welt um Jack und seinen Überraschungssohn, und auf der Insel sehen wir Hurley und Jack zu einer neuen Location marschieren, dem Leuchtturm. Und Jin ist zu Besuch in Claires Camp:

1. – Insel-Plot

Hurley und Miles spielen Tic Tac Toe auf dem Inselboden und überbieten mit ihrer Gelangweiltheit locker die beiden Putten, die Raffael unter seine Sixtinische Madonna gesetzt hat. Dann will Hurley wissen, ob es im Temple eine Küche gebe, hehe. Und wird stattdessen wieder mal von Jacob mit einem Auftrag versehen, »someone is coming to the island, I need you to help him find it«.

Hurley hat sich ein paar Anweisungen auf den Unterarm geschrieben und wird beim Umherlaufen im Temple von Dogen gestellt. Während­dessen erscheint ihm wieder Jacob, der für Dogen unsichtbar ist, der wiederum auf die Information hin, dass Hurley ein candidate sei, abgeht.

Hurley soll Jack mit auf den bevorstehenden Trip zum Leuchtturm nehmen, die Überredung ist ein typischer Zeitspieldialog, erst will Jack nicht, dann sagt Hurley irgendwas, dann will Jack auf einmal nichts lieber als mitkommen, gääähn.

Auf dem Weg treffen die beiden Wandersleut‘, natürlich, auf Kate, die ihrerseits auf der Suche nach Claire ist und das auch bleibt, und tschüss. Zwischenstopp bei den Caves, dem Refugium aus Staffel 1. Dort sieht Jack auch wieder den zerbrochenen Sarg seines Vaters, in dem dessen Leiche damals ja nicht mehr drin gewesen war.

Während des weiteren Dschungelspaziergangs reflektiert Hurley, was sie da eigentlich gerade machen, und das könnte auch als Tagline für die gesamten Serie dienen: »This is cool, dude. Very old school, (…) you and me trekking through the jungle, on our way to do something that we don’t quite understand. Good times.«

Sie gelangen schließlich zum Leuchtturm, wo Jack die dümmste Frage ever stellt: »How is it that we’ve never seen it before?« Hurley antwortet irgendwas darauf, aber liegt ganz falsch. Die Wahrheit ist natürlich, dass wir den Leuchtturm erst jetzt sehen, weil er erst jetzt von den Schreibern da hingeschrieben wurde, als Ausweg für die Gesamtstory, als Gimmick, was auch immer.

Sie drehen an dem Riesenkompass oben im Ausguck. Jedem Grad sind Namen zugeordnet, bei 23 Grad steht »Shephard« (vgl. das »Lost«-Sudoku in der Vorgängerfolge). Jack dreht den Kompass an diese Stelle, und in den Spiegeln, die eigentlich vielleicht zur Verstärkung der Leuchtfeuer dienen, ist jetzt Jacks Haus seiner Kindheit zu sehen. »He’s been watching us! The whole time! All of us! He’s been watching us!« Diese Leuchtturmspiegel sind also ungefähr das, was Borges als »Aleph« bezeichnet hat.

Aber Jack ist jetzt nicht nach Literaturgeschichte zumute. Er rastet aus und zerkloppt den Wunderspiegel, zersplittertes Glas auf dem Boden, das klassische schlechte Omen, hehe.

Nach dieser Wutorgie sitzt Hurley allein vor dem Leuchtturm und hat wieder eine Jacob-Erscheinung. Das sei jetzt nicht so schlimm, dass die Spiegel kaputt seien. Die mysteriösen Leute, die zur Insel kommen, »will find some other way«. Jacob habe die beiden auch nur vom Temple weglocken wollen, denn jemand arg Böses komme da gerade zu Besuch, und er meint damit sicher Fake-Locke, seinen großen rauchmonsterigen Multi-Shape-Gegner, der am Ende der Folge bei Claire und Jin reinschneit: »Am I interrupting?« Und Claire erläutert Jin: »This is not John, this is my friend.«

Übrigens Claire, sie hat Jin aus der Bärenfalle herausgeholfen. Sie ist da jetzt also seit drei Jahren im Dschungel unterwegs und sieht auch so aus und erinnert eben an die ebenso verwilderte und verstörte Rousseau. »Where are you hiding my son?«, fragt sie den einen überlebenden Others-Typen. Ihre Frage bleibt ohne Antwort, also will sie den Typen umhauen, aber Jin hält sie zurück, mit der Info, dass der kleine Aaron von Kate zu sich genommen wurde, als die Oceanic Six die Insel verlassen haben. Und dann drischt Claire trotzdem diesem Typen die Axt in den Leib.

Jin überschlägt kurz seine Überlebenschancen und entscheidet sich dafür, die Aussage, Aaron sei mit Kate von der Insel gegangen und von ihr aufgezogen worden, zurück. Nein, gar nicht, der Kleine sei bei den Others im Temple. Und dann schneit, wie gesagt, Fake-Locke herein, Claires »friend«.

2. – L.A.-Plot

Jack kommt nach Hause, zwischen zwei Familienfotos liegt unter einer Teetasse und Büchern ungelesen das »Wall Street Journal« und wird wohl auch auf ewig ungelesen bleiben, bei all dem, was Jack sonst noch zu tun hat. Er ist nämlich, soweit einer der Twists dieser Folge, Vater eines pianobegabten Jungen, David. Wer die Mutter ist, von der Jack getrennt lebt, erfahren wir jetzt noch nicht, und das lässt darauf schließen, dass das ein nächster Twist werden wird.

Die Vater-Sohn-Problemgeschichte ist an Klischees kaum zu überbieten: Ein Gespräch über »Alice in Wonderland« verläuft im Sand, der Junge leidet unter der ständigen Abwesenheit des Vaters, der Vater versucht das bei den raren Treffen zu überspielen, »I’m just trying to have a conversation with you, David« etc. etc.

Jack stattet außerdem seiner Mutter einen Besuch ab. Die Leiche von Christian Shephard ist gerade irgendwo in Berlin gelandet, egal, jedenfalls findet Jacks Mutter das Testament ihres Mannes. Darin wird eine Claire Littleton erwähnt, sie fragt Jack, ob er wisse, wer das sei.

Als Jack zurück in seine Wohnung kommt, ist sein Sohn nicht mehr da. Er spürt ihn schließlich abends beim Vorspiel am Konservatorium auf. Dort begegnet er noch jemandem: Schon von hinten, am seidig glänzenden Pferdeschwanz, erkennen wir den neuen Serienjapaner Dogen. Jetzt ist der Tempelboss eben auch am Konservatorium zugange und schwätzt ein bisschen doppeldeutig mit Jack herum.

