Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Curb Your Enthusiasm (7. Staffel, HBO)

Paris, 21. Oktober 2010, 08:16 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Neben dem »Lost«-Finale war die »Seinfeld«-Reunion das Ereignis dieser TV-Saison. Die neue »Curb«-Staffel lieferte uns gleich mehrere Momente TV-Geschichte. In der Finalfolge kriegen wir dann wasch­echtes neues »Seinfeld«-Material präsentiert, es ist einfach die bestmögliche Reunion-Show aller Zeiten geworden.

Wir haben hier im Umblätterer alle zehn Folgen ordnungsgemäß gerecappt und werden das auch für die 8. Staffel so handhaben, denn es wird sie tatsächlich geben, wahrscheinlich Anfang 2011.
 


Breaking Bad (3. Staffel, AMC)

Paris, 20. Oktober 2010, 08:12 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Was für eine superste dritte Season! Auf halber Strecke setzt es schon einen derartigen Höhepunkt. Aber der Reihe nach:

Irgendwann musste Skyler ja mitkriegen, dass Walts familiärer Finanzierungsplan in Drogenherstellerei und Kollateralhandlungen besteht. Anna Gunn, die Skyler-Darstellerin, hat jedenfalls in dieser Staffel, nachdem sie bisher lediglich Kreisliga spielen musste, auch mal eine Glanzleistung hinlegen dürfen.

Vom absoluten Angewidertsein bis hin zum kalkulierten Mitmachen beim breaking bad ist es ja psychologisch sehr, sehr weit, und es hat trotzdem funktioniert, und am Ende ist nicht alles gut zwischen den Eheleuten, aber sie arbeiten jetzt plausibel zusammen, auch wenn die heile Kleinbürgerwelt ein für alle mal zerstört ist, was für uns natürlich gut ist, weil spannend.

Skyler kompensiert ihr Angewidertsein mit eigenen Grenzübertre­tungen, sie geht zum Beispiel ostentativ mit einem Kollegen fremd und lässt Walt leiden. Allerdings will sie dessen Drogengeld nun auch für die Behandlung ihres drogenfahndenden Schwagers Hank einsetzen, der den schon angesprochenen Klimax in der Season-Mitte gerade so überlebt hat.

Später sitzen Walt und nun eben auch Skyler bei Hallodri-Anwalt Saul und beratschlagen, wie sie das Drogengeld waschen können (Folge 11). Eine schöne Szene, wie Skyler danach erst mal den Wikipedia-Artikel zu ›Money laundering‹ liest, hehe. (Folge 12)

Dabei wollte Walt ursprünglich seiner Drogenkoch-Karriere den Rücken kehren, er hat genug Geld herausbekommen. Er ist aber schon unentbehrlich. Der nette Fastfoodketten-Manager Gus, der die Crystal-Meth-Distribution in der Umgebung kontrolliert, stimmt ihn um und stellt ihm ein eigenes, gut verstecktes Hightech-Labor zur Verfügung.

Aber jetzt zum großen Clash. Am Anfang der 3. Staffel sehen wir zwei Mexikaner über die Grenze kommen, die sich effektvoll ihren Weg freimorden, um ihren Cousin Tuco zu rächen, der in Staffel 2 erst von Jesse angeschossen, dann von Hank gekillt wurde. Bei der Gelegenheit hat auch der mexikanische Onkel mit der Handklingel wieder seinen Auftritt. Rring! Rring! Er verweist sie an Walt.

Nur durch die Fürsprache von Gus kommt Walt a.k.a. Heisenberg mit dem Leben davon, denn auf seinen Einspruch hin wird der Tötungs­wunsch der Cousins vom Kartell abgewiesen. Gus schlägt den beiden vor, sich lieber Hank vorzunehmen.

