Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Kafka, El Hotzo, Verabschiedungen

Berlin, 3. Mai 2024, 19:35 | von Paco

Mal ein kleiner Bericht von heute. Ich habe noch nie proaktiv Erdnüsse oder ähnliche Nussprodukte gekauft, stehe aber kurz davor, glaube ich. Und zwar geht mir der Nüsse kauende Kafka aus der gleichnamigen ARD-Serie nicht mehr aus dem Sinn.

Kafka, in der Bestbesetzung Joel Basman, dessen Finger sich in die Schale voll Nüssen versenken und ein paar davon in den Mund schaufeln, und dann geht es los, nach der Kaumethode von Horace Fletcher, kau kau schmatz, herrlich, endlos, auch beim Date mit Felice Bauer.

Aber was anderes, in letzter Zeit höre ich snippetweise in Podcasts rein, für die ich eigentlich gar keine Zeit habe, und das ist eine gute Sache, so wie man manchmal auf der Straße interessante Einzelsätze aufschnappt von Leuten, an denen man vorüberzischt.

So also kam ich zu einem Snippet aus dem Podcast von El Hotzo und Salwa Houmsi, das mich natürlich sofort erinnerte an die eine Stelle in »Faserland«, in der es heißt, dass, »wenn es keinen Krieg gegeben hätte«, dass dann »Deutschland so wie das Wort Neckarauen« wäre:

»Wenn der Freistaat Bayern so wäre wie das Wort ›einkehren‹, dann hätten wir kein Problem mit ihm.«

(Hotz & Houmsi: »Skincare-Propaganda«, 27. April 2024, ca. 57:55)

Was sonst noch, guter Empfang heute in der U3, da textete ich ein bisschen und fiel mit Josik in ein unvorhergesehenes Rabbit Hole, nämlich die Grußformeln, die man über das wunderbare Projekt correspSearch aus digitalisierten Briefen herausziehen kann, und so ging es dann hin und her:

  • »Nochmals um recht baldigen Bescheid bittend und mich aufs Wiedersehen freuend, mit herzlichen Grüssen« (Quelle)
  • »Mit der ganz untertänigsten Bitte an die Hohe Gräfliche Familie einen schönen Handkuss samt herzlichem Gruß entrichten zu wollen, unterzeichnet sich« (Quelle)
  • »Erhalten Sie mir Ihr wohlwollendes Andenken und Ihre Freundschaft, und nehmen Sie die Versichrung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung und Ergebenheit an.« (Quelle)
  • »Empfangen Sie theuerster Freund die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichneten und freundschaftlichen Hochachtung.«
    (Quelle)
  • »Es sind die Gesinnungen der vorzüglichsten Hochachtung und wahren freundschaftlichen Anhänglichkeit, mit denen ich verharre« (Quelle)
  • »Ich verbleibe mit tiefester Verehrung und Anhänglichkeit Ew. Königlichen Hoheit unterthanigstgehorsamster« (Quelle)
  • »Seien Sie herzlichst gegrüßt, auch von meiner Frau, die sich auf der Terrasse sonnt. Ihr« (Quelle)

Usw.

Und dann brannte noch diese Fabrikhalle in Lichterfelde und Katwarn wurde ausgelöst: »Giftige Rauchgase aufgrund eines Brandes in einem Störfallbetrieb«.


Nachtzug nach Berlin

auf Reisen, 19. Dezember 2017, 01:25 | von Paco

Gestern Abend Ankunft in Zürich, sofort das Gepäck ins Hotel gedonnert, raus in die Altstadt und auf ein Schnitzel rein in die Rheinfelder Bierhalle. Fast nichts mehr frei, also setzte ich mich an einen Tisch mit einigen siebzigjährigen Freisinnigen und da redeten wir nun zwei Stunden über die Lage. Irgendwann richtete ich die Diskussion wieder gezielt auf das Réduit, diesen dann ja doch sehr konkreten Mythos, und eine Quartstunde lang hörte ich Neues und Altes über das schweizerische Bollwerk.

Heute Morgen hoch zur Universität, wie immer alles super dort, spätnachmittags wieder runter zum Bahnhof und mit den SBB erst mal nach Basel und dort zum Libanesen am Barfüsserplatz, wo ich mit ein paar Influencern zu libanesischem Rotwein verabredet war, bevor ich dann genau pünktlich den Nachtzug nach Berlin bestieg. Der wird ja inzwischen von den Österreichischen Bundesbahnen betrieben, und an Bord gab es einige Geschenke von der Nachtzugleitung und ein heutiges Exemplar der Wiener »Presse«.

Ich las das Printprodukt sofort durch und traf dann auf der Suche nach der Bordbar noch zufällig ein paar Spanier und es gab in diesem Kontext doch einiges zu trinken, fast soviel wie in der täglichen Aeroflot-Maschine von Moskau nach Málaga, und dann zog ich mich in mein Sé­pa­rée zurück und begann in diesem Zustand die zweite Staffel »Babylon Berlin« zu schauen und vergab spontan 10 von 10 Punkten, eine Wertung, die ich morgen früh vielleicht noch mal neu evaluieren sollte, wenn ich in Babylon Berlin angekommen sein werde, »zu Asche, zu Staub, dem Licht geraubt«, gute Nacht.
 


Besuch im Serienland #11:
Die 15 besten US-Serien der Saison 2015/16

Moskau, 6. Juni 2016, 18:29 | von Paco

Die drei fast besten Staffeln in dieser TV-/Streaming-Saison waren eigentlich UK-Serien: »Downton Abbey« 6, »Peep Show« 9, »Fresh Meat« 4. Das mexikanische »Club de Cuervos« war auch nicht schlecht, und das brasilianische »O Negócio« läuft grad in der 4. Staffel. Aber diese Liste ist ja US-zentriert und kommt heut zum elften Mal, seit 2005 sind dann insgesamt 145 Staffeln hier gelistet. Wie immer wird nicht verraten, wo die Stelle ist, ab der nicht mehr gute, sondern eher sehr schlechte Staffeln gelistet werden:

1. Fargo   (2. Staffel, FX)
2. Better Call Saul   (2. Staffel, amc)
3. Narcos   (1. Staffel, Netflix)
4. House of Cards   (4. Staffel, Netflix)
5. Game of Thrones   (6. Staffel, HBO)
6. True Detective   (2. Staffel, HBO)
7. Veep   (5. Staffel, HBO)
8. Mr. Robot   (1. Staffel, USA Network)
9. Silicon Valley   (3. Staffel, HBO)
10. Girls   (5. Staffel, HBO)
11. The X-Files   (10. Staffel, Fox)
12. The Man in the High Castle   (1. Staffel, Amazon Video)
13. The Jim Gaffigan Show   (1. Staffel, TV Land)
14. Vinyl   (1. Staffel, HBO)
15. Homeland   (6. Staffel, Showtime)

Und! Ein absolutes Lektüremuss zu diesem wirklich schrecklichen zeitgenössischen Serienhype (hehe) ist nach wie vor der »ZEIT Online«-Artikel von Fabian Wolff, den wir Anfang des Jahres mit Feuillongold ausgezeichnet haben: »Oh, Tolstoi ist im Fernsehen«.

(Legacy: Die Seriencharts der letzten Jahre sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12, 2012/13, 2013/14, 2014/15.)
 


Besuch im Serienland #10:
Die 15 besten US-Serien der Saison 2014/15

Göttingen, 15. Juni 2015, 13:48 | von Paco

Na gut, also doch noch eine US-Serien-Top-15. Die »Trailer Park Boys« (zu denen ich vor Jahren mal einen längeren Artikel geschrieben habe) sind natürlich nicht US, sondern kanadisch to the bones, aber egal. Ansonsten hat sich der Qualitätsserienkosmos in den letzten Jahren ja international ziemlich ausgeweitet, meine Top-3 waren da das brasilianische »O Negócio«, das italienische »1992« und das dänische »1864«. Vielleicht bald mal Zeit für eine internationale Liste.

Die Seriencharts der letzten Jahre sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12, 2012/13, 2013/14.

Die Charts kommen heute zum zehnten Mal, insgesamt sind wir jetzt bei 135 gelisteten Staffeln, und angefangen übrigens hatte damals alles bei satt.org und serienjunkies.de. Diesmal gibt es aber nicht mal mehr Liner Notes zum Ranking, und wo die Stelle ist, ab der nicht mehr gute, sondern eher ziemlich schlechte Staffeln gelistet werden, bleibt wie immer unverraten:

1. Mad Men   (7. Staffel/zweite Hälfte, amc)
2. Game of Thrones   (5. Staffel, HBO)
3. Trailer Park Boys   (9. Staffel, Netflix)
4. Boardwalk Empire   (5. Staffel, HBO)
5. Better Call Saul   (1. Staffel, amc)
6. Louie   (5. Staffel, FX)
7. House of Cards   (3. Staffel, Netflix)
8. Lilyhammer   (3. Staffel, Netflix)
9. Veep   (4. Staffel, HBO)
10. The Comeback   (2. Staffel, HBO)
11. Silicon Valley   (2. Staffel, HBO)
12. Episodes   (4. Staffel, Showtime)
13. Girls   (4. Staffel, HBO)
14. Marco Polo   (1. Staffel, Netflix)
15. Homeland   (4. Staffel, Showtime)

Ach so, einen der besten Artikel zum Serienhype und vor allem zu der hilflosen Behauptung, die US-Serien der letzten Jahre hätten den Roman abgelöst, hat Jan Küveler in der »Welt« geschrieben, bitte lest den alle.
 


US-Serien:
Schlechte Zeiten für Englisch

Buenos Aires, 20. Dezember 2014, 13:28 | von Paco

Wir sind ja alle Serienjunkies usw., aber nach dem Hype kommen jetzt auch langsam die Bedenklichkeiten. Zum Beispiel, was die Sprache angeht, die so in den Writers’ Rooms produziert wird. Wer nur ein paar Serien gesehen hat, der hat damit automatisch massenhaft Sätze gehört wie (frei aus dem Gedächtnis zitiert):

  • »You guys seen the game last night?«
  • »Just five minutes, I promise!«
  • »Is this some kind of joke to you?«
  • »Trust me, I know what I’m doing.«
  • »I love you, I really do, but …«
  • »I guess you’re gonna have to trust me on this.«
  • »You should go talk to her.«
  • »You know, we’re not so different, you and I.«
  • »If he wants a war, it is war he’ll get.«
  • »I got your back on this.«
  • »Call me.«
  • (Bei nächtlichem Anruf:) »You have any idea what time it is?«
  • »I’m not even gonna dignify this with an answer!«
  • »You know, we should have done that more often.«
  • »Come on, it’s the least I can do.«
  • »What is it with this guy!«
  • »What was that all about?«
  • »Look, we’re both under a lot of stress right now.«
  • »It’s a date!«
  • »What are we doing?«

Usw.! Das sind alles eben keine Catchphrases, sondern (mal mehr, mal weniger) Versatzstücke aus dem Baukasten des sogenannten Creative Writing. Die einfachstmöglichen Textabbilder von Plotpoints, Twists usw. Die These geht dann so: Je weniger eine Serie davon hat, desto besser ist sie. (Sofortiges Gegenbeispiel natürlich: »24« ist trotz oder wegen des ständigen Floskelarmageddons so spitze.)