Zum Abschluss des Nicht-Absturz-Plots gibt es noch einen sentimentalen Vater-Sohn-Dialog vor dem Konservatorium, in dem es um Versagensangst geht. Und dann ist alles wieder gut: »I’ve got some pizza back at the house. You hungry?«


Lost: 6. Staffel, 4. Folge

Paris, 27. Februar 2010, 10:23 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Substitute«
Episode Number: 6.04 (#106)
First Aired: February 16, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Der Stellvertreter« (EA 7. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Nachdem Fake-Locke, a.k.a. NotLocke, a.k.a. Jacobs Erzfeind, a.k.a. Der Antagonist, a.k.a. The Man in Black usw. in Folge 3 abgetaucht war, geht es in Folge 4 hauptsächlich um dieses allegorische Mischwesen. Achtung, es wird mal wieder leicht lächerlich:

1. – Insel-Plot

Unser Inselaufenthalt beginnt mit einer Kamerafahrt aus dem Point of View des Rauchmonsters. Eigentlich ja mal eine gute Idee. Nach ein bisschen Achterbahnfahren verwandelt sich das Rauchvieh aber schon wieder in Fake-Locke und hebt eine verrostete Machete vom Boden auf.

Damit befreit er nun Richard, den er in der Zwischenzeit in einem Netz oben im Wipfelbereich zwischengelagert hatte: »time to talk«. Die Gestalt John Lockes habe sich Fake-Locke gegeben, da sie ihm Zugang zu Jacob ermöglicht habe, da Locke ein what-so-ever candidat gewesen sei. Es folgt etwas faustischer Schmus, Fake-Locke zu Richard: »Come with me, and I promise, I’ll tell you everything!« Aber Richie Boy will nicht. Die Erscheinung eines blondschopfigen Jungen beunruhigt Fake-Locke, er macht sich von dannen.

Er sucht Sawyer im verlassenen Dharma-Dorf auf. Dieser wundert sich nicht über die Präsenz von Locke: »I don’t give a damn if you’re dead, or time-travelling, or the Ghost of Christmas Past.« Das dürfte auch vielen Zuschauern aus dem Herzen sprechen, hehe. Dann verspricht mit Fake-Locke mal wieder jemand das Blaue vom »Lost«-Himmel, die Antwort auf die »most important question in the world«: »Why are you on this island?!«

Ok, Sawyer folgt dem gefakten Locke, und wieder begegnen wir dem blonden Jungen, der zunächst von Fake-Locke gejagt wird, ihn dann aber zurechtweist: »You know the rules! You can’t kill him!« Und der Fake-Locke antwortet lustigerweise mit dem Mantra des realen, jetzt toten Locke: »Don’t tell me what I can’t do!«

Zwischendurch trifft Sawyer auf dem weitläufigen Inselgelände ganz zuuufällig noch auf Richard, der ihn zum Temple mitnehmen will. Aber er will nicht, und Richard tritt in dem Moment wieder ab, in dem Fake-Locke wieder auftritt. Ein ziemlich unmotiviertes Erscheinen und Verschwinden von Figuren, über so was hat sich ja schon Lessing in der »Hamburgischen Dramaturgie« kaputtgelacht, und zwar zu Recht, hehe.

Als Nächstes gibt es ein wenig Bildungsfernsehen: Sawyer erzählt Fake-Locke von Steinbecks »Of Mice And Men«, der Stelle am Schluss, als George dem armen Lennie ein Loch in den Hinterkopf schießt, um ihn vor der Lynchjustiz der heranrückenden Menge zu bewahren. Sawyer hält nun auch Fake-Locke at gunpoint, um Lennies Schicksal nicht zu teilen. Aber Fake-Locke spricht, zu Trähnen rührend, von seinem eigenen Problem: Er sei trapped, er sei auch mal ein Mensch gewesen, »like you«, und ist nun offenbar eine Art Geist in der Flasche. Sawyer lässt dann auch von ihm ab und folgt ihm zu einer Felsklippe.

Die beiden klettern eine Leiter hinab, direkt Richtung Hades, scheint’s. Es folgt natürlich noch ein bisschen alpine Dramatik, Sawyer rutscht von der Leiter ab, Kampf am Berg, Mann gegen Leiter, und Fake-Locke rettet ihn. Sie gelangen unten in eine kleine Höhle. Dort steht eine Waage mit ein paar Steinen als Gewichten. Fake-Locke nimmt einen weißen Stein vom einen Ende der Waage und wirft ihn ins Meer, ein »inside joke«, haha.

Dann wird es wieder halbwegs interessant: An der Höhlendecke stehen die Namen der Oceanic-Abstürzler, einige davon sind durchgestrichen, jedenfalls: »that’s why you’re all here«. Jacob habe die Namen da hingeschrieben. Die Namen sind mit Zahlen kombiniert, einige Lostianer haben die bekannten »Lost«-Zahlen bei sich stehen, wohl ein Fingerzeig auf die nahende Auflösung. Dieses wohlfeile »Lost«-Sudoku lädt aber erst mal noch zum Gähnen ein: 4–LOCKE, 8–REYES, 15–FORD, 16–JARRAH, 23–SHEPHARD, 42–KWON.

Es gehe jedenfalls im großen Ganzen um den Schutz der Insel. Es folgen weise Worte von Fake-Locke, die weisesten seit dutzenden Folgen: Die Insel müsse eigentlich vor niemandem geschützt werden, das sei eben der Witz. Und dass sie deshalb lieber allesamt nach Hause gehen sollten. Sawyer: »Hell, yes!«

Meanwhile, am Strand. Ilana will Erklärungen von Ben, der ihr sagt, Locke habe sich in das Monster verwandelt und habe Jacob und Ilanas Kumpel gekillt. Ilana ruft zum Aufbruch, sie kriegt auch Sun dazu, mit der Aussicht auf ein Wiedersehen mit Jin, später, im Temple. Aber unser wallonischer Freund Tao von Critik en séries hat sicher Recht, wenn er vermutet: « Mais s’ils doivent se retrouver, j’ai l’impression que ce ne sera pas avant les ou le dernier épisode de la série. »

Vorher findet aber noch das Begräbnis des realen Locke statt. Das hätte der auch nicht gedacht, dass sein letztes Geleit mal aus Sun, Ilana, Chopper-Frank und Ben Linus bestehen würde. Ben hält die Grabrede auf den »man of faith«, darin der schöne Halbsatz: »and I’m very sorry I murdered him«.

2. – L.A.-Plot (Nicht-Absturz-Welt)

Locke zu Hause bei seiner Frau Helen, die beiden stecken in Hochzeitsvorbereitungen. Helen findet die Visitenkarte von Jack, Locke findet seine Begegnung mit ihm eher wenig anschlussfähig, aber Helen sagt: »Maybe it’s destiny.«

Da Locke nicht auf der Konferenz in Sydney war, wird er nun gefeuert. Kurz darauf begegnet er Hurley, der glücklicherweise der zuständige Firmenchef ist und Mitleid mit ihm hat. Er verweist ihn an eine ihm gehörende Arbeitsvermittlung. Dort trifft Real-Locke nach einigen Umwegen bei der Jobberatung (»What kind of animal would you describe yourself as?«) auf Rose. Als Ergebnis landet er als Aushilfslehrer an einer Schule.