Und in Folge 7 kulminiert dann die Racheshow. Schon das Geräusch, mit dem die Tuco-Cousins die Axt über den Boden schleifen lassen, trifft direkt ins Mark. Und dann schafft es Hank nur mit Mühe und Not, die Attacke der Tuco-Cousins gegen sie selbst zu wenden, Shootout auf einem öffentlichen Parkplatz, gefilmte Atemlosigkeit.

Ach ja, Jesse! Eigentlich kriegt Walt einen neuen Assistenten zugeteilt, den Chemikerkollegen Gale, der irgendwann von Gus gefragt wird, ob er Walt bald ersetzen könne. Walt durchschaut das, am Ende muss Jesse dann heulen und aber trotzdem Gale hinrichten, damit Walt weiter unentbehrlich bleibt, und damit endet Staffel 3. Fortsetzung folgt erst im Juli 2011.
 


Lost (6. und letzte Staffel, ABC)

Paris, 19. Oktober 2010, 08:15 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Was soll man sagen, Ende Mai hat es sich ausgelostet. Wir haben hier die ganze Finalstaffel ausführlich folgenweise gerecappt, außerdem gab es dann noch diesen Artikel in der »Welt«, und für alle, die enttäuscht waren von irgendwelchen offen gebliebenen Fragen, muss noch mal hoch21 zitiert werden:

»Lost war nie etwas anderes als Disneyworld. Lost war ein Themenpark.«

 


Mad Men (3. Staffel, AMC)

Paris, 18. Oktober 2010, 07:48 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Ja, ich weiß, gestern hat bereits Season 4 geendet, aber hier doch noch mal kurz zu Season 3, denn die gab uns endlich den Anagnorisis-Moment, auf den die gesamte bisherige Handlung zulief. Denn in der Waschmaschine rumpelte mit der Wäsche ein vergessener Schlüssel­bund mit. Betsy fischt ihn heraus und kann nun Dons Geheimschublade öffnen, wo sie die Scheidungsdokumente eines Don Draper findet und Hinweise auf Dons andere Identität als Dick Whitman. BOOOM! (Folge 11)

Parallel zum Kennedy-Mord fasst Betsy dann einen Entschluss. Sie besteht auf der Scheidung von Don und gibt den Avancen des herrlich graumelierten Henry Francis nach. Dass Betty nun tatsächlich mal handelt, ist schon ein ziemlicher Schritt, eventuell sogar in Richtung Moderne. Vorher waren ihre zittrigen Hände und Halluzinationen Szenen ohne dramaturgischen Zweck, reines Stimmungstheater, was aber natürlich okay ist.

Bettys Entscheidung lässt dann das Handlungsgefüge nachhaltig erzittern, und das dürfte jeden vom Hocker gehauen haben, denn eigentlich tritt »Mad Men« mit seinen Figuren schon sehr auffällig auf der Stelle, viele Sachen schwelen nur im Hintergrund, ohne dass es zu Eruptionen zwischen den Charakteren kommt. Dieses Nicht-von-der-Stelle-Kommen bei eher konservativ angelegten Twists (»Ehebruchs­probleme und Bürointrigen«) meinte Tobias Rüther, als er Ende Juli in der FAS schrieb: »Die Serie ist todlangweilig. Aus Pappe geklebt, ein Studioalbtraum, konstruiert und banal.« (FAS, 25. Juli 2010, S. 21, nicht online)

Angesichts solcher Befunde, die ja schon irgendwo auch zutreffen, überrascht dann die 3. Staffel doch öfters mal: Denn neben dem beschriebenen Erkenntnismoment in der Don-&-Betsy-Geschichte gab es auch noch eine knallblutige Szene im Büro, als ein so nerviger wie aufstrebender Jungbrite mit dem Rasenmäher (Testfahrt!) den Fuß abgefahren kriegt. Die Sterling Coopers machen Scherze darüber (»he might lose his foot, right when he got it in the door«), während dahinter an den Milchglasscheiben die Blutspritzer abgewischt werden. (Folge 6)

Neben dem Kennedy-Attentat, einem vor allem auch Fernsehereignis (im Hintergrund ist sogar Willy Brandt mit seiner Kondolenzmeldung zu sehen, Folge 12) gibt es weiteres Zeitkolorit: Die Martin-Luther-King-Rede schwappt mehrmals aus dem Radio, und außerdem sehen wir, wie Lee Harvey Oswald vor laufender Kamera erschossen wird.