Zusammen mit @heylindahey und Katana habe ich (vor allem letztes Jahr) mal ein paar Sachen mitgeschrieben, es folgen also ein paar konkrete Beispiele, aus irgendwelchen Gründen vor allem aus der schlimmen letzten »Dexter«-Staffel. Das Ganze funktioniert aber ebenso mit fast allen anderen Serien. Grad zum Beispiel gesehen, »Supernatural« 10×06, könnte man eigentlich hier komplett mit reinstellen. Highlight: »Trust you?! We don’t even know you!«

Die Floskellisten sind auch in keiner Weise vollständig, sondern jeweils nur eine Auswahl aus der jeweiligen Folge:

Alphas 1×06

  • »It’s time to step up our game.«
  • »All right. My bad. (Just do your thing, okay?)«
  • »Thanks for the advice.«
  • »I’m full of surprises.«
  • »Don’t twist this around.«
  • »You have to account for what you’ve done.«
  • »You can count on it.«
  • »I got this.«

Arrow 1×09

  • »I’m gonna have to call you back.«
  • »Something just doesn’t add up.«
  • »Is that what you wanted to see me about?«
  • »You’re off this case, effective immediately!«
  • »Either way, we need to find him.«
  • »I’m sure there’s more where this came from.«
  • »Be careful, he’s very dangerous.«
  • »If you got a better idea, now would be a lovely time!«
  • »The doctor said you’re gonna be fine.«
  • »What does it matter now! What’s done, is done.«

Dexter 8×01

  • (Telefon klingelt:) »Gotta take this. Business.«

Dexter 8×02

  • »This place ain’t the same without you.«

Dexter 8×03

  • »I stuck my neck out on the line for you!«
  • »Let me see if I’ll get you out of this.«
  • »You of all people should know!«
  • »I’ve been down this road, so I get it.«
  • »You might wanna straighten up.«
  • »I need to get to him, before he gets to me.«
  • »What’s going on?» – »She’s been having a hard time.«
  • »I’m figuring something out, thanks for the heads-up.«
  • »It’s my fault, okay?«
  • »He’s worried about you, we both are.«
  • »You got a sec?«
  • »I just wanted to let you know that I’ve been thinking about what you said.«
  • »You call me if you need me.«
  • »Will you please cut me some slack?«
  • »I didn’t think you’d understand.«
  • »Thanks for calling, you did the right thing!«

Dexter 8×04

  • »We knew that day was coming.«
  • »What if this has all been some horrible mistake?«
  • »Is he another one of your little experiments?«
  • »I don’t even want to know what that means.«
  • »I couldn’t have done it without you.«
  • »Are we really gonna do this?«
  • »Okay, let’s find this guy.«
  • »Come on, it’s not like you haven’t done the same.«
  • »We can’t know until we find him.«
  • »I was in a really bad place, but, you know, you were just looking out for me, like you always do.«

Dexter 8×05

  • »I need you to trace a number for me.«
  • »I understand what you’ve been through.«
  • »I can help you, I can, trust me.«
  • »So is this it?«

Dexter 8×09

  • »He could be more dangerous than you think.«
  • »I can’t go into it right now, but please, just do as I ask.«
  • »I just need a little time, you know.«
  • »Take all the time you need.«

Dexter 8×10

  • »I wish there was a different way, but there’s not.«
  • »I’ll do whatever it takes!«

Dexter 8×12

  • »I’ve done shit I’m not proud of.«
  • »You’re a good person.«
  • »I can’t believe this is actually gonna happen.«

Breaking Bad 5×11

  • »Sure that’s how you wanna play this?«
  • »Don’t tell me how to do my job!«

Breaking Bad 5×13

  • »I’ve got a flight to catch.«

Pretty Little Liars 4×01

  • »Like it or not. We’re in this together.«
  • »Remember. We’re the good guys.«

Ringer (ohne Folgenangabe)

  • »If you really think that – then you don’t know me at all.«
  • »I don’t care what it takes!«
  • »I think you should leave.«
  • »It was you and me against the world.«
  • »The way I see it, you have two choices.«
  • »Your feelings are clouding your judgment.«

True Blood 6×04

  • »Failure is not an option.«

Homeland 3×01

  • »We’ll get to the bottom of it.«
  • »Don’t tell me to calm down.«
  • »So, do we have a green light?«
  • »I never asked for the job.«
  • »Have you seen the paper yet?«
  • »You don’t think I know what you’re doing? I know exactly what you’re doing!«

Homeland 4×07

  • »Why wasn’t I told!« – »I’m telling you now.«

Soweit mal unsere kleine Phänomenologie des Sprachmaterials von US-Qualitätsserien. Wahrscheinlich kann man von zwei Extremen sprechen, einerseits den sprachbewussten Serien (wie den »Simpsons«) und andererseits den rein plotgetriebenen Serien. Sprachlich sind dann alle Serien irgendwo dazwischen anzusiedeln. Das könnte man mal irgendwann anhand der Untertiteldateien nachprüfen, etwa die vocabulary richness untersuchen, ähnlich wie das neulich jemand mit den Lyrics auf Rap Genius gemacht hat.

Ein guter Einwand unterwegs war übrigens der hier, und die Credits gehen an @heylindahey: »Wir sollten aufpassen, dass wir nicht alles als Floskeln bzw. lame narrative devices verstehen. Sonst fällt uns noch auf, dass das ganze Leben eine Floskel ist (didn’t you know already?).«
 


Besuch im Serienland #9:
Die 15 besten US-Serien der Saison 2013/14

Göttingen, 9. Oktober 2014, 18:28 | von Paco

Neulich in Madrid, ein Montag, nach Mitternacht in der Metro. Eine Gruppe sympathisch betrunkener US-Teens unterhält sich über Serien. Der eine wirft zunächst »True Detective« in den Ring und erzählt dann stolz, dass er jetzt auch »Breaking Bad« kuckt. Darauf die eine: »›Breaking Bad‹? Naah, I hated it. It’s completely unrealistic, I mean, a wife having an affair with a colleague, just for revenge, what is this?« Und man kann über »Breaking Bad« wirklich einiges sagen, etwa den horrenden Body Count erwähnen, aber diese Kritik war dann doch die originellste, die ich je zu BB gehört habe!

Nun aber: Ich bin ja seit einigen Jahren (hehe) serienmüde und auch deswegen wird der Serien-Rundown heuer zum neunten und definitiv letzten Mal veranstaltet. Inklusive diesem Jahr hab ich dann 120 Staffeln verarztet, das reicht erst mal. Die Charts der letzten Jahre sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12, 2012/13.

Und hier nun die besten (bzw. schlechtesten) fünfzehn US-Serien des Jahrgangs 2013/14:

1. Fargo   (1. Staffel, FX)
2. Breaking Bad   (5. Staffel/zweite Hälfte, amc)
3. Louie   (4. Staffel, FX)
4. Boardwalk Empire   (4. Staffel, HBO)
5. Game of Thrones   (4. Staffel, HBO)
6. House of Cards   (2. Staffel, Netflix)
7. Mad Men   (7. Staffel/erste Hälfte, amc)
8. 24   (9. Staffel, Fox)
9. Episodes   (3. Staffel, Showtime)
10. Homeland   (3. Staffel, Showtime)
11. True Detective   (1. Staffel, HBO)
12. Veep   (3. Staffel, HBO)
13. Silicon Valley   (1. Staffel, HBO)
14. Kirstie   (1. und letzte Staffel, TV Land)
15. Dexter   (7. Staffel, Showtime)

*

1. Fargo   (1. Staffel, FX)

Warum Martin Freeman den Emmy für »Sherlock« gewonnen hat und nicht für »Fargo«, weiß kein Mensch. Freeman und »Fargo« waren jedenfalls spitze, und ich danke den Leuten, die mich gezwungen haben, die Serie doch noch zu kucken. Es gelingt ihr über weite Strecken, das, was wir coenesk nennen, zu treffen, über Charaktere, Musik und Situationen und alles. Schön geschrieben und gespielt. Manche Folgen, besonders die sechste, enthielten ein paar drastische Szenen, da denkt man kurz: huch. Aber so stand das wohl im Drehbuch. Und nun wird es ja eine zweite Staffel geben, die offenbar von den mehrfach erwähnten Vorfällen in Sioux Falls 1979 handelt.


2. Breaking Bad   (5. Staffel/zweite Hälfte, amc)

Nach der großartigen Anagnorisis in der ersten Hälfte der Finalstaffel folgt nun die reale Konfrontation von Walt und Hank. Todd und sein Onkel Jack schalten sich dazwischen, irgendwas passiert (no spoilers), Walts Doppelleben fliegt endgültig auf und er nimmt alles auf seine Kappe (und verschleiert dadurch netterweise Skylars Mitschuld). Er selbst emigriert inkognito in eine abgelegene Hütte nach New Hampshire. Doch schließlich kehrt er natürlich zurück und macht ein bisschen auf MacGyver, lässt sich von Jack und seiner Truppe fangen und rächt sich aber durch ein selbstschießendes MG. Und um jetzt doch weiter zu spoilern, weil war ja eh klar: Walt geht drauf, Jesse dagegen kommt frei und stößt einen Jubelschrei aus, der noch lange im Zuschauer nachhallt. »Breaking Bad« ist solide zu Ende gegangen und irgendwann in ein paar Jahren kann man das ruhig auch noch mal von vorn kucken.


3. Louie   (4. Staffel, FX)

Ganz anders als Larry David in »Curb Your Enthusiasm« hat sich Louie CK für seine Ego-Comedy ein stilles, leises, verunsichertes Schluffidasein ins Drehbuch geschrieben. Das ist teilweise so was wie sentimental comedy, speziell die Rückblendstorys (etwa das überlange »In The Woods«). Es gibt diesmal mehrere multiepisodische Storybögen, etwa »Elevator«, und dieser handelt in ganzen sechs (von den insgesamt vierzehn) Teilen von Louies unmöglicher Liebe zur ungarischen Nichte seiner ungarischen Nachbarin, der er nebenbei zweimal im Fahrstuhl sozusagen das Leben rettet. Die Nichte spricht wirklich kein Wort Englisch und lernt es auch nicht (anders als damals Jin in »Lost«, hehe). Und diese incommunicado-Szenen erzeugen wieder diese Intensität, die man Louie CK immer wieder aufs neue nicht zutraut, obwohl ihm das schon dutzendfach gelungen ist. Das Ende der Staffel wird zu einer Anti-RomCom, die alte Liebe zu Pamela wird nach ihrer Rückkehr aus Paris rethematisiert (Pamela Adlon, schon in »Lucky Louie« seine Frau), und da auch Louie CK nicht am Lena-Dunham-Hype vorbeigehen kann, zieht er am Ende sein T-Shirt aus und schwabbelt in die Badewanne zu Pam. Ganz wunderbar ist auch Folge 4×03, »So Did the Fat Lady«, die hab ich dann sogar gleich noch mal angeschaut.


