Archiv des Themenkreises ›Lost‹


Lost: 4. Staffel, 5. Folge

London, 5. März 2008, 01:20 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Constant«
Episode Number: 4.05 (#76)
First Aired: February 28, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Die Konstante« (EA 13. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Der Propeller rattert, ein glücklich lächelnder Desmond, ein besorgter Sayid, und der »Renegade«-mäßige Pilot bringt die Chopper schlingernd in eine Schlechtwetterfront.

Ziemlich verregnet geht es weiter, wir befinden uns plötzlich in einer Kaserne in Schottland, wo Desmond Militärdienst leistet, im Jahr 1996.

Was für ein Schotte, dieser Desmond. Was für ein Schotter, diese Folge. Zumindest kam mir das so vor. Egal ob Bewusstseinsstörung oder Zeitreise: Wer da keine Konstante hat, ja, der ist verloren und todgeweiht. »Lost« wird mit dieser Folge also endgültig Science-Fiction – das war ja nicht unbedingt in dieser Konsequenz zu erwarten.

Und das muss auch nicht schlecht sein, doch leider geht es nicht so richtig vorwärts, eher seitwärts. Besonders die Sache mit Desmond und seinen Zeitsprüngen muss erst mal inhaltlich verdaut werden. Die Angst wächst, dass sich viele Mysterien um die Insel in Klischees auflösen.

Desmonds Traumsucht kennen wir ja schon von seinen Blicken in die Zukunft, durch die er mehrfach Charlies Tod voraussah, bis der Rocker am Ende der 3. Staffel schließlich im Looking Glass ersoffen ist. Nachdem Des nun die Insel verlassen hat, scheint er über seine Realvisionen den Verstand zu verlieren. Wieso weiß er plötzlich nicht mehr, wer Sayid ist und wo er selber sich gerade befindet und überhaupt?

Das klärt sich dann einigermaßen auf: In dieser Folge werden Konstanten gesucht, wie schon der Titel ankündigt, und für uns, die Zuschauer, fungiert Daniel Faraday als Konstante, wie er back in time als junger hitziger Professor für Aufklärung sorgen soll, Mitte der Neunziger, am Physics Department in Oxford.

Das sind Szenen zum Aufpassen, hier wird sicher irgendwie der Plan für das »Lost«-Finale schon in Gang gesetzt, und bei all dem Ernst geht Daniels coole Antwort ein bisschen unter, die er Desmond gibt, nachdem dieser ihm sagt, was ihm vom 2004er Faraday aufgetragen wurde zu sagen:

»Why didn’t I just help you there, in the future? Why would I put you through the headache of time travel? You know what I mean, it just seems a little unnecessary.«

Danach wird es allerdings ziemlich klischiert: Wir sehen eine mit Formeln vollgeschmierte Tafel, ein Experiment mit einer Laborratte und einen besessenen Faraday, dem es irgendwie zu gelingen scheint, den Beweis für die Funktionalität dieser träumerischen Zeitreisen zu erbringen.

Wenigstens wird in dieser Desmond-Folge ein wichtiger loser Erzählfaden aufgegriffen: Im Jahr 1996 haben Penny und Desmond ihre Beziehung beendet, die genauen Gründe bleiben im Dunkel. Es gibt aber Parallelen zu einem früheren Ereignis: Desmond lernte Penny kennen, als er gerade aus einem Kloster entlassen wurde. Recht spontan hatte er sich davor für den Gang ins Kloster entschieden, kurz vor seiner Hochzeit, also eine Art Flucht. War der Gang in die Kaserne eine ähnliche Flucht? Ist das der Grund why Penny is »trying to make a clean break« von Desmond?