Am Ende herrscht Aufbruchstimmung in der Madison Avenue. Sterling Cooper darf noch das 40. Firmenjubiläum feiern. Und dann beginnt die Flucht nach vorn, so ein bisschen Ocean’s-Eleven-Stimmung brandet auf, vor einem Weiterverkauf der Company sortieren sich die Partner neu, kaufen sich aus der Britenfirma heraus, nehmen dabei noch alle möglichen Kunden mit und plündern das Office.
 


Dexter (4. Staffel, Showtime)

Paris, 17. Oktober 2010, 07:24 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

»What kind of father would I be? After all, I kill people.« (Folge 2)

Der liebenswerte Serienmörder Dex ist also Vater geworden. Eines Tages will er wieder mal zur Tat schreiten, aber dann schreit Sohn Harrison, die Orgie muss erst mal ausfallen, zu seinem großen Ärger: »I need a good kill!«

Der Hauptmissetäter der Staffel lässt nicht lange auf sich warten. Er wird Trinity genannt, weil er immer im Dreierpack killt. Dexter pirscht sich an ihn heran, stellt sich ihm als Kyle vor und verabredet sich ab und zu mit ihm. Denn Trinity, der eigentlich Arthur Mitchell heißt, hat wie Dexter auch Familie, und Dex sieht sich in ihm gespiegelt: »He’s – like me.«

Er versucht sogar ernsthaft, brauchbare Beziehungs- und Familientipps von Trinity einzuholen, vielleicht lassen sich Serienmörderei und Familienleben ja doch harmonisch miteinander verbinden. Das macht die Sache spannend, da der Kälteklotz Dexter jetzt offiziell etwas zu verlieren hat, eine what-so-ever Familienidylle mit Rita, ihren beiden Kindern und dem kleinen Harrison.

Auf der Jagd nach Trinity taucht auch Special Agent Lundy wieder auf, aber bevor er wieder richtig mit Dex‘ Stiefschwester Debra loslegen kann, wird er relativ rasch ermordet (Folge 4), ein bisschen überraschend, aber geht in Ordnung, denn Lundy hat schon immer genervt mit seiner altväterlichen Art. Verantwortlich ist übrigens nicht Trinity, sondern, ein gelungener Twist am Ende von Folge 9, dessen Tochter, die Journalistin Christine, die mit Dex‘ nervigem Kollegen Quinn angebandelt und es darauf anlegte hatte, ihren Vater zu schützen.

Die Staffel wird nebenbei noch mit etwas Büroromantik geschmückt: Angel und unsere Lieblingsvorgesetzte LaGuerta haben eine Affäre, was publik wird, woraufhin einer von beiden die Homicide-Abteilung verlassen soll, einziger Ausweg: Heirat. Dexter wird kurzfristig zum Trauzeugen bestimmt und weiß gar nicht, wie ihm geschieht.

Die Finalfolge ist vielleicht die spannendste der ganzen Serien­saison gewesen. Pünktlich zehn Minuten vor Schluss der Staffel liegt Arthur Mitchell dann zwar doch auf Dexters Richtblock. Aber er hat auch für Dex noch eine Überraschung hinterlassen, letzte Szene: Rita liegt tot in der Wanne, als letztes Opfer von Trinity. Dieser Handlungsfaden wird in der gerade angelaufenen 5. Staffel unmittelbar fortgesetzt.
 