4. Boardwalk Empire   (4. Staffel, HBO)

Gut, Staffel 4 ist jetzt schon eine ganze Weile her, aber ich muss sagen, dass das bisher die beste Staffel war. Einfach weil der neue Ekelbösewicht Dr. Valentin Narcisse wieder so interessant und fast noch besser ist als einst Gyp Rosetti. Und der bisher anstrengend dumpfe Chalky White kriegt eine richtig gute Storyline verpasst. Und so weiter! Staffel 5 läuft bereit und ist die letzte, was jetzt wirklich ein bisschen schade ist.


5. Game of Thrones   (4. Staffel, HBO)

Ok, in Folge 2 treten Sigur Rós auf mit ihrer Coverversion des Westeros-Chartbreakers »The Rains of Castamere«. In der selben Folge passiert auch etwas mit Joffrey, er endet mit so blutiger Kotze unter der Gesichtshaut. An viel mehr kann ich mich grad nicht erinnern, aber in Folge 4×10 unternimmt Tyrion seinen ganz persönlichen Rachefeldzug und dann hat man tatsächlich direkt Lust, mit Staffel 5 weiterzumachen, was aber erst ab April 2015 gehen wird.


6. House of Cards   (2. Staffel, Netflix)

Nachdem in Folge 9 die Freundschaft zum BBQ-Joint-Betreiber Freddy wegen medialer Rachefeldzüge von Frank Underwoods Gegnern in die Brüche geht, heißt es: »The road to power is paved with hypocrisy. And casualties. Never regret.« Laut dem sanften Verriss, den salon.com gebracht hat, ist es etwas enttäuschend, wie hier politische Pseudothemen durchgehechelt werden, nur um wieder auf das alte Stammtischding hinzuweisen: Dass Politik ab einem gewissen Level nicht mehr von Inhalten, sondern von Macht und Karriere handelt. Aber »House of Cards« ist wenigstens kurzweilig. Schon in Folge 1 der neuen Staffel gibt es einen saftigen main character kill. Und in Folge 7 kommt es zu einem Double Date zwischen Präsidenten- und Vizepräsidentenpaar. Und es wird mit Plastesoldaten gespielt, was natürlich sofort an Horst Seehofer und seine Modelleisenbahn im Keller erinnert.


7. Mad Men   (7. Staffel/erste Hälfte, amc)

Da kann man auch nur froh sein, dass MM endlich zu Ende geht. Nach Staffel 6 wäre eigentlich perfekt gewesen. In der bisher gesendeten ersten Hälfte von Staffel 7 kommt Don aber nach der erzwungenen Auszeit ins Büro zurück und muss persönlichen Restriktionen zustimmen, die sich die anderen Partner für ihn ausgedacht haben: »Outside of client hospitality, there will be no drinking in the office.« Wissen schon, eine Ära geht zu Ende. Und eine neue beginnt: Die Agency schafft sich einen Mainframe-Computer an (einen IBM System/360). Thematisiert wird das auch als Bedrohung, denn der Coypwriter Ginsberg wird wegen des Computers paranoid und tut sich Gewalt an (nipple multilation). In Folge 6 gibt es im Office wieder so ein schönes one-on-one mit Peggy und Don, so wie damals in Staffel 4, diesmal aber inkl. Tanzeinlage zu Sinatras »My Way«. In der vorerst letzten Folge 7×07 wird am Ende mondgelandet und Bert Cooper stirbt (20. Juli 1969). In der Folge lässt sich die Agency von McCann kaufen. Und nun warten bis Frühjahr 2015 und dann ist Schluss, Schluss, Schluss, dann sind endlich alle Werbemänner vom Hochhaus auf die Straße hinuntergefallen.


8. 24   (9. Staffel: »Live Another Day«, Fox)

Das wuchtige Uhrengeticke kam kurz zurück und mit ihm Jack Bauer, wieder aufgetaucht unter den fadenscheinigsten Drehbuchwendun­gen, na schön. Die diesmal nur 12-episodige Zusatzstaffel zu »24« trägt den Untertitel »Live Another Day«, die 12. Folge spielt von 10 pm bis 11 am, inkl. einem Zeitsprung von 10:46 pm auf 10:50 am. Worum geht es: Also, die ganze Staffel hindurch reden alle über dieses herrlich bekloppt ausgedachte »Override Device«, ein Gerät, mit dem man amerikanische/westliche Drohnen fremdsteuern und bevorzugt gegen zivile Ziele richten kann. Im Zuge der Irrungen und Wirrungen steht dann in Folge 8 der amerikanische Präsident himself in der Mitte des Wembley-Stadions, um sich von einer dieser fremdgesteuerten Drohnen abschießen zu lassen und sich für die britische Bevölkerung zu opfern! (Nicht!) Ansonsten wieder diese unfassbaren gelaberten Versatzstücke: »Sorry, I gotta take this.« »Put him on speaker!« »I can explain later, but you need to leave now before it’s too late.« »I think you wanna see this.« »At this point, I think I’m the only friend you have left.« »Where is the override device!!!«


9. Episodes   (3. Staffel, Showtime)

Die UK/US-Crossover-Serie »Episodes« geht einfach weiter, mit Sean und Beverly, mit Carol und Merc und Jamie und natürlich Matt LeBlanc. Nach Mercs Abtritt kommt ein neuer Executive (über die abgrundtief langweilige Rolle des Castor lieber nichts). Die gemeinsame TV-Serie »Pucks« soll aus dem Programm genommen werden, darum also geht es diesmal. Ein bisschen zu viel langwieriges Hin und Her, viel Luft ist in der Story nicht mehr drin, aber es kommt Anfang 2015 tatsächlich Staffel 4. Eigentlich hätte ich es lieber gesehen, wenn Stephen Merchants schöne neue HBO-Sitcom »Hello Ladies« eine zweite Staffel bekommen hätte, hat sie aber leider nicht.


10. Homeland   (3. Staffel, Showtime)

Spätestens jetzt nach Snowden fällt richtig auf, um was für eine Mickey-Mouse-Serie es sich bei »Homeland« handelt. Dieser Pseudo-CIA-Slang: »I’m gonna play you back into Iran«, Agentensätze zum Kaputtlachen. Das Drehbuch ist mit dem ganzen Iran-Thema auch etwas spät dran, diese Diskussion ist ja ziemlich over, aber was soll man machen, wenn man eine Serie mit reichlich dünner Story am Leben halten will, da passiert so was eben. Die thematische Exploitation zeigt sich auch am Anfang der Staffel im Venezuela-Plot um den irgendwie dort gestrandeten Brody. Und gerade den Hauptverdächtigen des Langley-Attentats vom Ende der 2. Staffel holt man dann, um ihn im Iran den Kopf der Revolutionsgarde fraggen zu lassen. Das Bootcamp-Training des zugedrogten Brody, um ihn wieder auf Vordermann zu kriegen, ist dann »Rocky« für ganz Arme (Folge 9). Also, wer rein systematisch das Gesamtwerk von Claire Danes seit »My So-Called Life« verfolgt, hat eine gute Ausrede für den weiteren »Homeland«-Konsum, die anderen eher nicht. Ansonsten könnte man noch mal den maßgeblichen »Homeland«-Artikel von Michael Cohen im »Guardian« lesen und dann für immer lieber andere Sachen kucken. Ach so, zur beginnenden 4. Staffel ist neulich noch ein herrlicher Artikel in der »Washington Post« erschienen: »›Homeland‹ is the most bigoted show on television«.


11. True Detective   (1. Staffel, HBO)

Woody Harrelson kann man in »True Detective« sekundenlang dabei zusehen, wie er zum Sprechen den Mund öffnet und ihn nach seiner Ansage wieder sekundenlang schließt. Und Matthew McConaughey lassen die Autoren einen Gedankenproll spielen, der vor allem diejenigen Zuschauer begeistert hat, die auch Kalendersprüche für Kantphilosopheme halten. Und dann nervt da noch die viel zu ausgestellte Unzuverlässigkeit des jeweiligen Erzählers, das instagrammige Zeitkolorit, das behäbig-verschlossene Louisiana­bildschirmtreiben. Aber! Ab dem Ende der fünften (von acht) Folgen, also nach nicht einmal zwei Dritteln der arg gestreckten Handlung, wird es sogar noch spannend. Ein längerer Film mit solider Rotten-Tomatoes-Wertung um die 60% hätte es also wahrscheinlich auch getan.


12. Veep   (3. Staffel, HBO)

Diese Sarah-Palin-Verschnitt-Serie ist leider schon länger nicht mehr lustig. Denn das einzige Stilmittel, der dauernde Zynismus überengagierter Imwegsteher, ist nur noch nervtötend. Okay, ein guter Witz ist drin in der Staffel, in Folge 3×10, der letzte Dialog nach der verlorenen Primary in New Hampshire. Amy: »Don’t get too concerned about New Hampshire, ma’am.« Selina: »I came in third, Amy. Okay? Even the Nazis came in second!«


13. Silicon Valley   (1. Staffel, HBO)

Eigentlich herrschen momentan gute Voraussetzungen für so eine Serie, die im Herzen des Silicon Valley spielt, wo ja grad unsere Gegenwart programmiert wird, of sorts. Aber schon der zuckerbergige Hauptdarsteller ist auf so himmelschreiende Weise fehlbesetzt, dass es als genau richtig verkauft wird. So stotternd wie strubbelhaarig, ein kaum mehr als mittelmäßiger Coder, der einen Kompressionsalgorithmus für Musikdaten geschrieben hat, um den herum die Company Pied Piper gegründet werden soll. Könnte man sich auch als Alan-Sorkin-Drama vorstellen, ist aber als Comedy eher ein »Big Bang Theory« in schlecht geworden. Bei den angeblichen Insiderwitzen fühlt man sich wie Timm Thaler, der Junge, der sein Lachen verkauft hat. Die Sprache, die Dialoge, die das Produktionsteam in jedem Zeitungsinterview selbst so abfeiert, wirken wie Beispielsätze von Sprachforschern. Von den wenigen Ausnahmen ist eine in Folge 7: »Just face it, Dinesh, you’re gay for my code, you’re code gay. (…) You’d like to fuck my code, wouldn’t you? Hey, would you like to masturbate to the subroutine I just wrote?«


14. Kirstie   (1. Staffel, TV Land)

»Fat Actress« war ja damals, 2005, wirklich nicht schlecht, wurde aber leider nach 7 Folgen abgesetzt. Und diese neue Serie um Kirstie Alley schien so ein bisschen daran anzuknüpfen. Was sie dann in keiner Weise tat. Es ist einfach eine Lachsack-Sitcom von der Stange, aber immerhin spielt auch »Seinfeld«-Veteran Michael Richards mit. Wobei er wieder nur mit Slapstick-Einlagen à la Kramer hantieren muss. Man sieht richtig, wie er in den ersten Folgen unterfordert ist und sich beinahe schämt, so eine armselig funktionale Nebenrolle zu spielen, aber das wird im Lauf der ersten (und allerdings auch letzten) Staffel ein bisschen besser. Und immerhin, das Season und Series Finale endet mit einem der wohl schönsten Hitler-Zitate ever, hehe.


15. Dexter   (8. Staffel, Showtime)

OMFG, was für ein schlechter Abgang, siehe die IMDb-Bewertungen für die letzte »Dexter«-Folge. Aber gut, dass das vorbei ist, about effing time!
 