Und dann ist da noch die Sache mit der Telefonnummer. Gib mir deine Telefonnummer und ich rufe dich in 8 Jahren an. Das klingt dick aufgetragen und unglaubwürdig, sorgt aber trotzdem für starke Momente:

»I won’t call for 8 years. December 24th, 2004, Christmas Eve.«

Dazu dieses gänsehautige Musikthema, dieser Teil, wenn an einem knackigen Bass eine Saite angerissen wird und lange ausschwingt. Solche Momente lassen jedenfalls alle Räder stillstehen und enden in einem emotionalen Feuerwerk. Penny mit ihrem wunderbaren Akzent schmeißt Desmond aus der Wohnung. Aber 8 Jahre danach, wir müssen gar nicht lange warten, es ist ja auf der Insel bzw. offshore jetzt genau Weihnachten 2004, da kommt auch tatsächlich der Anruf von Desmond:

»Hello?«
»Penny?«
»Desmond?«
»Penny, Penny, answer, answer, Penny …«
»Des, where are you?«
»I’m, I’m, I’m, I’m on a boat, errm, I’ve been on an island …«

Beenden wir das Ganze mit ein paar offenen Fragen, nein, nicht mit der nach dem vierzehigen Statuenrest, sondern mit der nach dem letzten der Oceanic Six, oder der nach dem komisch gestrandeten Schiff, das die Losties am Ende von Staffel 1 mitten auf der Insel finden, und dessen Logbuch nun von Mr. Widmore, Pennys Vater, bei Southfield’s in London ersteigert wird.

Und wer ist Bens Mann an Bord des Schiffes? Die »Lost«-Fansites erwarten in diesem Zusammenhang die Rückkehr von Michael, oder vielleicht ist es doch ein tropischer Eisbär, der hier eingehüllt von schwarzem Rauch die Szene betreten wird?


Lost: 4. Staffel, 4. Folge

auf Reisen, 26. Februar 2008, 13:30 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Eggtown«
Episode Number: 4.04 (#75)
First Aired: February 21, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Deal« (EA 6. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Eine Antwort! Wie in anderen »Lost«-Blogs schon weithin festgestellt wurde, haben wir diesmal die Antwort auf die wohl nagendste Flashforwardfrage bekommen. Als wir im Finale von Staffel 3 überhaupt zum ersten Mal einen Flash nach vorn auf dem Zeitstrahl sehen durften, sahen wir Kate zu Jack sagen, dass sie jetzt zurück nach Hause müsse, zu »ihm« (»he’s going to be wondering where I am«).

Wer dieser »he« war, ist nun geklärt. Nämlich nicht Sawyer oder irgendein anderer, der die Stimmung der Jack-&-Kate-Fraktion getrübt hätte. Sondern der kleine Aaron, der eigentlich Claires Sohn ist.

Aber wo ist Claire, die blonde Jungmutti mit leichtem Hang zum Zickentum? Sie ist offenbar nicht unter den Oceanic Six, und überhaupt wird es eng für die anderen Losties, denn es fehlt nur noch eine Person, die es von der Insel runtergeschafft hat. Aber warum gibt Kate den kleinen Aaron als ihren Sohn aus? Die geklärte »he«-Frage hat also wie jede bisherige Auflösung neue Fragen aufgeworfen.

Warum zum Beispiel will Jack den Kleinen nicht sehen? Vielleicht hat er Claire auf der Insel aus Versehen mit einer Dampfwalze überfahren und schämt sich jetzt? Oder so.

Nun aber zum Beginn der Folge: Locke brät zwei klassische Spiegeleier und greift sich ein Philip-K.-Dick-Buch (»VALIS«) aus Bens Bücherregal. Das sieht zunächst ein wenig wie westliche Frühstücks-Normalität aus. So ähnlich fing ja auch die zweite Staffel an, als Desmond da seinen normalbürgerlichen Beschäftigungen nachging, ohne dass man gleich wusste, dass er den Hatch bewachte, der dann aber auch nur auf der Insel lag, fernab jeglicher Zivilisation.

Jedenfalls sind Spiegeleier und Buch nicht für Locke selber. Er bringt sie Ben in sein Verließ. Ben hat das Buch schon durch, Locke animiert ihn zu nochmaligem Lesen und kommentiert sehr schön (auch in Anspielung auf Bens erste Gefangenschaft, damals im Hatch): »You might catch something you missed the second time around.« Das Gleiche kann und muss man natürlich auf jeden Fall auch auf »Lost« selber beziehen, hehe, da sollte man ja auch lieber noch mal wie sablog einen »Lostathon« einlegen vor jeder neuen Staffel.