Big Love (4. Staffel, HBO)

Paris, 16. Oktober 2010, 07:54 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

In Staffel 4 der in Utah angesiedelten Familiensaga im polygamen Milieu sind es zwar wieder weniger Folgen geworden, nur noch neun, aber die sind ordentlich gefüllt mit neuen Ideen, die alle organisch integriert sind. Diesmal betätigen sich Bills drei Frauen und die Ex-Viertfrau nachgerade emanzipatorisch und machen, was sie wollen, und trotzdem gelingt es Bill zusätzlich noch, seine Firma und die Casino-Neugründung zu regeln und auch für einen Senatssitz zu kandidieren.

Die »Big Love«-Autoren haben ja den Anspruch, sich nicht an Gemein­plätzen abzuarbeiten und mit den Geschichten wirklich in die Untiefen des polygamen Principles zu begeben, und dabei wird es dann eben auch lustig, denn Emanzipation zum Beispiel ist nicht Teil des Welt­bildes. Beispiel: Bei einem politisch-geschäftlichen Essen trifft Bill seine Ex-Viertfrau Ana wieder, die schwanger ist (Folge 6). Zwar hat sie einen neuen Freund, aber das Kind stammt von Bill und soll daher auch irgendwie zur Henrickson-Familie gehören. Bills Drittfrau Marge, die aber offiziell natürlich unverheiratet ist, heiratet nun ohne Absprache einfach Anas Gefährten Goran, damit er in Amerika bleiben kann. Und wird danach über die Nichtreversibilität der Mehrpartnerehe auf­geklärt: »A woman cannot have two men.«

Roman Grant, der Patriarch und Prophet, ist ja tot, siehe Staffel 3, aber der Kampf um dessen Nachfolge kann nicht so richtig entbrennen, denn dessen Sohn Alby, der ja im Prinzip nur auf den Tod seines Vaters gewartet hat, darf nun endlich erst mal sein bisher verdruckstes Schwulsein ausleben, und was für eine super Idee: Der eventuelle neue Prophet der Polygamistengemeinde ist schwul. Seinem verheirateten und von schlechtem Gewissen geplagten Lover Dale erklärt er: »Homosexuality is a sin, we are just fooling around.« Aber der Geliebte erhängt sich schließlich und Alby landet vor Gericht.

Bei Bills Wahlkampf um den vakanten Sitz im Utah State Senate muss er seine Polygamie natürlich verschweigen, will sich aber nach einem potenziellen Sieg der Öffentlichkeit offenbaren, »someone has to defend the Principle«: »Our whole way of life is under attack, and we need to push back!« Er will gewinnen und sich dann offenbaren, er will einen »open dialogue« über ihren Lifestyle. Und am Ende wird er auch gewählt und erwähnt in seiner Siegesrede, dass er Polygamist sei, und stellt seine Frauen vor. Und nun warten wir mal auf Staffel Nr. 5.
 


The Office (6. Staffel, NBC)

Paris, 15. Oktober 2010, 07:40 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Die 6. Staffel von »The Office« ist vergleichsweise überladen mit kleineren Storybögen: Jim als Co-Chef, die Pam-Jim-Hochzeit, Michaels Affäre mit Pams Mom (eindrucksvoll Pams Urschrei, als sie davon erfährt), Andy und Erin, die Übernahme von Sabre (Kathy Bathes als Firmenboss), Dwight und Angelas Kinderwunsch »for business reasons« usw. Bei der Inszenierung von Michael Scotts Macht­zinnober strotzt jede Folge aber weiterhin vor unterhaltsamer Leichtigkeit wie sonst im Moment keine andere Comedy, da bin ich genau anderer Meinung als das sablog.