Im Lehrerzimmer begegnet er dann, *huch*, einem pseudobebrillten Ben Linus, Lehrer für Europäische Geschichte, der den Aushilfslehrer Locke herzlich willkommen heißt. Da fragen wir uns doch endlich mal folgsam, was sich auch Tao fragt: « Je me demande toujours quel est le but de ce monde parallèle. »

(Morgen folgt hier der kulturhistorische Recap zu Folge 5, dann sind wir wieder auf der Höhe und bleiben dann aktuell, soweit zumindest DER PLAN. Dienstagabend »Lost«, Mittwochmorgen Umbl-Recap.)


Lost: 6. Staffel, 3. Folge

Paris, 26. Februar 2010, 08:10 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »What Kate Does«
Episode Number: 6.03 (#105)
First Aired: February 9, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Taxi in die Freiheit« (EA 31. 3. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Sayid: »Jack, what happened to me?«
Jack: »Erm, you died.«

Ein Sinnlosdialog wie aus einem Helge-Schneider-Roman. Weiter geht’s mit den lustigen Drehbuchideen der TV-Megaserie »Lost«. Fake-Locke und die Strandtruppe kommen in dieser dritten Folge nicht vor, wir haben es also nur mit den beiden anderen aktuellen Schauplätzen zu tun:

1. – Der Temple-Plot

Sayid, der Lazarus der Stunde, ist wieder am Start. Alle wundern sich natürlich, aber der japanische Tempelherr Dogen und sein Dolmet­scher, der übrigens aussieht wie ein besonders bösartiger Sozialarbeiter, diese beiden wundern sich anders über Sayids Resurrection.

Der japanische Tempelboss führt ein Elektro-Experiment an Sayids Körpers durch, wirklich nicht sehr feinfühlig, und am Ende steckt er noch eine glühende Speerspitze in dessen vormalige Wunde. Der Übersetzer, dieser Hallodri mit Nickelbrille, lässt ihn danach wenigstens wissen, dass er den Test bestanden habe. Im Gespräch mit seinem Boss wird aber klar, dass das nicht zu stimmen scheint. Und was das jetzt für ein meschuggener Test war: Auf diese Information sollen wir spannungsgeladen warten. Ziemlich billige Erzeugung von Suspense.

Jack soll auf Anweisung der Tempelherren Sayid irgendeine Pille verab­reichen, denn sonst: »The infection will spread.« Dogen redet Jack mit ein wenig Rhetorik die Schuldrolle ein (Sayid sei wegen ihm verwundet etc.), um ihn willfährig zu machen. Es folgt eine Cowboy-Unterhaltung zwischen Jack und Sayid, ob der jetzt die Pille schlucken soll oder nicht, »Matrix« für Minderbemittelte.

Dogen spielt derweil mit einem Baseball, Jack stößt zu ihm. Who are you, fragt Jack. Dogen: »I was brought here like everyone else.« Weil Dogen ihm nicht sagen will, was die Pille enthält, die er Sayid verabreichen soll, provoziert Jack drauflos und schluckt kurzerhand die Pille selbst, aber Dogen prügelt sie ihm wieder heraus, es sei nämlich Gift drin, aha.

Dann rücken Japaner und Dolmetscher endlich mit einer Information heraus: Sayid solle sterben, weil er »claimed« sei. Eine Dunkelheit werde sein Herz ergreifen und ihn ziemlich abfucken, das sei jedenfalls auch Jacks Schwester passiert, also: Claire.

Sawyer ist unterdessen entflohen mit den Worten »don’t come after me!«, aber natürlich wird ihm dann doch gefolgt, Kate und Jin sollen ihn holen gehen. Zusammen mit zwei Aufpassern der Others (Aldo und Justin) machen sie sich auf den Weg. Kate haut dann die beiden Others um, schnappt sich ihre Waffen und sucht das sogenannte Weite.

Im verlassenen Dorf der Others (uuaaahh, unheimlich!) trifft sie auf Sawyer, den sie beim Trauern beobachtet. Auf einem romantisch gelegenen Bootssteg unterhalten sie sich über Juliet und die jüngsten Ereignisse, was-wäre-wenn bis zum Erbrechen, Sawyer meint, er habe Juliet heiraten wollen usw. usf., Kate heult. Auf dem Reißbrett entstandenes Gefühlstheater.

Irgendwo in der Nähe wird Jin festgenommen, seine beiden Festneh­mer werden aber abgeschossen, und zwar von: Claire. Sie ist also zurück und sieht jetzt verstört und dschungelig aus wie einstmals die Inselfranzösin Rousseau.

2. – L.A.-Plot (Nicht-Absturz-Welt)

Kate ist im von ihr usurpierten Taxi zunächst gar nicht nett zu Claire. Der Taxifahrer und Claire machen sich irgendwann aus dem Staub, Kate befreit sich in einer Werkstatt von den Handschellen. Beim Umkleiden entdeckt sie in Claires Tasche ein paar Kindersachen, darunter einen schönen Plüschdelfin, der sie ganz sentimental stimmt.

Sie pickt Claire wieder auf und fährt sie zu ihrem ursprünglichen Zielort, den Adoptivmenschen, die Claires Baby haben wollen. Claire und Kate sind dann fast so Thelma-&-Louise-mäßig unterwegs.

Die Adoptiveltern in spe sind aber inzwischen schon nicht mehr zusammen, das wird also nix werden mit der Babyweitergabe, und vor lauter Schreck macht sich Claires Baby bemerkbar, auf ins nächste Krankenhaus! Dort dann große Überraschung: Ethan arbeitet da als Weißkittel, »Dr. Goodspeed«, und macht eine gute Figur als beruhigen­der Doktor in komplett doktoraler Profiart, ein interessanter Charakterwechsel.

Dann taucht die Staatsgewalt auf und sucht nach Kate, aber Claire wimmelt die Uniformierten ab. Dann verabschieden sich die beiden »Lost«-Mädels freundlich voneinander, Kate geht.

(Morgen weiter mit Folge 4.)


Lost: 6. Staffel, 1. und 2. Folge

Paris, 25. Februar 2010, 08:00 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »LA X (Parts 1 + 2)«
Episode Number: 6.01+02 (#103+#104)
First Aired: February 2, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Los Angeles (Teil 1 + 2)« (EA 17./24. 3. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

»Lost«, 6. Staffel, wir sind ein bisschen hinterher, auf geht’s.