Es kommt zu verbalen Machtspielchen zwischen Ben und Locke, und Ben ist da ja Meister. Er erinnert Locke daran, dass er gerade vergeblich Jacob und die Cabin gesucht hat und gern wissen will, wer Bens Spion auf dem Frachter ist. »You’re more lost than you ever were«, haut er noch raus, perfekt: Locke rastet erst mal aus.

Dann die Kate-Story des Flashforwards. Wie ihr Sawyer in 4.03 prophezeit hatte, bekommt sie es außerhalb der Insel mit ihren alten Vergehen zu tun und muss vor Gericht den Tod ihres Vaters verantworten, den sie in 2.09 samt Haus in die Luft gejagt hatte. Auf der Insel wird Sawyers Ratschlag von Miles sinngemäß wiederholt: »If I where you I’d stay right here, on the island.«

Als Kate übrigens mit Miles sprechen will, Locke ihn aber nicht rausgibt und Kate fragt, warum nicht, antwortet Locke: »You may think this is a democracy, Kate, because of the way Jack ran things. But this is not a democracy.« Das ist neben dem belief/disbelief-Streit wieder ein hervorragend herausgearbeiteter Jack/Locke-Gegensatz. Mit seiner believer-Truppe, mit seinem Camp in den Barracks und mit dieser »democracy«-Aussage scheint Locke tatsächlich der »Colonel Kurtz« zu werden, als den ihn Sawyer in 4.02 bezeichnet hatte.

Sawyer macht auch erneut seinem Namen als Spitznamenerfinder alle Ehre, indem er Miles als »Bruce Lee from the freighter« bezeichnet. Miles widerum will $3.200.000 von Ben, dann werde er den Frachterleuten sagen, dass er tot sei. Die »Lost«-Scripter haben es ja mit komischen Zahlen, und das hier ist wieder so eine unübliche Summe, und da werde ich gleich mal Dique damit erschrecken, wenn ich ihm sage, dass »32« eine umgekehrte »23« ist, es ist sehr unheimlich, hehe.

Nach dem Dämpfer für die Kate-&-Sawyer-Fraktion gibt es auf der Insel dann überraschenderweise problemlos eine nur knapp jugendfreie Szene ziwschen beiden. Nachdem man ja mit der Aussicht auf Zuneigungsbezeigungen in TV-Serien eigentlich immer hingehalten wird, fragt man sich, warum »Lost« hier jetzt so mit Romantik um sich schmeißt. Na ja, der Tête-à-tête endet im Streit, immerhin.

Insgesamt setzt mit dieser Folge eine deutliche erzählerische Verlangsamung der Staffel ein, aber nach den fulminaten ersten drei Folgen muss sich alles erst mal ein wenig setzen. Trotzdem gibt es noch Elemente des Schnelldurchlaufs, die Zeit rennt, sie müssen alles noch irgendwie unterbringen und wollen keinen vergessen: Kurzes Gespräch zwischen Sun & Jin, man kriegt das fast gar nicht mit, man konnte sich ja sozusagen kaum mehr an die beiden erinnern, hehe.

Am Schluss dann die spannende Horrormeldung per Funk: Der in der letzten Folge mit Sayid gestartete Heli ist nicht auf dem Frachter gelandet. Locke sorgt darüber hinaus noch für einen eigenen Schocker: Da er keine Antworten von ihm bekommt, stopft er dem gefesselten Miles eine Handgranate mit gezogenem Splint in den Mund, sodass der bibbernde Antwortverweigerer den Bügel nur noch mit seinen bibbernden Zähnen hält. Was für eine Szene!