Besuch im Serienland #8:
Die 10 besten US-Serien der Saison 2012/13

Leipzig, 16. Juli 2013, 15:10 | von Paco

Navigare necesse est, und dasselbe gilt im ersten Sechstel des 21. Jahrhunderts auch immer noch für das Schauen von US-Serien. Die Luft ist zwar seit zwei, drei Jahren so ein bisschen raus, aber ein paar gute Sachen laufen eben noch, auch wenn von den derzeitigen Uberserien demnächst einige ihre Segel streichen: »Breaking Bad«, »Mad Men«, »Dexter«. »Doch dazu mehr an anderer Stelle.«

»House of Cards« zum Beispiel war auch nicht so schlecht. In der zugehörigen Berichterstattung wurde aber eigentlich nur hervor­gehoben, dass die 13 Folgen der 1. Staffel gleich alle auf einen Schlag bei Netflix kuckbar waren. Was natürlich super ist. Frank Underwoods Zynismus nervt aber so arg, dass man lieber doch mindestens eine Woche Pause zwischen den Folgen lassen sollte, ganz zu schweigen von seinen okkasionellen Rendezvous mit der Vierten Wand, die viel zu unsystematisch sind, als dass sie als Stilmittel gerechtfertigt wären. Zum Überschuss an Vizepräsidenten im aktuellen US-Serienfernsehen siehe übrigens unten unter »Veep« und »Homeland«.

Der Serien-Rundown wird heuer zum achten Mal veranstaltet, die Charts der letzten Jahre sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12.

Und hier die zehn Spitzenserien des Jahrgangs 2012/13:

1. Mad Men   (6. Staffel, amc)
2. Breaking Bad   (5. Staffel, erste Hälfte, amc)
3. Game of Thrones   (3. Staffel, HBO)
4. Homeland   (2. Staffel, Showtime)
5. Veep   (2. Staffel, HBO)
6. The Office   (9. und letzte Staffel, NBC)
7. Boardwalk Empire   (3. Staffel, HBO)
8. The Simpsons   (24. Staffel, Fox)
9. Dexter   (7. Staffel, Showtime)
10. Girls   (2. Staffel, HBO)

*

1. Mad Men   (6. Staffel, amc)

Nach der Doppelfolge zu Beginn wollte ich erst gar nicht weiterkucken: zu langweilig. Dass sich Don Draper überlebt hat, will zwar auch die Serie irgendwie zeigen. Aber Jon Hamm mit seinem Mürbeteigblick, dem einzigen künstlerischen Ausdrucksmittel, das er hat, ist nur noch öde. Gegen Mitte der Staffel wird es wieder besser, der Merger mit den CGC-Leuten bringt Peggy zurück und Ted als neuen Ko-Chef, der erst mal von Don unter den Tisch getrunken wird. Und dann doch immer wieder: Diese herrliche Joan. Dieser herrliche Pete Campbell, eine Art Don-Draper-Schwundstufe. Dieser herrliche Roger Sterling. Und neu dabei der schlierige Bob Benson, eine schöne Ripley-Figur. In der letzten Folge gibt es genregemäß noch einen dicken Twist, der überdeutlich den Anfang vom Ende markiert: Die zusammengelegte Company SC&P (als Name dann doch für besser befunden als SCDPCGC) suspendiert Don wegen wiederholten Nebensichseins. In einem Kundengespräch hat er nämlich endlich seine Kindheit im Whorehouse offenbart, sicher kein guter Zeitpunkt, aber so ist nun endlich Erlösung nahe. Eine Staffel noch, dann entsteigt er in den dampfenden Serienhimmel.


2. Breaking Bad   (5. Staffel, erste Hälfte, amc)

Achtung, Spoiler. – Wie damals bei der Zerstückelung der letzten »Lost«-Staffel wirkt das zweigeteilte »Breaking Bad«-Finale wie Zeitspiel und hätte dringend abgepfiffen werden sollen. Nach den Geschehnissen der 4. Staffel, die eigentlich schon Finalstaffelimpetus hatte, stand jetzt eigentlich nur noch die große Anagnorisis aus: Hank Schrader erkennt, dass hinter dem methkochenden Pseudonymträger Heisenberg sein Schwager steckt. Mit dieser Erkenntnis am Horizont hat die erste Hälfte der 5. Staffel abgeschlossen. Ein paar andere Dinge stehen auch noch aus, vielleicht erkennt Jesse endlich, dass sein alter Chemielehrer seine Freundin hat krepieren lassen usw. Aber zurück zu den ersten 8 Folgen der 5. Staffel, die bis Anfang September 2012 liefen: Folge 5×05, das Absaugen des Methylamin aus einem zum Stehen gebrachten Frachtzug im Niemandsland von McKinley County war eine zwar völlig bescheuerte, weil völlig ausgedachte Story, aber beim zweiten Kucken dann doch ziemlich spannend und am Ende wieder sehr moralisch, was sowieso keine Serie so gut wie BB verbinden kann, ohne dass es allzu lächerlich wird. Wobei, ein bisschen lächerlich wird es schon auch, zum Beispiel wenn Walt in Folge 5×07 fast weinerlich seinem Drogenmarktkonkurrenten Declan befiehlt: »Say My Name! Say My Name! Say My Name!« Ach so, leider hat es nach dem tollen low talker Gus Fring nun einen weiteren Liebling getroffen: Rest in peace, Mike Ehrmantraut!


3. Game of Thrones   (3. Staffel, HBO)

Die GoT-Verfilmung als TV-Serie ist vor allem eins: ziemlich langatmig. Allein die Geschichte um Theon Greyjoy in dieser 3. Staffel, sie streckt sich so grund- wie endlos, immer wieder aufs Neue passiert: nicht sehr viel. Und wenn doch, dann werden vor allem narrative Klischees in Szene gesetzt, mal bitte diesen Artikel hier überfliegen. Darin steht auch folgender schöne Satz: »Vorwürfe nach dem Prinzip ›Das ist in den Büchern aber ganz anders‹ können mir gestohlen bleiben.« So! Dabei deckt übrigens der 3. Roman der Saga nicht mal die ganze 3. Staffel ab, auch deshalb werden viele nicht sehr süffige Substorys leider ad nauseam ausgewalkt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, die Romanvorlagen als Langzeitserie zu verfilmen. Höhepunkte und Gamechanger wie die vorletzte Folge mit dem Red-Wedding-Massaker (»The Rains of Castamere«) sind selten, aber man muss GoT aus irgendwelchen Gründen wahrscheinlich trotzdem weiterkucken, hehe.


4. Homeland   (2. Staffel, Showtime)

Eigentlich habe ich nur wegen der Carrie-Brody-Lovestory weitergekuckt, und ich wurde nicht enttäuscht! Das ganze Terrornarrativ, das der Serie zugrunde liegt, ist aber weiterhin hysterisch bis hanebüchen, doch wozu gibt es die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit! Im Verlauf der Season muss auch der Terrornerd Abu Nazir plötzlich dran glauben, aber aus dem Tod heraus sorgt er noch für ein schönes BOOM!, das sicher auch Karlheinz »9/11« Stockhausen ein bisschen erfreut hätte. Und weil Brodys Geländewagen in den Anschlag verwickelt ist, muss der frühere Teilzeitterrorist flüchten. Schöner Schuld-und-Sühne-Nebenplot mit Brodys Tochter Dana, die zusammen mit Finn Walden, dem Sohn des Vizepräsidenten, glucksend eine Spritztour unternimmt, die für eine Passantin leider tödlich endet.


5. Veep   (2. Staffel, HBO)

Julia Louis-Dreyfus bekommt natürlich immer wieder neue Shows zugeschustert, denn ihre Lachkaskaden sind einfach sehr schön anzuhören und man kann davon seit »Seinfeld« nicht genug kriegen. Aber schon eine einzige Folge mit ihr als US-Vizepräsidentin Selina Meyer und der ganzen Entourage reicht völlig, um den sich nicht über die Anfangsidee hinausentwickelnden Humor über zu haben, die scherzhafte Darstellung der Banalität und Inkompetenz der Weltmächtigen ist auf Dauer doch ein bisschen billig. Aber wenn man sich das Ganze wie Dürrenmatts »Physiker« vorstellt, geht es wieder: Ein Haufen Verrückter darf in der Irrenanstalt, die nur so aussieht wie ein Bürokomplex der US-Regierung, Politik spielen, abgeschottet von der Wirklichkeit. Selina Meyer hat als Vizepräsidentin auch einfach zu viel Konkurrenz, denn zwar ist William Walden aus »Homeland« jetzt weg vom Fenster, aber Frank Underwood wurde ja im Februar diesen Jahres in der 1. Staffel der Netflix-Serie »House of Cards« gerade frisch der Veep-Posten angetragen. Was eigentlich hat es mit dieser momentanen Vizepräsidentenobsession der US-Serien auf sich, das wäre mal einen schönen taz-Artikel wert oder einen Diederichsen-Essay in »Texte zur Kunst«.


6. The Office   (9. und letzte Staffel, NBC)

Obwohl das Format auch nach über 8 Jahren noch Spaß macht, war nach dem Abgang von Michael Scott in Staffel 7 das Ende absehbar. Ein bisschen unelegant werden die Office-Mitarbeiter aus ihrer Langzeitdoku entlassen, nämlich mit viel zu viel Metabrei, der Thematisierung der Gemachtheit der Doku, was völlig unnötig ist. Es beginnt mit der Folge 9×18 (»Promos«) und endet damit, dass sich die Büromenschen tatsächlich auch noch die Doku anschauen, die all die Jahre über sie gedreht wurde, wtf?! Am Ende gibt es wie erwartet eine Zuckerguss-Doppelfolge als Finale und noch ein Schmankerl zum Schluss, Dwight K. Schrute wird »permanent manager of Dunder Mifflin Scranton«, super! À propos, ist eigentlich Hurley immer noch Häuptling der »Lost«-Insel?


7. Boardwalk Empire   (3. Staffel, HBO)

Kaum noch Erinnerungen daran. Das Beste an der Staffel war der neu eingeführte (und am Ende wieder proper ausgeführte) Nucky-Gegenspieler Gyp Rosetti (Bobby Cannavale), so einen prallen, slangenden und saftig grinsenden Typen gibt es nur in Mafiaklamotten!