Das Gute zuerst: Gleich zu Beginn dieser initialen Doppelfolge wird ein alternativer Zeitstrang eingeführt, diesmal ganz ohne Weißflash-Orgien. Auf dieser zusätzlichen Erzählebene stürzt der Flug Oceanic 815 nicht ab und kommt demzufolge also im September 2004 wohlbehalten in L.A. an, vielleicht als Ergebnis der Jughead-Explosion am Ende von Staffel 5. (Die Spiegel-Online-Recapper nennen es die »Nicht-Absturz-Welt«, diese Bezeichnung übernehme ich mal.)

Trotzdem läuft natürlich der 2007er Zeitstrang auch weiter, und da kommt mit dem Temple eine neue Insel-Location dazu, neue Klischeecharaktere, neues mystisches Geraune und Getue, und außerdem wird dort weiter am mythologischen Überbau gearbeitet (Jacob vs. böser Erzfeind).

Vor lauter Enträtselungssucht scheint den meisten zu entgehen, wie bescheuert sich auf dieser Ebene Plot und Charaktere entwickelt haben. Jack hat alle paar Minuten dieses angepisste Überraschungs­grinslachen im Gesicht. Ben ist vom coolen Machtbolzen zum Lutscher geworden, der nur noch blöd in den Kulissen herumlungert. Sawyer ist vom Slanger und Checker zum romantischen Vollpfosten abgestiegen. Mit andern Worten: Diesen ganzen Zeitreisemist der Vorgängerstaffel haben die Figuren nicht gut überstanden.

Unter den neu eingeführten Charakteren sticht sofort dieser nicht Englisch sprechen wollende Japaner hervor (wir werden erst am Ende von Folge 3 erfahren, dass er sich Dogen nennt). Der ist von Anfang an eine auf Big Mystery machende Klischeefigur à la »Lost«. Allein dieser kaftanartige Umhang, den er trägt und der aussieht wie eine billige Longjacke von Quelle. Dogen ist irgendwie der Häuptling einer versprengten Others-Gruppe, die im Temple residiert. Nebenbei, dieser Bau sieht aus wie eine Maya-Pyramide für Arme und wirkt so billig zusammengeklebt wie damals das Pappmaché-Drehrad, mit dem Ben die Insel hat verschwinden lassen.

Der »Lost«-Stil scheint endgültig an sein kreatives Ende gekommen zu sein. Schon 150 Mal wurde in der Serie jemand im Dschungel abgegriffen und irgendwohin abgeführt. Und das geht einfach so weiter. Dann finden durch diverse Umgruppierungen Leute wieder zusammen und fragen sich gegenseitig, wo sie gewesen sind, erhalten als Antwort dann aber nie mehr als irgendwelche ungenauen Mystikkommentare. Das, liebe Freunde, ist die totale ERZÄHLHÖLLE. Und man will gar nicht mehr darüber nachdenken, welche Pfeile am Figuren-Reißbrett wohin gezogen worden sind von den Autoren, um einerseits das Serienende eine weitere Staffel lang hinauszuzögern und die Serie dann andererseits irgendwie doch noch zu Ende zu schaukeln.

Aber der Reihe nach: drei Schauplätze, zwei Zeitebenen.

1. – Flugzeug und Flughafen, September 2004

In der Nicht-Absturz-Welt wird Oceanic 815 zwar von irgendeiner Luftwelle erfasst, aber es geht alles gut. Die »Lost«-Insel wird reibungslos überflogen, und das wissen wir so genau, weil die Kamera kurz auf Tauchfahrt geht, durch die Wolken hinab und bis auf den Meeresgrund hinunter, wo ein vom Wasser verschlucktes Dharma-Dorf durchflogen wird bis hin zum ebenfalls unter Wasser befindlichen vierzehigen Statutenfuß. Nicht so schlecht, das sieht dann gleich wie eine Atlantis-Story aus, mal sehen.

Ansonsten hat Jack an Bord einen kurzen Chat mit der Stewardess Cindy, die wir nachher auch auf der Insel unter einer Abordnung der Others wiedertreffen. Außerdem begegnet Jack noch kurz Desmond (»Do I know you from somwhere?«), der ja zeitgleich eigentlich einen Button im Hatch zu drücken hat. Und es gibt ein Wiedersehen mit dem am Ende von Staffel 3 abgesoffenen Charlie, der jetzt hier im Flugzeug bewusstlos auf der Toilette liegt und von Jack gerettet wird.

Irgendwann landet Oceanic 815 ganz normal in L.A., eine nachdenkliche-süß-saure Happy-End-Melodie setzt ein, alles wird in Zeitlupe getaucht.

Im zweiten Teil der Doppelfolge geht es im L.A.-Plot dann vor allem um Kates Flucht. Es gelingt ihr, den Marshal loszuwerden, sie klaubt sich noch seine Pistole und wuuuuush, weg ist sie. Sie flieht weiter in ein Taxi, wo neben ihr dann die schwangere Claire sitzt. Ansonsten ist nicht viel los auf dem Flughafen: Der Sarg von Jacks Vater ist abhanden gekommen. Der wartende Jack verfängt sich in ein Gespräch mit Locke und gibt ihm seine Visitenkarte mit Aussicht auf Hilfe für den Querschnittsgelähmten (»Nothing is irreversible!«).

2. – Auf der Insel, nach Jacks Atombombenabwurf

Falls der weiß aufgeblendete Bildschirm am Ende von Staffel 5 einer Detonation gleichzusetzen ist, dann war das eine physikalisch recht merkwürdige Angelegenheit. Denn der Stammcast liegt lediglich bewusstlos irgendwo im Dschungelgras herum und versammelt sich jetzt wieder, als sei nichts geschehen (Kate, Jin, Jack, Sawyer, Miles, später kommen Hurley und Sayid dazu). Sie finden dann auch noch die Überreste des zerstörten Swan-Hatch, der nach dem Atombomben-Incident im Jahr 1977 eigentlich gar nicht hätte gebaut werden dürfen.

Die an Goethes »Wahlverwandtschaften« angelehnte Vierecksstory zwischen Juliet, Sawyer, Kate und Jack wird auf die nächste Ebene gewuchtet. Sawyer ist jetzt nämlich sehr sauer auf Jack, weil er Juliet auf dem Gewissen habe. Noch aber ist Hoffnung, eifrig graben die gebeutelten Lostianer einem leisen Wimmern entgegen, und tatsächlich, Juliet ist blutüberströmt, wie sich das nach einem Sturz in den Brunnen und einer kurz darauf folgenden Atombombenexplosion gehört, hehe, lebt aber noch so ein bisschen.