Lost: 4. Staffel, 3. Folge

London, 19. Februar 2008, 22:12 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Economist«
Episode Number: 4.03 (#74)
First Aired: February 14, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Ökonom« (EA 29. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Eine Sayid-Folge, und man fragt sich, wie der ehemalige Foltermeister der Republikanischen Garde immer wieder zum Werkzeug dunkler Mächte wird. Besonders, wenn man ihn von der Insel her kennt, kontrolliert, dominant und somewhat in charge. So wie er in dieser Folge bei seiner Charlotte-Befreiungsaktion rüberkommt, um dadurch auf den Frachter vor der Küste zu gelangen, wie es ihm als Lohn in Aussicht gestellt wird von dem Chopper-Pilot, der aussieht wie der Typ aus »Tropical Heat«, nur eben in alt und versoffen.

Aber so tough er auch sein mag, Sayid hat erkannt: »Everyone has a boss.« Seine Dienstherren scheinen bevorzugt zur Kategorie ›schlimme Finger‹ zu gehören, wenn man seinen Werdegang vom Folterer zum Auftragsmörder von Bens Gnaden betrachtet. Von diesem neuesten Karriereschritt wird uns nämlich im Flashforward gegen Ende der Folge berichtet. Dabei hatte er auf der Insel noch getönt: »The day I start trusting him [Ben] is the day I would have sold my soul.« Hat er also in einem faustischen Pakt, von dem wir noch nichts wissen, seine Seele verkauft?

Und was wissen wir schon. Für jeden Ansatz einer Erklärung, und davon gibt es in dieser Folge glücklicherweise mal so einige, werden uns immer wieder neue Fallstricke der Verwirrung gedreht, werden neue Personen und schwindelerregende Plot-Winkelzüge präsentiert.

Da schlendert nun der harte, weiche Sayid, ›der weiche Riese‹ möchte man sagen, ein bisschen wie Axel Schulz, nur ohne die frischen Koteletts auf den Augen, durchs winternasse Berlin und verliert, binnen einer Folge, erneut eine blonde Geliebte. Bauchschuss. So starb auch Shannon auf der Insel (am Ende von Folge 2.06), nur hat Sayid diesmal in Berlin selbst die Hand am Abzug.

Im Café »Die Mauer« lernt er Elsa kennen. Sie soll eigentlich nur ein Lockvogel sein, eine Informationsquelle, ein Vorwand. Der Mörder Sayid, das kann man ruhig mal so hart sagen, will ihren Boss niederstrecken, so wie er den Herrn zu Anfang der Folge auf dem Seychellen-Golfplatz erledigt hat. Der altmodische Boss von Elsa, über den wir nichts wissen, wird ein alter Bekannter sein. Dazu gibt es sicher bald mehr, oder eben gegen Ende der 6. Staffel, falls es die Autoren irgendwie zwischenzeitlich vergessen, verschieben oder verplanen. Deshalb frage ich auch nicht schon wieder nach dem Statuenrest mit den vier Zehen.

Die Folge ist auch wieder ein bisschen touristisch, so wie Paco es bei der letzten Folge bereits feststellte, nach dem anfänglichen Abstecher auf die Seychellen wird uns ein kühles Deutschland präsentiert, Berlin. Und es gibt auch wieder Namensspiele: Sayids Geliebte (und Opfer) Elsa erinnert einerseits an den berühmten Exploitationklassiker »Ilsa, She Wolf of the SS« von Don Edmonds, hehe, aber vor allem natürlich an die ach-so-deutsche Elsa (von Brabant) aus Wagners »Lohengrin«. Die Parallelen der Todesumstände beider Elsas sind zumindest recht deutlich. Aber vielleicht gehen wir hier ein bisschen zu weit mit unseren Mutmaßungen, denn eine Zigarre ist manchmal eben nur eine Zigarre.