›Büro‹ ist hier auch nicht ›Krieg‹ wie bei »Stromberg«, sondern eher gutmütige Prokrastination. Wenn mal grad keine YouTube-Session anliegt, wird ein Spanischtag ausgerufen und werden alle möglichen Dinge mit einem Hinweis auf ihr grammatisches Geschlecht beklebt, was Stunden gedauert haben muss und, según Dwight, langfristig gesehen eh sinnlos ist: »I have it on very good authority that within 20 years everyone will be speaking German …, or, a Chinese-German hybrid.« (Folge 23)

Behutsam loten die Scripts Möglichkeiten der Neukonstellation aus, so wirkt die Berufung Jims zum Co-Boss auf Zeit (Folgen 2 bis 16) null gestelzt, sondern dynamisierend, weil sie sofort Dwights Eifersucht auf den Plan ruft und zu einem Pakt mit Ryan führt, »to take Jim Halpert down« (Folge 12).

Ihr nahes Ende ist der Show trotzdem eingeschrieben. Steve Carells Vertrag läuft aus, er wird nach der 7. Staffel, die gerade begonnen hat, aufhören, und das ist dann natürlich wie »Seinfeld« ohne Seinfeld, egal wer auf Michael Scott folgt und egal ob die Autoren das Weitermachen als Chance verkaufen werden.
 


The Tudors (4. und letzte Staffel, Showtime)

Paris, 14. Oktober 2010, 07:12 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

»How misfortunate I am to have had so many ill-conditioned wives!« (Folge 5)

Die Handlung der Schluss-Staffel setzt im heißen Sommer 1540 ein, und King Henry darf gleich so beiläufig wie möglich die Exekution einiger Tower-Gefangenen befehlen, um sich im selben Atemzug über die fürchterliche Hitze zu beschweren, »will it ever rain?«

Dann präsentiert Henry der Welt seine Neufrau Catherine Howard und lobt öffentlich ihre Tugend. Die ständig kichernde Howard ist aber so frivol wie naiv, schon am Ende von Folge 2 (Vollmondnacht!) ist die prototypische dumme Gans ihrem Verehrer Culpeper verfallen. Ein Brief an ihn (der alte Effi-Briest-Fehler) wird sie letztendlich auch überführen, woraufhin sie, auch einer weiteren, vorehelichen Affäre wegen, festgesetzt wird. Ihr werden noch die aufgespießten Köpfe ihrer beiden Liebhaber präsentiert, und dann kommt auch für sie der Richtblock. Henrys Frau Nr. 5 ist damit genau nach der Hälfte der letzten »Tudors«-Staffel erledigt, fehlt nur noch Frau Nr. 6: Catherine Parr.

Frau Parr wartet ihrerseits mit ihrem Liebhaber Sir Thomas auf das Ableben ihres Ehemanns, Lord Latimer. Henry sendet der Parr Geschenke, aber die will nicht so recht, was logischerweise auch etwas mit dem Schicksal ihrer fünf Vorgängerinnen zu tun haben könnte. Henry seinerseits schickt seinen Nebenbuhler Sir Thomas nach Brüssel, dann stirbt erwartungsgemäß Parrs siechender Ehemann, und schon schwappt der Antrag ins Haus. Henrys letzte Heirat (Folge 7) ist unspektakulär.

Ebenso wie die Ehe. Die neue Queen kümmert sich eher krankenschwesterlich um Henry, von dem uns vor allem seine offene Beinwunde öfters mal präsentiert wird. Aber es gelingt der Parr, die verstreuten Teile der Tudor-Familie, also Mary und Elizabeth, wieder nach London zu holen. Und sie führt während des Feldzugs in Frankreich auch die Geschäfte am Hof.

Mit der Belagerung von Boulogne 1544 kommt endlich mal wieder etwas Action ins Spiel, seit dem formvollendeten Ringkampf zwischen Henry und Francis in Staffel 1 war da ja nicht viel. Karl V. tritt kurzzeitig in eine Allianz mit Henry, der daraufhin nach Frankreich marschiert. Henry erobert die Festung Boulogne und kehrt glorreich nach England zurück, aber dann marschiert der Dauphin einfach auch auf Boulogne und macht den Sieg rückgängig. Henry erfährt das und kippt aus den Latschen, sein Tod zeichnet sich ab.