8. The Simpsons   (24. Staffel, Fox)

Haha, wieder mal eine ganze »Simpsons«-Staffel gekuckt, 22 Folgen. Zuletzt hatte ich das, glaube ich, bei Staffel 19 gemacht. Kann man vielleicht alle fünf Jahre wiederholen, also wohl im Lutherjahr 2017 das nächste Mal! Wie auch immer, in Folge 24×19 gibt es einen schönen Serienjunkie-Seitenhieb: Weil Marge Platz auf dem DVR braucht, muss Homer 87 Stunden aufgezeichnete TV-Shows wegkucken. Lisa: »Mom’s deleting old TV shows off the DVR.« Homer: »What the…?! (…) Hands off my episodes of ›Episodes‹, and if you delete ›Revenge‹ … grrr!«


9. Dexter   (7. Staffel, Showtime)

Schwer auszuhaltende Staffel, aber glücklicherweise war das die vorletzte! Debra, die Schwester des adoptierten Dexter, war ja schon immer schrecklich, aber diesmal geht die Figur samt ihrer Darstellerin richtig krachen. Denn dass Debra ihr plötzliches Mitwissertum in Sachen »mein Bruder ist ein hochgradiger Serienmörder« nicht in einer Denunziation enden lässt, ist mehr als unglaubwürdig, ihr Verhalten, ihre Verzweiflung bleiben pure Behauptung. Dabei sollte es doch einen Unterschied machen, ob man zum Beispiel nur seine Flugtickets oder das Brötchengeld zu Hause vergessen hat oder der Bruder ein Menschenschlächter ist. Die Debra-Figurine jedenfalls ist mit der Plotvorgabe völlig überlastet. Und weil für diesen Schrott viel zu viel Zeit draufgeht, bleibt auch die »Dexter«-typische Spannung die ganze Staffel über eigentlich aus. Immerhin kommt mit Dexters love interest Hannah McKay ein bisschen Ambivalenz ins Spiel und der Cliffhanger war auch ganz interessant: Debra muss sich mit gezogener Waffe entscheiden, ob sie Dex oder ihre nervige, aber grundgute Chefin LaGuerta abschießt. Ist eigentlich aber auch egal, denn es wird so oder so Zeit, dass Dexter abdankt, und er ist auf dem besten Weg dahin, die 8. und letzte Staffel läuft schon seit Ende Juni. (Ach so, gerade sagt mir Linda, dass sie und Maren große Debra-Fans sind, also vielleicht bin ich da eben zu schroff gewesen, kann ja sein.)


10. Girls   (2. Staffel, HBO)

Dann doch nicht mehr als eine Teenieserie, die man nicht mehr weiterkucken sollte. Genug von Lena Dunham gesehen. Trotzdem ziemlich gut sind der One-on-one mit Patrick Wilson in 2×05 (»One Man’s Trash«) und die Hundefolge 2×06 (»Boys«), letztgenannte einfach mal wieder sehr gut geschrieben (da nicht von Dunham selbst), die Dialoge zwischen Ray und Adam, und überhaupt Adam Driver als Adam Sackler, der verdient einen Spin-off, irgendeine Serie, die ihn nur dabei zeigt, wie er in seinem dunstigen Apartment irgendwelche Dinge zersägt.
 


»Ancient Aliens«

Barcelona, 21. April 2013, 10:26 | von Dique

»Ancient Aliens«, eine Doku-Serie vom History Channel, läuft bereits in der 5. Staffel. Nur beinah durch Zufall sah ich den Piloten »Ancient Aliens: Chariots, Gods & Beyond« und danach dann alle Folgen. Nach den ersten beiden Staffeln war mir unklar, woher noch Stoff für weitere Folgen kommen sollte, aber auch Erich von Däniken, Godfather der Prä-Astronautik, hat nicht nur zwei bis drei Bücher geschrieben, sondern Dutzende. Von diesen habe ich auch mehr als zwei bis drei gelesen, wenn auch längst nicht alle.

Meine Däniken-Lektüre liegt schon so lange zurück, dass ich mich jahrelang auf ein »Was macht eigentlich Erich von Däniken«-Portrait in einer schlechten Illustrierten gefreut habe. Das ist nun aber nicht mehr nötig, denn auch bei den »Ancient Aliens« ist er mit dabei und macht noch immer das Gleiche.

Ich war immer schon ganz versessen auf die H-Blocks von Pumapunku, die Scharrzeichnungen von Nazca oder die kuriosen Steinformationen auf Nan Madol. Wie bei jeder guten Verschwörungstheorie bieten die Prä-Astronauten Erklärungen für scheinbar nicht nachvollziehbare Phänomene. Nebenbei liefert die Serie natürlich in guter »History Channel«-Manier herrliche Aufnahmen von all diesen mysteriösen Orten.

Nehmen wir Pumapunku, gelegen auf der bolivianischen Hochebene in der Nähe des Titicacasees. Dort befinden sich die Reste einer Kultur, über die man fast nichts weiß, das Rad war ihr noch unbekannt, auf über 4.000 Meter Höhe wurden mit einfachsten Werkzeugen riesige Steine bearbeitet und bewegt, und nicht irgendwelche, sondern solche aus Diorit, das zu den härtesten Gesteinsformationen gehört. Früher kannte ich von Pumapunku einige Bilder, dann gab es irgendwann einen kurzen Clip über die Stätte auf YouTube und jetzt, dank den »Ancient Aliens«, gibt es massig Videomaterial und sogar eine ganze Folge, die sich nur Pumapunka widmet. Wow.

Einer der Hauptmotoren der Show ist übrigens Giorgio A. Tsoukalos, den man am besten als »den mit den Haaren« beschreibt. Tsoukalos wird nicht nur von Folge zu Folge braungebrannter, sondern seine Haare werden immer wilder und länger und er toupiert sie höher und höher nach oben. Mittlerweile wickelt er sich auch noch ungebändigte Schals um den Hals und trägt ein modisches Lederjäckchen.

In der ersten Staffel war es noch ein dreiteiliger brauner Anzug, natürlich mit übergroßem »Ancient Aliens«-Sticker am Kragen. Tsoukalos hat eine riesige Fangemeinde im Netz, die sich weniger der prä-astronautischen Theorie widmet, sondern überwiegend seinen Haarstyle diskutiert, debattiert und verehrt. Und weil wir hier ständig Pumapunku erwähnen, sei auch mein Lieblingszitat von ihm genannt:

»While the Pyramids at Giza are an incredible feat of achievement, compared to Pumapunku the pyramids are like child’s play. Logic does not exist in Pumapunku.«

Dieses Zitat trägt er mit solcher Inbrunst und Überzeugung vor, dass man einfach nicht widerstehen kann und über die lächerliche Erklärung »richtiger« Archäologen nur lachen kann. Pumapunku ist crazy, wer auch immer dafür verantwortlich ist, irgendwas ist dort faul und das gilt für noch viele, viele weitere archäologische Stätten dieser Erde. Fast hirngewaschen habe ich mich trotzdem nie getraut, so richtig an die Ancient Astronauts Theory zu glauben, aber der Übergang von Faszination zu Glauben ist verschwommen.

Man könnte meinen, spätestens nach Folgen mit Titeln wie »Aliens and Mega-Disasters«, das Fukushima indirekt den Aliens unterschiebt, oder »The Da Vinci Conspiracy«, in der der arme Leonardo fast zum Außerirdischen wird, oder »Aliens and Dinosaurs«, an dessen hanebüchenen Inhalt ich mich nicht mehr erinnere, sollte man (ich!) doch geheilt sein von dem Käse. Aber neben Pumapunku bleiben die Flugzeugdarstellungen aus dem brasilianischen Dschungel, die Terrasse von Baalbek, Steinkreise überall, Pyramiden, Cargo-Kulte, Ezekiel und altägyptische Glühlampen!

Doch ab jetzt sind all die schönen Mysterien, all die schönen Theorien, all die schönen Ideen nichts mehr wert. »Ab jetzt« heißt: Seit Chris Whites »Ancient Aliens Debunked«. In dem dreistündigen Video widmet sich White allen »Ancient Aliens«-Theorien und überführt die Ancient Astronaut Theorists der Manipulation. Die H-Blocks von Pumapunku sind nämlich gar nicht aus Diorit und neben den ganzen fertigen Stücken liegen ein paar Meter weiter unfertige Teile, die alle Bearbeitungsstufen einfach nachvollziehbar machen. So führt White all die schönen Indizien für prä-astronautische Besuche ad absurdum. Lustig daran ist, dass Chris White angeblich ein christlicher Fundamentalist ist und an Kreationismus glaubt.
 


Besuch im Serienland #7:
Die 10 besten US-Serien der Saison 2011/12

Leipzig, 28. August 2012, 01:34 | von Paco

»I told you last time it was the last time.«
(Michael Dudikoff, »American Ninja 4«)

Obwohl hier also letztes Jahr gemeldet wurde, dass es im Umblätterer vielleicht keinen jährlichen Rundown der aktuellen US-Serien-Saison mehr geben wird, geht dieser Service jetzt doch noch ins 7. Jahr. Wieder stehen da unten die arguably 10 besten TV-Serien, diesmal die der Saison 2011/12.

Ein paar Sachen fehlen natürlich, die 2. Staffel von »Portlandia« zum Beispiel war auch wieder toll, aber ich kann mich da an nichts Konkretes mehr erinnern. Oder doch, an das Ehepaar, das eigentlich auf einen Geburtstag will, dann aber noch schnell die 1. Folge von »Battlestar Galactica« kuckt (»I heard really good things about it.«), und dann immer weiter macht, Folge für Folge, Staffel für Staffel, bis die Serie zu Ende ist, und dann suchen sie den vermeintlichen Ronald D. Moore auf, der zufällig auch in Portland zu wohnen scheint. Endlich mal Titelthema: Seriensucht als fragwürdiger Zustand.

Wie auch immer, das vergangene Jahr hat mehr als bestätigt, dass das goldene Serienzeitalter vorerst vorbei ist. Es gibt im Moment keine selbstevidente Überserie (auch wenn ich wegen der anhaltenden Propaganda von allen Seiten nun doch »Game of Thrones« weiter­geschaut habe). Die gerade laufende erste Hälfte der Finalstaffel von »Breaking Bad« hätte dieses Potenzial haben können, aber da wurde die Fulminanz schon ziemlich in der vorletzten Staffel verschossen. Ich meine, eine Finalstaffel ohne Gus Fring und den Rollstuhlklingelopa – was soll das denn für eine Finalstaffel sein!

Hier sind jetzt noch schnell die Charts der letzten Jahre: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11.

Und hier die von 2011/12 (Achtung, es wird gespoilert!):

1. Curb Your Enthusiasm   (8. Staffel, HBO)
2. Breaking Bad   (4. Staffel, amc)
3. Louie   (2. Staffel, FX)
4. Boardwalk Empire   (2. Staffel, HBO)
5. Dexter   (6. Staffel, Showtime)
6. Game of Thrones   (2. Staffel, HBO)
7. Mad Men   (5. Staffel, amc)
8. Homeland   (1. Staffel, Showtime)
9. The Office   (8. Staffel, NBC)
10. Episodes   (2. Staffel, Showtime/BBC Two)

*

1. Curb Your Enthusiasm   (8. Staffel, HBO)

Nach der grandiosen 7. Staffel, der »Seinfeld«-Reunion, der besten Reunion-Show, die es jemals gab und jemals geben wird, was sollte da noch kommen? Und so wirkt Staffel 8 auf den ersten Blick ein bisschen wie Resteverwertung. Auch deshalb, weil im Gegensatz zu den Vorgängerstaffeln ein Storybogen fehlt, der sich von Folge 1 bis 10 zöge, und das Ganze etwas beliebig aussah. Aber! Diese Feststellung erweist sich spätestens beim zweiten Durchlauf als vorschnell und völlig falsch, die 8. Curb-Staffel ist wieder unübertroffen grandios. Aus sehr schön hanebüchenen Gründen (um nicht auf eine bestimmte Wohltätigkeitsveranstaltung gehen zu müssen) findet sich Larry (samt Susie und Jeff und natürlich Leon) in der zweiten Hälfte der Staffel in New York wieder, wo eine Folge lang Ricky Gervais mitspielt, und diese 6. Folge (»The Hero«) hat die wohl beste Catchphrase des Jahres gebracht, an die man sich noch lange, lange, lange erinnern wird: »Oh, and you’re right about the bread, Simmington. It is hard.« In Folge 9 (»Mister Softee«) gibt es einen Gastauftritt des Baseballstars Bill Buckner, der endlich den legendären Fehler, der ihm in der 1986 World Series unterlaufen ist, wieder gutmachen kann: Er fängt unter lautem Jubel ein Baby auf, das aus einem brennenden Haus geworfen wird und vom Sprungtuch abprallt. Am Ende der Staffel wird LD von Bürgermeister Bloomberg persönlich der Stadt verwiesen. Und weil er wieder eine Ausrede braucht, um einem diesmal von Michael J. Fox organisierten Wohltätigkeitsball ausweichen zu können, flieht er zusammen mit Leon nach Paris. Dort ergeht er sich auf Französisch in einem Streit mit einem Autofahrer, der ohne Not direkt auf einem Begrenzungsstreifen geparkt hat (»Vous êtes content avec ça ? Vous êtes un pig parker !«). Und so muss es doch sein. Da eine 9. Staffel noch nicht in Sicht ist, kann man sich solange mal das hier anschauen.