Die Schreiber wollten hier ganz offensichtlich noch mal die unaushaltbar emotionale Abschiedsszene vom Ende der 5. Staffel wachrufen, die kam bei den Fans ja supergut an (cf. noch mal das sablog). Juliet und Sawyer knutschen jedenfalls, blutverschmiert und schweißgebadet, Kate schaut zu, Jack schaut zu, alle schauen zu. Dann stirbt Juliet doch noch, ca. eine Sekunde, bevor sie Sawyer noch etwas Ultrawichtiges sagen kann. Der saure Sawyer zu Jack: »You did this!«

Nachdem Sawyer Juliet begraben hat, sucht er die Nähe zu Miles, der ja auch als Transmitter für Nachrichten von Toten arbeitet. Er horcht ins Grab hinein: »It worked!«, das wollte Juliet noch gesagt haben kurz vor ihrem Tod. »What worked?«, will Sawyer wissen, und wir mit ihm, aber statt Miles weiter zu befragen, macht sich Sawyer von dannen, wie logisch!

Irgendwo um die Ecke hat die Kamera wieder mal ein wenig tiefgrünes Inselgras eingefangen, bis aus dem Nichts Jacob erscheint und Hurley um ein kurzes Gespräch bittet. Jacob, eigentlich ja von Ben ordnungs­gemäß gekillt und danach verbrannt, gibt hier, sicher nicht zum letzten Mal, den Deus ex machina und spornt Hurley mit wichtigen Anweisun­gen an. Außer Hurley könne ihn übrigens keiner sehen, meint Jacob noch, »because I died an hour ago«. Dieser Satz ist mindestens genauso schlecht wie Faradays einstiges »I’m from the future!« in Folge 5.14. Wie auch immer, Hurley soll Sayid zum Temple bringen, und die anderen, bis auf Sawyer und Miles, begleiten ihn selbstverständlich, Jin weiß, wo’s langgeht.

Sie erreichen ein altbekanntes Gemäuer mit einem Loch darin und steigen hinab. Im ersten Raum finden sie einen der toten Franzosen (Opfer des Rauchmonsterviechs), sie schütten einen Proviantsack aus, ein Buch von Kierkegaard ist darin, »Crainte et tremblement«, mal wieder das typische pseudointellektuelle Namedropping der »Lost«-Autoren. (Ist übrigens ein schönes kleines 100-Seiten-Buch, das wir auch in unseren Kanon der schönen kleinen 100-Seiten-Bücher aufgenommen haben.)

Während die Lostianer die unterirdischen Gänge durchforsten, werden sie wieder mal überfallen, nach draußen geführt und at gunpoint gehalten. Eine wieder neue Abteilung Waffennarren führt sie rüber zum Temple. Die dort dann dazueilenden Tempelritter haben auch die Stewardess Cindy unter sich, die ihren unfreundlichen Kompagnons mitteilt, dass die Neuankömmlinge aus dem »first plane« stammen, wie sie selber auch. Wie Cindy zu dieser Others-Abteilung gelangt ist, keine Ahnung.

Jedenfalls tritt als Anführer dieser Dogen auf und befiehlt die sofortige Erschießung aller Aufgegriffenen. Darauf Hurley: »Jacob sent us!« Und das ist die Rettung, das Zauberwort, allerdings nur gepaart mit dem Addendum: »He gave me that guitar case!« Im Gitarrenkoffer findet sich ein großes hölzernes Anch-Kreuz, vor dem sich der Japaner kurz verbeugt, bevor er es über dem Knie zerbricht und ihm einen Zettel entnimmt. Sayid muss gerettet werden! Das steht da angeblich. Sonst seien alle seriously fucked, auch die Tempelritter.

Im Inneren des Temples gibt es einen riesigen Whirlpool. Dogen schneidet sich die Hand auf und hält sie blutig ins Wasser. Danach wird Sayid gebadet, eine Art Mikwe vielleicht, aber dann sieht es doch nach klassischer Ersäufung aus, und dann scheint er auch tatsächlich abgenippelt zu sein.

Etwas später gibt Dogen dann den Klischeejapaner, der in seinen Privatgewölben seine Pflanzen zurechtschneidet. Hurley wird zu ihm gebracht und wundert sich, warum Dogen zwar Englisch versteht, es aber nicht spricht. Darauf eine coole Antwort: »I don’t like the way English tastes on my tongue!« Hurley verklickert Dogen und seinem Dolmetscher, dass Jacob tot sei, und sofort ist Action im Bienenstock! Eine rote Signalrakete wird abgesetzt, »to keep him out«, und da raten wir mal, wer das sein wird.

Als Cliffhanger der Doppelfolge gibt es einen von den Toten auferstehenden Sayid, der mit ultrabläädem Gesichtsausdruck fragt: »What happened?«

3. – Auf der Insel, am Strand beim Statuenrest

Und noch ein Schauplatz: Im Bunker unter dem Statuenrest hängen der Fake-Locke und ein konsternierter Ben herum, der mit seinem Mord an Jacob hadert: »Why didn’t he fight back?!« Draußen sieht Ben den Leichnam des echten Locke und tut verständnislos. Statt wie befohlen Richard mitzubringen, wird Ben von ein paar Gewehrleuten zurück in diese Bunkersituation gestoßen. Es sind Jacob-Leute, die auf den falschen Locke zu schießen beginnen, der aber irgendwann einfach weg ist und als Rauchmonster samt Klapperschlangengeräusch zurückgesaust kommt.

Jedenfalls schleudert das Black Smoke Monster die Jacob-Leute ein paar Mal um ihre eigenen Gedärme. Einer kann sich retten durch einen Kreis, den er um sich zieht, aber dann fällt er um, der arme Kerl, und wird vom Monster malträtiert. Richtig schlimm ist dann die Deutlichkeit, die dem Geschehen aufgepfropft wird. Der Fake-Locke sagt zu Ben, der das alles beobachtet hat: »Sorry you had to see me like that.« Man muss diese Aussage mal auf Deutsch hier hinschreiben, um den Horror der Explizitheit, der hier sicher noch nicht seinen Gipfel erreicht hat, nachzuvollziehen: »Äh, tschuldige, dass ich mich grad in ein Rauchmonster verwandeln und diese Typen durch die Luft schleudern musste, kommt nicht wieder vor.«

Im zweiten Teil der Folge äußert der Fake-Locke gegenüber Ben dann seinen dringlichsten Wunsch: »I want to go home!« Er ist also wahrscheinlich so eine Art E.T. des 21. Jahrhunderts, hehe. Aber egal, draußen sehen die Others um Richard die rote Signalrakete. Fake-Locke kommt dann aus dieser Bunkerhalle stolziert, haut Richard ordentlich zusammen, schultert ihn und trägt ihn davon. »I’m very disappointed, in all of you!«, schreit er der Strand-Crowd noch zu.

Soweit, Recap zur dritten Folge kommt morgen.