Und es wird auch Zeit, vor allem für Jonathan Rhys Meyers als Darsteller des Henry. Sein stechendes Lachen ist eigentlich die einzige schauspielerische Herausforderung, die er noch bewältigen muss. In Folge 9 ist Henry all of a sudden recht graubärtig und muss mit tiefer, gebrochener Stimme sprechen. Und auch Charles Brandon, dem ernannten Duke of Suffolk, haben sie jetzt einen Rauschebart angeklebt, sein treuester und längster Freund stirbt in der letzten Folge geschichtskonform Henry voran.

Ach ja, Anne of Cleves kehrt auch sporadisch zurück, denn Henry hegt eine plötzliche Zuneigung zur pferdegesichtigen Ex-Queen, die wieder von Joss Stone gespielt wird. Sie besucht den King ab und zu am Hof und muss weiter englisch radebrechen mit ›th‹-Problem, und macht das eigentlich sehr gut.

Und Holbein tritt noch mal an und malt ein letztes Porträt. Während der Malsession hat Henry Visionen seiner Ex-Frauen, Catherine of Aragon, Anne Boleyn, Jane Seymour. Es folgt der übliche »Was danach geschah«-Abspann und fertig. Alles in allem keine schlechte Historien­serie, wenn sie auch bei weitem nicht das Kaliber von »Rome« hatte.
 


The Pacific (Miniserie, HBO)

Paris, 13. Oktober 2010, 07:54 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Diese von Steven Spielberg und Tom Hanks produzierte Miniserie will mit ähnlichen Mitteln wie damals das sehr hervorragende »Band of Brothers« (2001) an den vergessenen Pazifikschauplatz des Zweiten Weltkriegs erinnern. Die Inszenierung hat auch sichtbar etwas gekostet, nur wirkt die Serie über weite Strecken gewollt und ist einfach grottenlangweilig.

Jede Folge beginnt mit einem von Hanks persönlich gesprochenen Dokumentarpart, um in die geschichtlichen Hintergründe einzuführen, sowie Aussagen von letzten lebenden Veteranen, die für Authentizität sorgen sollen. Das Drehbuch orientiert sich auch an den Erinnerungsbüchern von Pazifikveteranen, ist bei der Umsetzung aber platt und einfallslos und manchmal ein wenig überkanditelt. Die Frage »Warum sind wir hier?« wird zum Beispiel mit Homer-Versen beantwortet.

Der zeitgenössische Armyslang ist eine Karikatur seiner selbst (nach der ungehinderten Landung in Guadalcanal heißt es: »Let’s go find some Japs!«). Wenn doch mal was passiert, sind das nie mehr als bekannte Kriegsfilmversatzstücke. Ein Sani wird aus Versehen nachts durch friendly fire abgeschossen (»Did he say the password?«). Ein MG-Schütze findet in der Tasche eines getöteten Japaners das Foto von dessen Eltern. Das ist nicht mehr als Remarque für Arme, kaum ein Klischee wird ausgelassen.

Dann gibt es noch den kriegswilligen Eugene, der nicht mitdarf bzw. nicht mitsoll und sich trotzdem freiwillig meldet. Und nach seiner Rückkehr wird er natüüürlich, wie vom Vater vorhergesagt, Alpträume haben, denn das Thema PTSD darf ja nicht vergessen werden, schließlich ist das hier eine moderne Antikriegsserie.

Wie in Clint Eastwoods »Flags of Our Fathers« wird die Handlung teilweise gesplittet, indem einer der Helden, der Gunnery Sergeant John Basilone, zurück nach Hause soll, um War Bonds zu verkaufen. Aus »Saving Private Ryan« wiederum ist der Hörsturz geklaut, den Eugene bei der Landung auf Peleliu erleidet.