2. Breaking Bad   (4. Staffel, amc)

Wie Walt in dieser Staffel von Gus vor sich hergetrieben wird, wie er seiner Allianz mit Jessie verlustig geht, das ließ ihn wie einen albuquerquischen Raskolnikow erscheinen, der sich schon längst im »Sühne«-Teil seines Romans befindet. Überhaupt schien ihm Gus Fring, wie er bei einem Treffen unter gleißender Partysonne mit einem ekligen Trick und Jesses Hilfe seine Kartellkonkurrenten ausschaltet, langsam die Show zu stehlen. Aber dann geschieht das unerwartete Unwahrscheinliche. Immerhin bekommt Gus einen grandiosen Abgang spendiert, zupft sich noch mal den Anzug zurecht nach dem Selbstmordattentat des klingelnden Rollstuhlopas, sieht weiter tadellos aus, bis die Kamera um seinen Kopf fährt und seine weggebombte rechte Gesichtshälfte ins Bild holt. Erst dann sackt Gus in sich zusammen: Ende eines Hähnchenbraters und Drogenbosses. Und das wäre eigentlich die perfekte letzte Staffel gewesen, ich meine, dieses Finale und Walts Satz »I won!«, unvergesslich. Aber leider geht es jetzt noch weiter mit zwei abschließenden Halbstaffeln, wie damals bei »Lost«. Es fehlt ja noch der eigentlich nicht mehr allzu interessante Schluss, und mal sehen, ob Hank Schrader ein guter Porfiri Petrowitsch sein wird und seinem methkochenden Schwager auf die Schliche kommt. Das trio infernal aus Mike, Walt und Jesse ist jedenfalls nicht so der Kracher, und die zusammengestückelten Ideen, um die Serie noch am Köcheln zu halten (ich sage nur: Zugüberfall), sind ziemlich, na ja, eben zusammengestückelt, ganz zu schweigen von der unendlichen Schrecklichkeit von Mrs. White, aber gut, das war ja nie anders.


3. Louie   (2. Staffel, FX)

»Louie« hätte das Zeug dazu, zum »Seinfeld« der 2010er-Jahre zu werden (mit allerdings ein paar Dutzend Millionen Zuschauern weniger). Wie bei »Seinfeld« gibt es rahmende Stand-up-Passagen, in denen Louis C. K. sein Repertoire von unheard-of über gross bis disgusting durchnimmt. Im Kern werden aber Episoden aus dem Alltag des frisch oder unfrisch geschiedenen Comedians erzählt, der vom Typ her ein Freak ist, der sich aber wegen seiner beiden kleinen Töchter zusammenreißen muss. Mit dem Mikro auf der Bühne ist er der souveräne Grenzüberschreiter, der eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllt (doch!), in den narrativen Teilen ist er trotz seiner Wurstigkeit der vielleicht doch nicht ganz unsympathische Loser. Im Moment läuft schon die 3. Staffel, aber noch mal kurz zur Staffel davor: Höhepunkte waren die Cameo-Auftritte der knapp 80-jährigen Joan Rivers (in Folge 4, am Ende wird – »ah, what the hell« – ein One-Night-Stand daraus) und von Dane Cook (Folge 7), der Showdown zwischen comic’s comic (Louie) und sell-out comedian (Cook), bei dem es um die Frage geht, ob Cook wirklich drei Witze von Louie geklaut hat oder nicht (eine ganz neue Art von Plagiarismus: joke thievery). Aber wirklich unvergleichbar und nicht von dieser Welt war die Afghanistan-Folge (Nr. 11) mit dem Entenküken. Ja, Entenküken.


4. Boardwalk Empire   (2. Staffel, HBO)

Warum ich immer noch »Boardwalk Empire« schaue? Ich weiß es nicht, es gibt da diesen Timeslot in den frühen Donnerstagmorgenstunden. Aber dass Steve Buscemi mal so nerven könnte, wer hätte das gedacht. Ihm so lange am Stück zuzusehen, hat leider den Effekt, alle seine drei Mimiken und Gesten auswendig zu kennen (wenn er zum Beispiel die Lippen aufeinanderpresst und dabei sacht die Augenbrauen hochzieht, heißt das: »nu ja«, und das ist seine Hauptgeste). Es gibt wieder die bewährten Schreckensmomente, etwa in Folge 10, wenn der neue unangenehme Player, Fleischermeister Manny Horvitz, Darmodys herrliche Frau Angela und ihre Geliebte einfach so erschießen darf. Danach (Folge 11) werden wir in Jimmys Princeton-Zeit zurückgebeamt, wir sehen, wie er und seine Mutter (Gretchen Mol) sich bravourös in Inzest versuchen, dazu gibt es Geräusche von fahrenden Zügen, und danach meldet sich Jimmy in den Krieg. Wieder zurück in den 20er-Jahren bringt er dann noch seinen leiblichen Vater, den Commodore um, Vatermord galore!, und zwar nach Aufforderung durch seine Mutter (»Finish it!«). Euripides for beginners, hehe. Ich will nicht verhehlen, dass das Staffelfinale den besten Moment der ganzen TV-Saison hervorgebracht hat, Nucky persönlich erschießt seinen erklärten Ziehsohn statt, wie erwartet, Manny Horvitz. Der ebenfalls überraschte Jimmy Darmody hat offensichtlich nie den Vorspann seiner eigenen Serie gesehen, sonst hätte er nicht auf die falschen Pferde gesetzt, sondern weiterhin auf seinen Ziehvater Nucky Thompson, denn außer diesem und seinen herrlichen Oxford Full Brogues kommt im Intro ja niemand weiter vor. Für die Drehbuchautoren sind also prinzipiell alle vogelfrei, außer eben Nucky. Und so gab es ein breaking-bad-mäßig intensives Finale in Staffel 2. Diedrich Diederichsen kuckt jetzt vielleicht auch gar nicht mehr weiter, da der seiner Meinung nach »interessanteste Charakter« kurzerhand einfach mal wegrationalisiert wurde. Vielleicht die richtige Entscheidung, wir werden sehen.


5. Dexter   (6. Staffel, Showtime)

Pünktlich zur neuen Staffel gibt es natürlich wieder seltsame Serienkiller in Miami. Diesmal ist es der Doomsday Killer, der anhand seiner Opfer christliche Botschaften verschickt, also ein bisschen wie in Finchers »Se7en«. Durch Dexters Bekanntschaft mit dem Sympathieträger Brother Sam wird übrigens die religiöse Thematik weitergetrieben, leider stirbt dieser in der Mitte der Staffel, und so muss Dexter die Absolution von jemand anderem erteilt werden, und zwar einem dementen Priester, der Dexters Geständnis, ein übler Serienmörder zu sein, schon längst vergessen hat, als er ihm im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes von all seinen Sünden absolviert, Amen. (Dexter nachdenklich: »Thank you.«) Sonst geht eigentlich alles weiter seinen Gang, insgesamt ein bisschen zu viel »Dexter«-Routine, aber wenigstens gibt es am Ende von Folge 9 einen schönen Mindfuck-Twist, als sich herausstellt, dass (Achtung, Spoiler:) Prof. Gellar schon lange tot ist und nur als Projektion von Travis fungiert, diesem harmlos aussehenden Schlaks, der aufgrund seiner sorgfältig kostümierten Mordopfer so eine Art Lady Gaga unter den Serienkillern ist. Übrigens droht der Cliffhanger des Staffelfinales, das ganze Seriengebäude zusammenkrachen zu lassen: big Anagnorisis! Debra sieht ihren Bruder den Doomsday Killer killen. Dexter: »Oh, God!«


6. Game of Thrones   (2. Staffel, HBO)

Ok, in der zweiten Staffel wird es langsam etwas unübersichtlich. Die sieben Kingdoms kriegt man noch problemlos zusammen, bei den ganzen sich immer weiter verzweigenden Familiendynastien und Beziehungsformen wird es schon schwieriger, und nicht alle der schönen Fantasienamen sind ja so unmittelbar eingängig wie die von Renly Baratheon, Daenerys Targaryen oder Xaro Xhoan Daxos. Gegen ein bisschen voraufklärerische Fantasy für zwischendurch ist ja aber nichts einzuwenden, auch wenn die sympathischste Serienfigur aller Zeiten (nämlich Eddard Stark) schon in der 1. Staffel geköpft wurde. Seine herrliche Tomboy-Tochter Arya, die für ein paar Folgen inkognito als Dienerin auf Harrenhal festgehalten wurde, ist ein würdiger Ersatz. Ihre doppelbödigen Gespräche mit Tywin Lannister gehörten zu den Highlights der 2. Staffel (übrigens eine Leistung des Drehbuchs, denn in der Buchvorlage von George R. R. Martin gibt es die nicht). Auch die abgeklärt-ironischen Kommentare eines Machtgenies wie Tyrion sind immer wieder sehr gut, weil sie das manchmal unerträgliche Pathos entschärfen. Die Storyline um die Mother of Dragons, die mit ihren fauchenden Tierchen in Qarth zwischengelandet ist, kann man diesmal als pures Zeitspiel verbuchen. Ihr ständiger Begleiter Jorah immerhin hat mit seinen todernsten Erklärungen das Zeug zum Don Draper der Serie, unvergessen seine Sätze, die mit »The Dothraki have a saying, …« begannen. Und wer sich immer schon mal gefragt hat, wie sich ein König in der Pubertät benimmt, hatte in den letzten Folgen sicher viel Freude an Joffrey Baratheon.