Lost: 5. Staffel, 16. und 17. Folge

Paris, 21. Mai 2009, 22:03 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Incident (Parts 1 + 2)«
Episode Number: 5.16+17 (#101+#102)
First Aired: May 13, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Der Vorfall (Teil 1 + 2)« (EA 23./30. 7. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Mit der finalen Doppelfolge der 5. Staffel von »Lost« hagelt es noch einmal Drastik vom Erzählhimmel. Und mit dem Auftauchen des bisher nur als Schatten und Idee existierenden Jacob (sprich: Dschäjkepp) kriegen wir eine neuerliche Macht- bzw. Machtverlust-Allegorie serviert – sowieso das thematisch interessanteste Kontinuum der Serie. Dass er am Anfang der Doppelfolge neben der noch intakten (endlich auch mal aus der Nähe zu sehenden!) vierzehigen Riesenstatue herum­lungert, dass der Kampf um die Inselherrschaft also schon seit ewigen Zeiten zu laufen scheint, gibt dem Ganzen eine nachgerade biblische Dimension.

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Lost: 5. Staffel, 15. Folge

London, 16. Mai 2009, 13:17 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Follow the Leader«
Episode Number: 5.15 (#100)
First Aired: May 6, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Der Anführer« (EA 16. 7. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Folgenlang hat uns Faraday eingebläut, und we took it for granted, dass man durch Taten in der Vergangenheit nicht die Zukunft ändern kann, whatever happened, happened. Das ist endgültig Schnee von gestern. In dieser Folge beginnen die in den 70ern gelandeten Losties, an die­ser Vergangenheit herumzudoktern, damit am Ende der Kausalkette der Oceanic-Flug 815 im Jahr 2004 eben nicht vom Himmel fällt, nur weil Desmond vergessen hat, den 108-Minuten-Knopf zu drücken.

Der brachialste Ansatz dafür ist die Zündung der auf der Insel befind­lichen Wasserstoffbombe. Und ausgerechnet Dr. Jack Shephard geht mit dieser Idee völlig d’accord, er betrachtet das als unausweichlichen Auftrag des Schicksals und erinnert dabei immer mehr an seinen esoterischen Gegenpart John Locke. Der schöne Eid des Hippokrates scheint dem ehemaligen Superarzt mittlerweile völlig Wurst zu sein.

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Lost: 5. Staffel, 14. Folge

Paris, 6. Mai 2009, 22:20 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Variable«
Episode Number: 5.14 (#99)
First Aired: April 29, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Die Variable« (EA 9. 7. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

(Vorab: ABC feiert mit dieser Episode offiziell die 100. Folge »Lost«, meint damit aber die 100. produzierte TV-Stunde »Lost«. Wir sind wie viele ande­re mit unserer Zählung erst bei #99, da wir die zweistündige Folge 1.24, »Exodus, Part 2«, nur einfach zählen. *egal*)

2008

In der vorletzten Folge wurde Desmond von Ben angeschossen, und als diesmaligen Opener erleben wir eine »Emergency Room«-mäßige Krankenhaus-Sequenz mit Desmond auf einer Bahre, die hektisch durch einen Krankenhausgang gerollt wird. Dem verletzten Schotten wird ein Atemgerät aufs Gesicht gepresst, und ein paar Ärzte schreien so klischiert wie möglich irgendwelche Begriffe durch die Gegend.

Dann tritt Eloise Hawking in den Wartesaal, die Frau, die alle Lächer­lichkeiten der 5. Staffel so perfekt personifiziert. Wie ein Orakel ihrer selbst verkündet sie Penny nun, dass Daniel Faraday ihr Sohn sei, der wiederum Desmond nach L. A. geschickt habe, um sie zu finden und die Rückkehr der Oceanic Six zu organisieren. Ansonsten sind ihr ähnlich wie Ben mittlerweile die Zügel aus der Hand geglitten: »For the first time in a long time, I don’t know what’s going to happen next.« (Was für eine Wohltat, hoffentlich wird die Alte jetzt erträglicher, hehe.)

Die Szene im Spital funktioniert als Klammer für die gesamte Folge und wird erst am Ende wieder aufgenommen. Dann kreuzt schließlich auch Widmore auf und erkundigt sich so nach dem Neuesten. Dabei kommt heraus, dass Faraday nicht nur der Sohn von Eloise, sondern auch der von Widmore ist. Also ist Faraday der Halbbruder von Penny, der Schwager von Desmond usw. Dazu gibt es noch die Andeutung, dass der Physikus von seiner Mutter geopfert werden musste. Und das wird dann auch der Cliffhanger, doch dazu später.

Faradays Kindheit und Karriere

Diese Faraday-centric episode inszeniert den Zeitreise-Wissenschaftler so ein bisschen als Hanno Buddenbrock für Arme. Seine Mutter unter­bricht ihn in ganz jungen Jahren beim glückseligen Pianospiel. Sie fragt ihn, ob er wisse, was destiny sei. Äh, nein, sagt er. Die richtige Antwort lautet: »Destiny means that, if one has a special gift, then it must be nurtured.« Und das wird Faradays Trauma, etwas zaunpfahlartig in diesen vorausdeutenden Dialog gepresst:

FARADAY: But I want to keep playing the piano. I can do both. I can make time.
ELOISE: If only you could.

Später sehen wir ihn an der Uni wieder, nach seinem Abschluss als »youngest doctorate that ever graduated from Oxford«. Er schleppt eine Theresa an, Freundin und Forschungsassistentin, doch seine Mom will lieber mit ihm allein lunchen. Als sie dann beieinander sitzen, macht sie aber gleich die Biege, kurz nachdem sie gehört hat, dass Daniel für seine Forschungen 1,5 Mio. Pfund zur Verfügung gestellt wurden, von einem Industriellen namens – Charles Widmore.

Als nächstes betrachten wir die Spätfolgen des Faraday’schen Traumas: Er ist depressiv, heult die ganze Zeit und hat Erinnerungs­probleme. Irgendwann nach dem Absturz des Oceanic-Fluges 815 sieht er rein zufällig eine Fernsehsendung über die Bergung des (von Widmore gefakten) Oceanic-Flugzeugwracks. In diesem Moment taucht zufällig Widmore selber bei ihm auf, um ihn für die Kommando-Tour auf die Insel zu gewinnen. Widmore lockt ihn damit, dass er von der Insel geheilt werde, Eloise damit, dass es sie mit Stolz erfüllen würde, wenn er Widmore zusage.

1977

MILES: What the hell are you doing back here, Dan? Once you left for Ann Arbor, I figured you’d gotten rich, invented the DVD or something.