Wo wir gerade dabei sind, Namen, Zahlen … Faraday lässt vom Frachter aus eine kontrollierte Rakete auf seine Position abschießen, welche mit einiger Zeitverzögerung auf der Insel ankommt. Die Zeit auf der Insel scheint deutlich langsamer zu laufen. Das ist natürlich ein dickes Ei. Erklärt vielleicht auch, warum Richard, den Ben auf seiner kurzen Flucht während seiner Kindheit hinter den Sicherheitspylonen im Wald traf (Folge 3.20), seither nicht oder nur sehr wenig gealtert ist. Als er ihn nach dem Massenmord an der gesamten Dharma-Besetzung wiedertraf, sah der noch genauso aus, aber aus dem jungen Benjamin war inzwischen ein Mann geworden.

Die Rakete brauchte übrigens 03:16:22 Realflugzeit, nach Inselmessung aber nur 02:45:03. 3+1+6+2+2=14 (1+4=5, die Quersumme von 23). Nun mal bitte die Inselzeit zusammenrechnen, scary, platt oder Zufall? Ach so, flight number 8+1+5, hehe.

Es gab ja das U-Boot, und wir wissen auch um den Kontakt der Inselbewohner mit der Außenwelt, welcher allerdings immer sehr sporadisch wirkte und an dem Ben nicht beteiligt war. Es erschien immer, als hätte er sein Leben nach der Ankunft auf der Insel ausschließlich dort verbracht. Nun entdeckt aber Sayid diesen geheimen Raum in Bens Haus (ganz klassisch: ein drehbares Bücherregal).

Ein Raum voller Pässe, plus Geld in verschiedenen Währungen und anderen Reiseutensilien. Ben war also out and about in der weiten Welt. Und dann bekommen wir noch einen kurzen Blick auf Bens Schweizer Reisepass. Und was wird wohl herauskommen, wenn wir von Bens Geburtsdatum die Quersumme bilden, 3. März 62, 3+3+6+2?

Bens Reisetätigkeit wird auch erklären, warum einige Leute auf ihn so sauer sind und ihn suchen. Es sieht nach Rache der Dharma-Initiative aus. Vielleicht gehört Ben zu einer Organisation, die direkt mit den Dharmas in Konkurrenz steht. Nach dem in Tunesien freigelegten Skelett eines Eisbären mit Dharma-Halsband liegt die Vermutung nahe, dass Dharma nicht nur auf der Insel Experimente mit dem weißen Meister Petz durchführte, sondern verschiedene Stationen betrieb.

Vielleicht hat Ben die alle nacheinander ausgeschaltet. Die Insel war für ihn sicherer Fluchtpunkt, denn niemand konnte sie orten, aber nach der Explosion im Hatch und der Zerstörung von »The Looking Glass« hat sich das alles geändert, und die heile Inselwelt des Benjamin Linus entgleitet immer mehr ins Chaos.

Locke führt in der aktuellen Folge seine »Herde« über die Insel und folgt dabei seinem ganz persönlichen Abendstern, in Form von Mr. Ekos Schnitzereien. Nun begegnen sich die Gruppen at gunpoint, aber doch zivilisiert. Sayid wird von Kate überrascht, noch ehe er seine Gedanken über Bens Versteck verdauen kann und wird, wie zufällig, zu Ben gesperrt, der ihn mit »I guess they’re running out of jail space« begrüßt.

Vielleicht haben die beiden hier ihren teuflischen Pakt geschmiedet, obwohl dafür wohl die Zeit nicht gelangt haben dürfte. Denn Sayid wird sich schnell einig mit Locke: Er tauscht Charlotte gegen den Geisterjäger Miles und kehrt mit ihr zum Heli zurück, zu Jack und den anderen. Der Plan geht auf, und der Chopper hebt ab, mit dem versoffenen Tropical-Heat-Piloten, Sayid, Desmond und der toten Naomi.

Für Herz und Record, Kate hat sich mal wieder für Sawyer (und damit die Insel) entschieden, aus Mangel an Perspektive. Das wird sie sich aber scheinbar noch mal anders überlegen, schließlich ist sie eine der Oceanic Six. Wie übrigens eben auch Sayid, der jetzt Nr. 4 von 6 ist, fehlen also noch 2 (wenn man Ben nicht mitzählt, der ja im Flashforward mit Sayid unterwegs war). Die Komplettierung dieses Figuren-Sixpacks ist im Moment wohl die spannendste Perspektive, und sie wird auch nicht so lange auf sich warten lassen wie die Auflösungen all der anderen Fragen (die Monumentalstatue mit den vier Zehen will ich gar nicht erst wieder erwähnen, was zur Hölle ist das!).