7. Mad Men   (5. Staffel, amc)

»He’s smiling like a fool, like he’s the first man who ever married his secretary.« Wer nach diesem Joanie-Satz vom Ende der letzten Staffel dachte, dass das jetzt mit Don und Megan eine ebenso triste Sache wird wie mit Don und Betsy, hat sich arg getäuscht, zum Glück. Der Tanz der Frankokanadierin in der initialen Doppelfolge hat es sogar in den »Spiegel« geschafft, und nicht nur Don Draper traute seinen Augen und Ohren nicht, nach der langen, langen »Mad Men«-Pause fühlt sich die Serie auf einmal sehr anders an. Die bisher fast durchsichtige January Jones muss in ihren rar gewordenen Szenen inzwischen mit Fatsuit herumlaufen – nicht die subtilste Art, um der von ihr gespielten Betsy irgendeinen neuen Drift zu geben, auch wenn das natürlich einen großen Schauwert hat! Unentbehrlicher denn je ist der prototypische Wichser Roger Sterling mit seiner Silbermähne, seine Sätze sind die am besten geschriebenen im gesamten »Mad Men«-Drehbuch. Pete macht ein bisschen auf Don Draper für Arme, seine große Stunde ist der infantile Bürofight mit Lane (Folge 5). Joan hat eine Substory im Stil von »Ein unmoralisches Angebot« abbekommen und gelangt so an Firmenanteile. In derselben Folge schmeißt Peggy bei SCDP hin und heuert bei der Konkurrenz an, sicher nur ein kurzes Intermezzo. Und Jon Hamm alias Don Draper scheint übrigens mehr und mehr an seine schauspielerischen Grenzen zu stoßen. Immer hat er diesen gleichen Old-Spice-Blick und diese immer gleiche sanft eruptive Sprechweise, was in »Mad Men« aber egal ist und eher in anderen Rollen zum Problem werden könnte. Hübsch ist diese Zahnwehgeschichte wie sie damals auch Thomas Buddenbrook erlebt hat (»It’ll go away!«), so ein Moment des Innehaltens nach Lanes Selbsmord, an dem Don eine ziemliche Mitschuld trägt. Wie übrigens Lane in fast jeder Folge immer wieder mit seinem schönen britischen Akzent nach den »christmas bonusses« fragt, das wird von dieser Staffel am stärksten im Gedächtnis bleiben, wie gruselig.


8. Homeland   (1. Staffel, Showtime)

»Homeland« erinnert ein bisschen an das gescheiterte »Rubicon«, ist aber psychologisch viel interessanter und weniger klischiert. Mindestens die ersten drei Folgen sind fulminant, die sollte und muss man eigentlich auch am Stück sehen. Nach der Hälfte der Staffel ist das einzigartige Psychospiel zwischen Sergeant Brody und Carrie »An American POW has been turned!« Mathison leider vorbei. Danach wird alles weniger subtil und auch leider etwas lächerlich. Brody soll und will sich samt dem Vizepräsidenten und Entourage in die Luft jagen, aber dann gibt es zunächst eine Ladehemmung und beim zweiten Versuch ruft dann, logisch, ganz unerwartet Brodys Tochter an und ruft ihn ins Leben zurück. Und die Bombenweste ist ja auch für später noch gut! Und ein paar weitere Staffeln soll es ja auch noch geben, so wie damals beim Serienverlängerungsklassiker »Heroes«, hehe. Allerdings: Der Trailer zu Season 2 »has shut this critic up with a moody minute-and-a-half of snippets«. Und dann habe ich gerade Taos Kritik der letzten 4 Folgen gelesen, das klingt dann doch auch besser als das, was ich hier hingeschrieben habe. Und dann sagte mir Linda neulich noch, dass nach dem Twist doch immer vor dem Twist ist, und dass Brody bestimmt noch nicht der ist, für den wir ihn im Moment halten sollen.


9. The Office   (8. Staffel, NBC)

Tja, was ist nun »The Office« ohne Michael Scott? Schon weit unspektakulärer, aber das gute an dieser 8. Staffel war das Understatement, es wurde gar nicht erst versucht, einen wie auch immer gearteten adäquaten Ersatz für Michael Scott zu finden. Zunächst ist also Andy der neue Boss. Von seinen Slapstickqualitäten und seinem Fremdschämpotenzial her sicher keine schlechte Wahl. Allerdings war der Charakter von Anfang an etwas anders angelegt, das ungerechtfertigte Bossverhalten (wie es David Brent, Michael Scott und Stromberg an den Tag legen) geht ihm ab und geht eben auch dem restlichen Cast ab. Dafür wurde jetzt ein neuer Corporate Guy installiert, der ab und zu mal vorbeischaut, Robert California, ein sehr ungeeigneter Typ, der einfach keinen Spaß macht. »The Office« ist ein bisschen wie die »Lindenstraße« geworden, kein Charakter ragt mehr heraus, der Humor ist ein bisschen weniger exklusiv. Ach so, Dwight K. Schrute (Rainn Wilson) soll demnächst einen Spin-off bei NBC bekommen, das auf der Schrute-Farm angesiedelt sein soll. Es klingt wie die schlechteste Serienidee, die jemals erdacht wurde, hehe.


10. Episodes   (2. Staffel, Showtime/BBC Two)

Leider konnte diese zweite Staffel das Niveau der ersten nicht halten. Das Beziehungsdrama von Sean und Beverly und die damit verknüpften Libidofragen kreisen um sich selbst, Matt LeBlanc ist leider immer noch kein besserer Schauspieler geworden (na gut, seine Affäre mit der blinden Jamie Lapidus ist schon nicht schlecht) und die abgrundtiefe Ekelhaftigkeit eines Mannes wie Merc Lapidus hat schon in der ersten Staffel aufgehört lustig zu sein. Meine mittlerweilige Lieblingsfigur, die in der gesamten Staffel auf kaum mehr als zwei Minuten Bildschirmpräsenz kommen dürfte, ist diese herrliche, unwirklich geniale Myra, ihres Zeichens Head of Comedy. Der Großteil ihrer Auftrittszeit geht für diese großartige Szene drauf. Diese unfassbare Stimme, dieses absichtlich gut-schlecht gespielte Unding von Charakter, wann hat man jemals so was gesehen. Ach so, das wichtigste recurring element in dieser Staffel ist Mornings Kugelschreiber mit den sich ja wirklich ganz von selbst entschlüsselnden Initialen »YCOMT«. Und auch Folge 6 ist nicht schlecht, als Matt nämlich versucht, einen seiner »Friends«-Kollegen für einen Gastauftritt bei »Pucks!« zu gewinnen und es ihm auch tatsächlich gelingt. Auftritt: Gunther, der Kellner aus dem »Central Perk«.
 


Besuch im Serienland #6:
Die 10 besten US-Serien der Saison 2010/11

Leipzig, 27. Juni 2011, 02:21 | von Paco

Das hier wird vielleicht der letzte Rundown einer US-Seriensaison (die aus den letzten Jahren sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10). Das Goldene Serienzeitalter, das spätestens mit dem legendären TV-Herbst 2004 begonnen hat (Start von »Lost«, »DH« usw.), ist erst mal wieder vorbei. Im Moment stagniert der Sektor kräftig, ein paar noch laufende Altserien beherrschen die Szenerie. Richtig gute neue Großserien gab es im letzten Jahr praktisch nicht, abgesehen vielleicht von »Game of Thrones« (das ich allerdings nur im Doppelpack mit den genialen Recaps von Roman Held ertrage, hehe).

Allerdings beginnen in ein paar Tagen, am 10. bzw. 17. Juli, die neuen Staffeln der absoluten Ausnahmeserien »Curb Your Enthusiasm« (Sea­son 8) und »Breaking Bad« (Season 4). CYE wird hier auch voraus­sichtlich wieder folgenweise gerecapt (wie die Staffeln 6 und 7).

Aber jetzt schnell in einem Aufwasch die zehn besten (bzw. mehr hab ich auch gar nicht komplett gesehen) US-Serien der letzten Saison:

1. Dexter   (5. Staffel, Showtime)
2. Episodes   (1. Staffel, Showtime/BBC Two)
3. Big Love   (5. und letzte Staffel, HBO)
4. Mad Men   (4. Staffel, AMC)
5. The Office   (7. Staffel, NBC)
6. Portlandia   (1. Staffel, IFC)
7. Glee   (2. Staffel, Fox)
8. Mildred Pierce   (Miniserie, HBO)
9. Boardwalk Empire   (1. Staffel, HBO)
10. Rubicon   (AMC, 1. und letzte Staffel)

*

1. Dexter   (5. Staffel, Showtime)

Lumen, Lumen, Lumen! Nach der herrlich britischen Extremkünstlerin Lila in Staffel 2 endlich mal wieder eine ebenbürtige Partnerin für Dexter. Er befreit sie aus der Sklavenschaft einiger Vergewaltiger, die dann im Verlauf der Staffel ausfindig und jeder für sich hingerichtet werden.

Lumen (Julia Stiles) hört nicht auf Dexters Rat, ihrem Seelenheil zuliebe die Bestrafung dem Bundesstaat zu überlassen: »This is Florida, we execute here. These men will be brought to justice. You can walk away from all of this now, put it behind you.« (Folge 7). Doch sie will es selbst machen, eine Offensive gegen ihr Trauma, sie will eine Auge-für-Auge-Rache, und Dexter verliebt sich ein bisschen in sie. Es sieht auch alles nach einer erfüllten Massenmörderbeziehung aus, doch am Ende will Lumen doch Miami wieder den Rücken kehren. So wird für die bald beginnende Staffel 6 alles wieder beim Alten sein.

Am Ende der Staffel kommt es übrigens fast zur Anagnorisis, Dexters Schwester und Polizeikollegin Debra lässt ihn und Lumen aber inkognito entschwinden, ohne sie zu identifizieren, da sie für die romantischen Racheakte der beiden ziemliche Sympathien hegt.

Dabei stellt sich dann die Frage, wie »Dexter« überhaupt mal enden soll. Die Entlarvung des freundlichen Forensikers von nebenan als vermeintlich politisch korrekte Mörderbestie würde nicht nur das ganze Seriengebäude einreißen, sondern auch uns mit unseren Sehgewohn­heiten konfrontieren, denn zu sehr haben wir schon die Prämisse der Serie akzeptiert: »Todesstrafe? Vielleicht gar nicht so schlecht, wenn es die richtigen trifft.«


2. Episodes   (1. Staffel, Showtime/BBC Two)

Diese Show ist sehr, sehr gut, und zwar *obwohl* Matt LeBlanc mit dabei ist. Der gealterte »Friends«-Star, der sich selbst spielt, trifft auf die britischen Serienautoren Sean und Beverly Lincoln. Die beiden sind verheiratet und entscheiden sich nach dem Gewinn eines BAFTA-Awards, nach Los Angeles zu gehen.

Dort kreieren sie eine neue Serie, die schließlich den fragwürdigen Namen »Pucks!« bekommt. Sie werden zudem auch noch gezwungen, LeBlanc zu besetzen, den sie für den Proll halten, der er letztlich auch ist. Das gibt einen herrlichen Clash der verschiedenen Serienkulturen, UK vs. US, auch wenn sich die beiden Briten dann auf je ihre Weise mit LeBlanc anfreunden. Die Dialoge, in denen oft genug zynisch die TV-Serien-Kultur reflektiert wird, sind absolute Spitzenklasse. Nach den 7 Folgen von Staffel 1 soll es 2012 eine Folgestaffel geben, dann mit 9 Folgen.