Faraday ist seit dem Ende der letzten Folge also in der 1977er Hand­lung angekommen, nachdem er nach Folge 5.08 zunächst spurlos verschwunden war. Er lässt sich von Miles zu Jack bringen. Dieser darf einige Suggestivfragen beantworten, damit Faraday ihn dann belehrt: Entgegen den Behauptungen seiner Mutter Eloise sei die Rückkehr zur Insel gar kein unausweichliches Schicksal gewesen, ätsch. »I got some bad news for you, Jack. You don’t belong here at all. She was wrong.«

Nach dieser Verkündung macht sich Faraday auf den Weg zur Orchid-Station. Die Szene aus 5.01 wird wiederholt, in der sich Faraday und Dr. Chang in der Nähe des Energiefeldes begegnen. Und dann (aaaaahh!) kommt der Unsatz aller Unsätze, gesprochen von Faraday: »I’m from the future.«

Und Chang lacht sich nicht kaputt darüber, sondern kuckt Faraday weiter ernst an. Dann will der kittelbewehrte Dharma-Wissenschaftler abhauen, doch Faraday bekniet ihn weiter. Um ihn auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen, spoilert er ihn sogar mit der Info voll, dass Miles sein Sohn sei (was ja nun wirklich obvious ist: »A Chinese man named Miles – the same name as your baby – shows up with me from the future. You really think this is all coincidence?«) Miles seiner­seits streitet das dann ab, Faraday argumentiert weiter auf verlore­nem Posten.

Schauplatz-Wechsel. Endlich ist auch Sawyer, der es sich in den 70ern so schön bequem gemacht hatte, zu der Erkenntnis gelangt, dass es an der Zeit sei, dem Dharma-Dorf den Rücken zu kehren. Ganz weg von der Insel oder bloß rein in den Dschungel, das ist die Frage. Zufällig taucht dann Faraday auf und verklickert allen, dass er die Hostiles finden muss, allen voran seine Mom, denn die sei »the only person on this island who can get us back to where we belong«. Sawyer, der ewige Wortspielheld, erwidert Richtung Faraday: »Your mother is an Other?«

Und wie so oft, wenn es handlungsmäßig voran zu gehen scheint, bilden sich zwei Lager. Das ist ein narratives Kontinuum bei »Lost« und auch eine der Stärken der Serie. Sawyer, Juliet, Miles und Hurley wollen jedenfalls nicht mit zu den Others und entscheiden sich, zurück zum Beach zu ziehen, »right where we started«.

Vor dem großen Aufbruch findet sich noch Zeit für ein kleines Zwischen­spiel: Faraday spricht zu einem rotblonden Mädchen auf einer Schaukel. Es ist Charlotte, seine demnächst große Liebe. Er will sie warnen und sie auffordern, samt ihrer Mommy mit dem nächsten U-Boot die Insel zu verlassen. Er widerspricht sich damit selbst, seinem bisher ubiquitären Slogan »whatever happened, happened«. Jetzt heißt die Devise: »I didn’t think I could change things. But maybe I can.« Diese Aussage kommt nicht gerade gut motiviert daher, ein weiteres Indiz für die Beliebigkeit, mit der unserem schönen »Lost« dieses bescheuerte Zeitreise-Thema aufgebürdet wurde.

Aber egal, viel Zeit zum Reflektieren bleibt nicht, denn Radzinsky trifft ein und fragt die Aufbrechenden (Kate, Jack, Faraday), was da los sei. Eine wilde Schießerei setzt ein (endlich mal wieder Action), Faraday wird verwundet. Mit Ach und mit Krach entfliehen die Drei im hellblauen Dharma-Jeep. Radzinsky und seine Mannen ziehen indessen weiter zu LaFleur/Sawyer und entdecken dort den gefesselten und geknebelten Phil. Sieht schlecht aus für Sawyer & Juliet, aber dieser Handlungs­strang bricht hier erst mal ab, to be continued in der nächsten Folge.

Bei einer Rast im Dschungel hält Faraday dann eine Rede, in der er einen gut Teil des magischen Realismus der ersten drei Staffeln auf eine plausible »chain of events« zurückführt: In ein paar Stunden werde man bei der Swan-Station auf ein riesiges Energiefeld (»a massive pocket of energy«) stoßen, und deshalb werde der Hatch gebaut, und deshalb habe der Button gepusht werden müssen. Desmond werde ihn dann eines Tages vergessen zu betätigen, im September 2004, was zum bekannten Flugzeug-Crash führen werde. Und all das »is gonna start happening this afternoon. But – we can change that.«

Weil er von seinen artigen Zuhörern Jack und Kate nicht unterbrochen wird, ereifert sich Faraday immer weiter und ergeht sich dann Paolo-Coelho-haft in einer esoterischen Menschlichkeitssuada: »I forgot about the variables. Do you know what the variables in these equations are, Jack? Us. We’re the variables. People. We think. We reason. We make choices. We have free will. We can change our destiny.« So billig wird also die vormalige Direktive »whatever happened, happened« endgültig widerlegt. Und endlos gähnt das Murmeltier.

Faraday will nun das Energiefeld unter der Swan zerstören, und zwar mit der Jughead-Wasserstoffbombe aus Folge 5.03. Dann werde der Oceanic-Flug 815 auch nicht crashen, sondern vielmehr sanft in Los Angeles landen. Und »Lost« hätte es nie gegeben.

Der Plan wird jedoch erst mal volle Kanne durchkreuzt, denn als sich Faraday im Lager der Hostiles mit Waffengewalt Zugang zu seiner Mutter verschaffen will, wird er hinterrücks angeschossen – von seiner Mutter. Japsend, mit dem Tode ringend, versucht er ein letztes klärendes Gespräch mit ihr:

FARADAY: Eloise. You knew. You always knew. You knew this was gonna happen. You sent me here anyway.
ELOISE: Who are you?
FARADAY: I’m your son.

Bitte was? Das ist doch so ein abgrundtief schlechter Seifenopern-Satz, wenn irgendein neuer Charakter mit dem Presslufthammer ins Drehbuch geschrieben wurde, »I’m your son«. Nach dem vorhin gehörten Unsatz »I’m from the future« ist das dann gleich Faradays zweites Stil-Verbrechen. Mal sehen, was noch kommt, hehe.


Lost: 5. Staffel, 13. Folge

London, 19. April 2009, 23:32 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Some Like It Hoth«
Episode Number: 5.13 (#98)
First Aired: April 15, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Das Imperium schlägt zurück« (EA 2. 7. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Miles ist der Sohn von Dr. Pierre Chang, dem Arztkittelträger aus den Dharma-Lehrvideos. Soweit der komplette Inhalt dieser Folge. Um den Platz hier zu füllen aber doch noch ein paar Détails:

Miles‘ Jugend und Vollendung

Die Flashbacks beginnen im Jahr 1985. Eine Mutter will eine Wohnung mieten, und während sie mit dem Vermieter schwatzt, entdeckt ihr kleiner Sohn Miles eine Leiche. Und zwar durch irgendeinen telepa­thischen Vorgang, der ihn die letzten Gedanken von Toten spüren (nicht: hören) lässt. Aber das wissen wir schon aus früheren Fol­gen, dass Miles so ein Mischcharakter aus »Heroes« (ability!) und »Pushing Daisies« (Totenkommunikation!) ist.