Lost: 4. Staffel, 2. Folge

auf Reisen, 12. Februar 2008, 15:45 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Confirmed Dead«
Episode Number: 4.02 (#73)
First Aired: February 7, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Für tot erklärt« (EA 22. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Ok, ich bin dran, nachdem Dique letzte Woche die 4.01 gemacht hat.

Folge Nr. 2 ist eine sehr touristische Folge, die uns an verschiedene Orte in den Staaten (Massachusetts, Kalifornien), auf die Bahamas und sogar nach Tunesien trägt. Dort findet sich am Rand einer Ausgrabungsstätte bei einem Polarbärskelett (yeah, right) ein Riemen mit dem Dharma-Zeichen, eine Kreuzung von Symbolen an verschiedenen Orten der Welt, die ein wenig an Alejandro González Iñárritus »Babel« erinnert.

Überhaupt wird allen möglichen Anspielungen und Assoziationen wieder freier Lauf gelassen. Die Folge wirkt vollgestopft mit neuen Sachen, so als ob die Autoren jetzt um jeden Preis die Gleise für erst nachträglich ausgedachte Erklärungen legen wollen würden, hehe.

Am Anfang sehen wir die Szene, die 4.01 beschlossen hatte, aus der anderen Perspektive. Nun ist es der mit dem Fallschirm gelandete Neuankömmling Faraday, der Jack und Kate angerannt kommen sieht. Faraday wird schön windig gespielt, und er gibt dann auch zu, dass die Rettung der überlebenden Passagiere von Oceanic 815 nicht das »primary objective« der Mission sei.

Es handelt sich übrigens ungewöhnlicherweise um eine »multi-centric episode«, d. h. es geht in den Flashbacks oder Flashforwards nicht um nur eine Person. Es sind auch zu viele Leute vorzustellen: Außer Faraday haben sich Miles (ein, ähm, Geisterjäger) und Charlotte (Anthropologin) aus dem schlingernden Helikopter gerettet. Am Ende kreuzt noch der Chopperpilot (und dedizierte Säufer) Frank auf.

Die Namen der Neuen sind natürlich wieder ein Festival semantischen Überhangs: Die Anthropologin Charlotte Staples Lewis spielt sicher auf C. S. Lewis an, den Verfasser der »Chronicles of Narnia«. Und dass der Physiker ausgerechnet (Daniel) Faraday heißt, ist schon wieder mehr als cheesy. Die Anspielung auf den historischen (Michael) Faraday, den Entdecker der elektromagnetischen Induktion, passt aber natürlich gut in das Magnetismuskonzept, mit dem die Autoren ihre Insel ausgestattet haben.

Der Chopper wurde übrigens doch noch glücklich gelandet und steht jetzt auf einer Inselwiese herum. Aber nur solange Locke ihn nicht zu Gesicht bekommt, denn dann wird wieder schön explodiert wie mit dem U-Boot in Folge 3.13, hehe.

Speaking of which, während Locke mit seiner Believer-Gruppe das Weite suchen will, wird er von Sawyer mit Fragen genervt und wegen seiner lakonischen Sturheit »Colonel Kurtz« genannt, und das ist doch mal gut getroffen. Locke besteht darauf, dass ihm Walt erschienen sei, »only taller«, und dass er ihm geholfen habe, nachdem Ben ihm eine Kugel verpasst und ihn zum Verrotten in einer Grube zurückgelassen hatte.

Zum Beweis zeigt er dem ungläubigen Sawyer den Durchschuss durch seinen Unterleib, und die Szene erinnert mich kurz an den Potsdamer Caravaggio, auch wenn dort der Hl. Thomas die Wunde von Jesus unfassbarerweise direkt mit dem Finger prüft.