3. Big Love   (5. und letzte Staffel, HBO)

Nach dem freiwilligen Outing der Hendricksons als Polygamisten, mit dem Staffel 4 geendet hat, geht erst mal alles drunter und drüber. Bill kämpft als frisch gewählter Senator nun auch auf politischer Ebene für seinen Glauben: »Senate resolution 312! An act for the legalization of plural marriage. (…) A 19th-century ban that’s based on comparing polygamy to religious murder and actual human sacrifice and cannibalism doesn’t even pass the stink test.« (letzte Folge)

Wegen der allgegenwärtigen Anfeindungen, gegen die sich Bill nun wehren muss, hat er noch weniger Zeit für sein Unternehmen und seine drei Frauen. Diese wiederum begeben sich jede für sich auf Selbstfindungskurs. Es geht in dieser Schlussstaffel auch um Reformbewegungen innerhalb der Polygamistenszene, die man teilweise sogar feministisch nennen könnte (Barbs Storyline). (Achtung, im nächsten Absatz geht es mit einem Spoiler weiter.)

Und nun ist »Big Love« nach 5 starken Staffeln ausgelaufen: Der Nachbar Carl, ein Ottonormal-Mormone, diffus eingeschüchtert durch Bills polygame Rechtschaffenheit, streckt ihn mit drei Schüssen nieder (an Ostern, natürlich!). Insgesamt hatte die Serie einen der innovativsten Plots der letzten Jahre. Das polygamistische Hauptthema wurde in den letzten Jahren Folge um Folge gekonnt ausgeleuchtet und war einfach sehr gut geeignet, um (Beziehungs-)Probleme, die auch andere Drama-Serien schildern, unerwartet zuzuspitzen.


4. Mad Men   (4. Staffel, AMC)

Nach den relativ elegischen ersten drei Staffeln wird es jetzt heftig. Don Drapers idyllische Machowelt ist dahin. Serienerfinder Matthew Weiner im Interview: »I started off the season with those three holidays – Thanksgiving, Christmas, New Year’s – to show, this is what it is to be divorced.«

Es ist eine Weile her, dass ich diese letzte Staffel gesehen habe. An was ich mich sonst noch so erinnern kann: Der Lucky-Strike-Account geht verloren, der lebenswichtig war für die neu gegründete Agentur »Sterling Cooper Draper Pryce«. Als Reaktion schreibt Don eine NYT-Seite voll mit einem Anti-Tabak-Text, direkt gegen American Tobacco gerichtet, um dabei gleich seine Firma umzubranden.

Die mit Abstand beste Folge war Nr. 7 (»The Suitcase«), eine magische, platonische Chit-Chat-Büronacht mit Don und Peggy am Abend des Fights Muhammad Ali vs. Sonny Liston am 25. Mai 1965.

Was noch? Dons bärbeißige Sekretärin Mrs. Blankenship stirbt direkt am Schreibtisch. Und statt der ihm intellektuell ebenbürtigen Verbraucherforscherin Faye, um die er lange gebuhlt hat, heiratet Don am Ende seine neue Sekretärin Megan. (Joan: »And he’s smiling like a fool, like he’s the first man that ever marries his secretary.« Joanie wird übrigens von Roger geschwängert, während ihr junger Taugenichts-Mann als Militärarzt in Vietnam ist.) Staffel 5 soll übrigens erst im März 2012 starten.


5. The Office   (7. Staffel, NBC)

Ok, Michael Scott ist jetzt nicht länger der fahrige Büroboss-Comedian bei Dunder Mifflin. Er ist mit Holly nach Colorado gezogen, und jetzt warten alle darauf, wer ihn ab Herbst 2011 ersetzen wird. Am Ende der letzten Staffel spielt Will Ferrell für ein paar Folgen seinen Nachfolger, aber die Figur des Deangelo Vickers segnet dann sang- und klanglos das Zeitliche.

Die einzelnen Folgen waren wieder alle sehr gut, das Format zeigt immer noch keine Ermüdungserscheinungen. Ein kleines Special gab es mit dem »Film im Film« in Folge 17, »Threat Level Midnight«. Pam hat schon vor Jahren, in der 2. Staffel (in der Folge »The Client«), das Drehbuch zu Michaels gleichnamigem Agententhriller gefunden, und seitdem geistert dieses Filmprojekt durch die Serie.

Und nun ist der Film nach Jahren des Neuarrangierens fertig und wird den Bürokollegen gezeigt, die auch alle mitspielen (Jim als Bösewicht Goldenface). Es handelt sich natürlich um einen unfassbar käsigen Möchtegernactionreißer, um genau den harmlosen Humor, der »The Office« so diametral von seinem britischen Vorgänger unterscheidet. Und wo wir dabei sind: Am Anfang von Folge 14 kommt es zu einer kurzen Begegnung zwischen Michael Scott und seinem britischen Gegenstück David Brent (Ricky Gervais), kleine Hommage.


6. Portlandia   (1. Staffel, IFC)

Eine der gefühlt seltenen Serien, die nicht aus New York & Co., sondern aus der hinterletzten Peripherie kommen. Hier ist es mal nicht Alaska, sondern, noch schlimmer: Portland, Oregon. Formal ist »Portlandia« eine traditionelle Sketch-Comedy mit wechselnden Storys aus verschiedenen Stadtteilen. Es gibt da zum Beispiel diesen Laden von Radikalfeministinnen, in den sich in Folge 1 Steve Buscemi verirrt.

Ansonsten reichen der Show zwei Hauptakteure, nämlich Carrie Brownstein, eine geborene Portlanderin, und Fred Armisen, die in den verschiedenen Settings wechselnde Charaktere spielen. Öfters mit dabei ist auch Kyle MacLachlan als verhinderter Kreativling, der nun leider Bürgermeister von Portland ist und jede Gelegenheit nutzt, bescheuerte Ideen aller Art umzusetzen. Staffel 1 hatte nur 6 Folgen, die man schön hintereinander wegkucken kann.


7. Glee   (2. Staffel, Fox)

»Nationals are coming up!« So mahnt Lehrer Schuester seine Kids von der Gesangs-AG immer wieder, und gleich mal ein Spoiler: Natüüürlich wird der Song Contest auf nationaler Ebene am Ende der Staffel nicht gewonnen. Die Serie muss ja weiter gehen und Steigerungsmöglichkeiten offenhalten.

Die Geschichten aus dem Highschoolleben sind nach der grandiosen 1. Staffel etwas eintönig geworden. Das hängt auch damit zusammen, dass die herrliche Sue Silvester, diese asexuelle Sportlehrerin mit dem Willen zur Macht, in den Hintergrund gerückt ist. Ihr bösewichtiger Charakter (eine Wiedergängerin der Schulrektorin Miss Musso aus »Parker Lewis«) wurde in der Debütstaffel schon komplett ausgelotet, da bleibt nichts als Wiederholung.

Auch der Irokesen-Gitarrist Puckerman ist etwas aus dem Blick geraten, seit er ganz zu Beginn die Cheerleader-Elfe Quinn Fabray geschwängert hat. Aber seine aktuelle und nie ganz ausgedeutete Liaison mit dem Highschooltier Lauren Zizes war einer der Höhepunkte der letzten Season. Am schlimmsten dagegen waren die mehrfachen Gastauftritte einer völlig überkandidelten, sehr peinlichen Gwyneth Palthrow.


8. Mildred Pierce   (Miniserie, HBO)

Die Romanvorlage von 1941 wurde schon mal als 111-minütiger Noir verfilmt. HBO hat ihn nun noch mal als fünfepisodigen, etwa 333-minütigen Ausstattungsschinken mit Kate Winslet geremaket. Selbst der passionierte Langbuchautor Stephen King fand die Adaption »too damn long«, und das einzige relativ positive Adjektiv, das mir zu der Serie einfällt ist: stimmungsvoll. Alte Autos und Menschen in altmodischen Sachen laufen zur Zeit der Großen Depression durch melancholische Lichtsettings.

Okay, das sich verschärfende Mutter-Tochter-Drama ist schon ganz interessant, und Evan Rachel Wood, die in den letzten beiden Folgen die nunmehr erwachsene Tochter Veda spielt, ist wirklich schön böse. Ihrem Mutter-Counterpart geht angesichts ihrer Taten und Worte allerdings die Kraft zur schauspielerischen Variation irgendwie verloren: »Kate Winslet (…) edges toward self-parody with her constantly pained furrowed brow and exaggerated eyebrow-raising expressions of relief.« (The A.V. Club)


9. Boardwalk Empire   (1. Staffel, HBO)

»Boardwalk Empire« ist letztlich eine vorhersagbare Mafiaklamotte mit Schauplatz Atlantic City. Kann man sich zwar ruhig ansehen, wenn man nichts Besseres zu tun hat. Leuten mit einer empfundenen Mafia­overdose, mir zum Beispiel, ist sie aber nicht zu empfehlen. Der einzige Clou ist im Prinzip die Gegen-den-Strich-Besetzung von Steve Buscemi als mafiöser Strippenzieher Nucky Thompson (angelehnt an Nucky Johnson). Das läuft allerdings auch nur wieder auf eine Karikatur der Figur des »Paten« hinaus.

Nuckys zeitweiliges Hauptinteresse gilt übrigens der irischstämmigen Witwe Margaret Schroeder, die zu seiner Mistress wird und deren Nachname, den sie ihrem umgebrachten Ehemann verdankt, leider ständig ausgesprochen wird: »Mrs. Schruwjdör«, heißt es immer wieder, »Mrs. Schruwjdör«. Kaum auszuhalten ist das, hehe.

Effektmäßig lässt Tod Brownings »Freaks« grüßen, die Serie hat ein Faible für körperliche Aberrationen. Da gibt es den War Hero mit halb zerschossenem Gesicht, eine blutjunge Prostituierte, der das Gesicht aufgeschlitzt wird, und boxende ›little people‹. Erwähnenswert ist sonst noch der teilweise computermäßig ergänzte Boardwalk, auf dem die Figuren herumhuschen, wenn mal Außenszenen auf dem Programm stehen. Ach ja, der dicke Al Capone kommt auch ab und zu vor (er paktiert mit Nuckys Schützling Jimmy Darmody, gespielt von Michael Pitt), die Stimmung der Prohibitionszeit wird also insgesamt schon irgendwie ganz gut eingefangen. Wie gesagt: Kann man sich schon anschauen, ist aber vom Storytelling nichts als Meterware.


10. Rubicon   (AMC, 1. und letzte Staffel)

Der erste Fehlgriff von AMC: eine Serie voller Terrorismus-Klischees, die auch gleich nach der ersten Staffel abgesetzt wurde. Es handelt sich um so eine Verschwörungssaga nach 9/11, in der Analysten für einen amerikanischen Thinktank die Probleme der Welt lösen sollen. Die meisten der Protagonisten kucken immer so, als ob sie gerade eben die endgültige Lösung für irgendein weltumspannendes Problem gefunden haben könnten. Dabei sitzen sie eigentlich nur in ihren Büros herum und analysieren grisseliges Videomaterial.

Mit James Badge Dale hat auch noch einer der langweiligsten Schauspieler unserer Zeit die Hauptrolle bekommen. Schon in »The Pacific« hat er ja die pure Langeweile ausgestrahlt mit diesem Blick gehobener Besorgnis, den er ständig aufsetzt. Wer wie ich diese Serie versehentlich angeschaut hat, sollte als Gegenmittel die herrlichen Verrisse des Vulture-Blogs lesen (»Intelligence Failure«).

(Die Serie hat aber auch große Fans, das will ich nicht verschweigen.)