Miles‘ Vater ist schon damals »out of the picture«, und diese Aussage der Mutter lässt erahnen, dass die »Lost«-Autoren hier wieder eine ihrer Vatervieh-Storys aus dem Hut zaubern – die ein ganz eigenes, immer interessant bis spannendes »Lost«-Untergenre bilden (Johns Vater, Kates Vater, Suns Vater, Bens Vater, Pennys Vater usw. usw.).

Später besucht ein hochgegelter und durchgepiercter Miles seine Mutter am Sterbebett, wo sie ihre Aussage präzisiert: »Your father kicked us out when you were just a baby. He didn’t want anything to do with us.«

In den Rückblenden sehen wir Miles dann hauptberuflich als Medium arbeiten, mit Hang zur Scharlatanerie. Zum Beispiel übermittelt er einem Mr. Gray (Dean Norris alias Hank aus »Breaking Bad«!) zunächst die angebliche Nachricht seines toten Sohnes, »that he loved him«. Später revidiert er das und gibt zu, dass er gar nicht fähig ist, mit seinem Sohn »zu sprechen«. Eine Stellvertretertat, da Miles seinem eigenen Vater nicht mehr sagen kann: »If you needed your son to know that you loved him, you should’ve told him when he was still alive.«

Zwischendrin wird Miles von Naomi abgegriffen, der in Widmores Diensten stehenden Fallschirmspringerin, die dann leider kurz nach ihrer Landung auf der Insel von Locke ermordet werden wird. Sie soll Miles für die Bootstour zur Insel gewinnen. Der lehnt erst ab, zeigt dann seine Fähigkeiten (Naomi: »Your audition!«) und kann bei den angebotenen $1.6 Mio. nicht nein sagen.

Kurz darauf wird er in einem Kommandounternehmen von einer »A-Team«-ähnlichen Gang in einen Van gezogen. Ein Kerl namens Bram rät ihm dort davon ab, sich auf Widmores Frachter einzuschiffen. Es ist derselbe Typ, der in der Gegenwartshandlung mit Ilana und den anderen vom Flug 316 auf der Nebeninsel abgestürzt ist. Er wiederholt gegenüber Miles auch die (für uns noch unbeantworte­te) Codewort-Frage, die Ilana in der letzten Folge Chopper-Frank gestellt hat: »What lies in the shadow of the statue?« Jedenfalls will Miles nicht für die andere Seite kämpfen, da seine finanziellen Forderungen nicht erfüllt werden, und schon wird er aus dem Van geschmissen.

Auf der Insel (1977)

Im Hauptgeschehen auf der Insel (im 1977er Handlungsstrang) wird Miles von Horace in den Circle of Trust aufgenommen, weil er jemanden braucht, der von Radzinsky ein ominöses »package« (vulgo: eine Leiche) abholt. Hurley, mit dem sich Miles später auf den Weg zur Orchid-Station macht, bekommt trotz Geheimhaltungsorder Wind davon. In der unnachahmlich einfältigen Hurley-Sprache: »Duuude, there’s a body bag back here. There’s a body in it.«

Miles soll die abgeholte Leiche zu Dr. Pierre Chang bringen, seinem Vater, und der ist dann gar nicht einverstanden mit dem Wissens­transfer in Richtung Hurley. Er nutzt dann aber die beiden VW-Bus-Ankömmlinge als Mitfahrgelegenheit, taut während der Fahrt etwas auf und erzählt von seinem 3 Monate alten Sohn, der in etwas älterer Form gerade neben ihm sitzt, ohne dass ihm das klar wäre.

Chang lässt sich an einer Baustelle absetzen, und Hurleys Blick erstarrt plötzlich: Hier wird der Hatch gebaut. Und gerade wird in die Luke die Seriennummer eingemeißelt – die sechs »Lost«-Zahlen, mit denen Hurley auch zum Lottomillionär (und Allround-Pechvogel) geworden ist.

Während der Weiterfahrt gibt es noch einen ziemlichen Geek-Moment. Miles zerrt Hurley seine Kladde aus der Hand und liest gegen dessen Willen eine Passage vor. Es handelt sich um ein paar Skizzen zu »The Empire Strikes Back«, denn, so Hurleys Erklärung:

»It’s 1977, right? So Star Wars just came out. And pretty soon George Lucas is gonna be looking for a sequel. I’ve seen Empire like 200 times, so I figured I’d make life easier and send him the script, with a couple of improvements.«

So eine Idee hätte sonst eigentlich nur der Seinfeld-Nachbar Kramer haben können, und dem hätte man diese auch ohne Probleme abgenommen, Hurley jedenfalls nicht. Glücklicherweise dürfte er auf der Insel aber keinen hauptamtlichen Briefkasten finden, sodass das Skript in der Vergangenheit versauert sein dürfte, hehe. Zum oben erwähnten Vater-Thema passt aber, dass Hurley noch mal mit (auf far too lustig getrimmten) eigenen Worten die Luke/Darth Vader-Story wiedergibt.

Grundkurs Ägyptische Sprachgeschichte

Bens Vater Roger ist untröstlich, statt neulich dem Flirt mit Kate streitet er nun mit ihr. Er vermutet, dass sie etwas über den Verbleib seines Sohnes wissen könnte. Später erwischt er Reinigungsmeister Jack beim Tafelputzen in einem Klassenraum (»Dharma Students Make Learning Fun!«). Auf der Tafel stehen ein paar kitschige Hieroglyphen und, noch mal für alle, folgende Eckdaten:

Old Egyptian
2600 BC to 2000 BC
Tripling ideograms, phonograms, and determinatives

Middle Egyptian
2000 BC to 1300 BC
Classic stage of language

Late Egyptian
1300 BC to 700 BC
From synthetic to analytic language

Vielen Dank für die Infos! Die werden dann aber von Jack ordnungs­gemäß abgewischt. Nachdem er damit fertig ist, verbürgt er sich bei Bens Vater für Kate. Später berichtet er Juliet und Sawyer von den Vorfällen. Der Security-Chef der Dharmas wird kurz darauf auch noch von Phil angesprochen, der mit einem Security-Tape wedelt. Phil gibt zu verstehen, dass er weiß, dass es Sawyer war, der Ben zu den Others gebracht hat. Und deshalb wird der potenzielle Geheimnisverräter erst mal ausgeknockt.

Als Cliffhanger reicht das aber dann doch nicht, und deshalb taucht am Ende endlich Faraday wieder auf. Er entsteigt dem Dharma-U-Boot und grüßt: »Hey, Miles. Long time no see.«