Locke kommentiert sein Überlebensglück so: »I’d probably be dead if I still had a kidney there.« Ein unerwartet ironischer Kausalnexus, denn jetzt hat also Lockes leiblicher Vater (in 3.19 von Sawyer um die Ecke gebracht), der ihn einst skrupellos ausgenutzt hat, um an eine Niere zu kommen, das Leben gerettet.

Und dann noch ein unerwarteter Hammer, bei dem mir fast der sprichwörtliche Döner aus der Hand gefallen ist: Ben steht kurz davor, von Locke erschossen zu werden, und verspricht in dieser Situation vollmundig Antworten auf alle möglichen Fragen, die sich bei den Losties so angesammelt haben.

Locke reagiert ganz im Sinne der Zuschauer (wir erinnern uns an diese Liste) und fragt ohne viel Federlesens sofort nach dem Black-Smoke-Monster, die wohl lustigste Replik der ganzen Serie bisher. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt – können wir jetzt endlich aufhören, »Lost« zu kucken? Schließlich hängt an dem black smoke das größte Fragezeichen.

Können wir nicht, denn Ben weiß natürlich nicht, was es mit dem schnell zuschlagenden und schnell sich verflüchtigenden schwarzen Rauch auf sich hat.


Lost: 4. Staffel, 1. Folge

London, 5. Februar 2008, 13:38 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Beginning of the End«
Episode Number: 4.01 (#72)
First Aired: January 31, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Anfang vom Ende« (EA 15. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

San Andreas ist in der 3. Staffel ausgestiegen, ein Fehler, wie man im sablog nachlesen kann. Paco und ich sind dabei geblieben, und nach langen 8 Monaten heißt es jetzt endlich wieder »previously on Lost«.

Seit dem Ende der zweiten Staffel warten wir auf Neuigkeiten bezüglich des riesigen Statuenrests mit den vier Zehen, gesehen durch ein Fernrohr und dem Drehbuch bisher keinen direkten Kommentar wert.

Das ist selbstverständlich nur ein Beispiel für die vielen offenen Seitenarme des Plotkanalsystems. theTVaddict.com hat mal die anderen bisher unbeantworteten Fragen gesammelt. Sehr schön gleich Frage 1: »The Smoke Monster … what’s the deal?«

Nun soll es also noch dreimal 16 Folgen »Lost« geben, das ist zumindest der Plan, wegen des Streiks sehen wir davon in dieser Staffel vielleicht nur 8. Da heißt es Ruhe bewahren, und damit sind wir auch gleich bei der ersten neuen Folge: Am Ende der Episode haben sich die Fragen natürlich gemehrt, und die Handlung, wie im ersten Drittel jeder Staffel üblich, bewegt sich im Schneckentempo.

Trotzdem werden die Gleise gelegt für eine Staffel voller Dynamik, denn die Losties teilen sich am Ende in 2 Gruppen. Eine wird von Jack geführt, der auf das nahende vermeintliche Rettungsteam zugehen will. Die andere von Locke, der nicht an die Rettung glaubt und sich Richtung Barracks entfernt.

In der letzten Folge von Staffel 3 wurde bereits klar, dass »Lost« offenbar als narratives Diptychon angelegt wurde. Die ersten Flashforwards (statt Flashbacks) waren zu sehen. Ein Stilbruch, der in der vierten Staffel offenbar zum stilistischen Standardmittel wird.

Jeder neue Informationshappen, der uns in der (vom Inselplot aus gesehenen) Zukunft erwartet, hat freilich gleich hydraartig neue Verrätselungen zur Folge. Wenn zum Beispiel Hurley sich bei Jack dafür entschuldigt, dass er sich damals Locke angeschlossen hat: »I’m sorry I went with Locke, I should have stayed with you.« – Hä? Ach so. Hä?

Die Gruppenteilung ist auf jeden Fall eine Art Wettstreit von Weltbildern und Glaubensbekenntnissen, verkörpert in Jack und Locke. Die entscheidenden Sätze stammen bereits aus Staffel 2, Folge 3:

Locke: »Why do you find it so hard to believe?«
Jack: »Why do you find it so easy?«

Jack will nicht glauben, sondern wissen. Locke will glauben und hat auch Grund dazu, nachdem er nach der Bruchlandung des Oceanic Flight 815 auf der Insel aus dem Rollstuhl aufstehen konnte. Sein Glaube hat bisher auch gravierende Fehlentscheidungen, die ihm entsprungen sind, überlebt: So wurde Locke mehrfach von seinem leiblichen Vater verarscht bis hin zum Mordversuch und hat am Ende der zweiten Staffel voller Überzeugung die Eingabe der Zahlenkombination verhindert, woraufhin der Hatch explodierte.

Wie der Jack/Locke-Wettstreit ausgeht ist auch deshalb spannend, weil beide Seiten irgendwie Sympathieträger sind und weil ja offenbar von beiden Seiten Leute den Sprung von der Insel schaffen.

Nebenbei, die Drehbuchschreiber lieben ja ihr auf einfachen Prinzipien beruhendes Erzählfundament, und dazu gehören auch die Namen der Protagonisten. Mit Sawyer, Rousseau, Bakunin und (John) Locke surft man durch die Literatur- und Philosophiegeschichte und sorgt für einen semantischen Überhang, über den man sich auf jeden Fall lustig machen muss, vor allem wenn es dann auch noch sprechende Namen wie den von Jack (Shephard) gibt, der sicher seiner Herde stets ein guter Hirte ist. Auf Namen und Etymologien werden wir sicher noch zurückkommen, jetzt aber …

… wieder zurück zur ersten Folge, die sehr viel Hurley bietet und damit viele Szenen im Irrenhaus. Dabei wieder eine der ungelösten Fragen, die auf der Fragenliste des TVaddict übrigens fehlte: Was machte eigentlich Libby, Hurleys bald dahingeraffte Inselliebe, in Staffel 2, Folge 18 in seiner alten Anstalt?

Libby, die Figur, wird in der vierten Staffel natürlich nicht wieder zum Leben erweckt, doch zumindest die Schauspielerin hat es ans Set geschafft, um immerhin einige Flashbacks abzudrehen, die vielleicht eine Erklärung statt neuer Fragen liefern.

Jetzt aber wieder Hurley: »I’m one of the Oceanic Six«, schreit er am Anfang der Folge. Neben Jack und Kate (und drei bisher unbekannten Anderen) hat er es runter von der Insel geschafft und ist im Kampf mit seiner Schizophrenie gelandet. Jack besucht ihn und könnte in diesem Moment ein Haltepunkt sein, doch das Treffen verläuft unbefriedigend.

»What are you really doing here, Jack?«, fragt Hurley. »You’re checking to see if I went nuts. If I was gonna tell.« Ähm, tell what? Genau, Stoff für viele Folgen. Jedenfalls will Hurley aus irgendeinem Grund zurück auf die Insel, und noch winkt Jack ab.

Bald wird er aber in seinen eigenen Abgrund stürzen, einen Vorgeschmack darauf bekamen wir im Flashforward der letzen Folge der dritten Staffel: einen bärtigen, verzweifelten, gebrochenen Jack, der nun auch auf die Insel zurück will und verzweifelt zu Kate sagt: »I’m sick of lying. We’ve made a mistake. We have to go back!«

Übrigens, zu Beginn der aktuellen Folge trägt Hurley eine Jeansjacke und darunter ein schwarzes T-Shirt und dazu eine schwarze Schlabberhose. Das Outfit ähnelt farblich dem Anzug von Jack am Ende der Episode, als dieser Hurley im Irrenhaus besucht. Das kann kein Zufall sein, und ich glaube, dass die linken Jackentaschennähte bei beiden genau 23 Stiche haben und dass deren Achsen jederzeit eine Linie zwischen der Cheops-Pyramide und Stonehenge bilden, hehe.