Ansonsten gibt es vor allem: Regen, Regen, Regen, und keine Japs in Sicht, ein Kamerad bringt sich wegen Frontkollers selbst um die Ecke, und Private Leckie nässt sich ein. Damit ist er fast der Einzige, der ein wenig Kontur gewinnt. Der Rest des Casts besteht aus Aufsagern von Klischeedialogen.

Am Eindrucksvollsten sind noch die Peleliu-Episoden (Folgen 5 bis 7), die immerhin zeigen, dass die Bestie Mensch auf beiden Seiten wütet. In Iwo Jima ist aber ja Clint Eastwood schon gewesen, deswegen fällt dieser Abschnitt kürzer aus (Folge 8).

Und, auch klar, der nach Hause zurückgekehrte Held Basilone hat Probleme damit, nicht mehr an der Front zu kämpfen und stattdessen vorgefertigte Texte aufzusagen. Er meldet sich dann selbstverständlich wieder freiwillig an die Front zurück, wird dort aber leider abgeschossen (Zeitlupe!). Das alles entstammt tatsächlich der Biografie des echten Basilone, schaut sich aber aus wie Creative-Writing-Drehbuchschrott, Abteilung »Tragik«.

Und in der letzten Folge besucht Lena, Basilones Witwe, dessen Mutter und Familie und bringt noch schnell die Medal of Honor vorbei, was an eine ähnliche Stelle in Walter Flex‘ »Wanderer zwischen beiden Welten« erinnert, wo die Mutter nach überbrachter Todesnachricht die Augen schließt und spricht: »Hat Ernst vor seinem Tode einen Sturmangriff mitgemacht? (…) Das war sein großer Wunsch!«

Nach der japanischen Kapitulation und der Rückkehr nach Hause wird Leckie lokaler Sportreporter und trifft Vera wieder, die er in Folge 1 an der Kirchtür traf, aber die geht inzwischen mit einem Offizier aus. Leckie versucht es trotzdem bei ihr, und es klappt auch, denn der Offizier kommt zwar frisch von Westpoint, hat aber die ganze Kriegsshow verpasst und muss nun zurückstehen, poor guy. Das ist alles fast noch beknackter als der von Bruckheimer produzierte »Pearl Harbor«-Kitsch.
 


Desperate Housewives (6. Staffel, ABC)

Paris, 12. Oktober 2010, 07:56 | von Paco

(Übersicht: Alle 10 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

FAZ: Ist das Am-Stück-Gucken [von Serien] nicht auch Eskapismus? (…)
David Wagner: Ich schäme mich höchstens für eine Nacht »Desperate Housewives« (lacht).

Wir haben die Housewives hier immer gefeiert (Staffel 2, 3, 4, 5), das Dialogwriting erinnerte zu seinen besten Zeiten an große Familienhölle-Autoren wie (na ja) Ibsen, Tschechow, Horváth usw. und war dabei doch immer innovativ und auf abgründige Weise lustig. Staffel 6 war nun leider so unfassbar schlecht, dass ich guten Gewissens keine einzige weitere Folge schauen kann, Staffel 7 wird unbemerkt an mir vorüberziehen.

Jede Serie setzt ja irgendwie Wiederholungsstrukturen in Gang, was aber in der vergangenen DH-Staffel als Handlung präsentiert wurde, war einfallsloser und plumper Tinnef. Dirty Laundry in der Vorstadt, das Thema ist offensichtlich nachhaltig ausgequetscht, die 6. Staffel war die pure Wiederholung des genau Gleichen.

Wie üblich ist eine neue Familie in die Wisteria Lane gezogen (Nick und Angie Bolen samt Sohn Danny), die eine so dunkle wie bescheuerte Vergangenheitsstory mit sich herumschleppt. Die wird mit purem Zeitspiel am Köcheln gehalten bis Folge 17, wenn Angie Gaby ihr Geheimnis anvertraut und es dann, wieder sehr gestreckt, zu einem am Reißbrett entworfenen Finale kommt.

Die Mike-&-Susan-Story war ja stets eine On-&-off-Quälerei, diesmal wird eben wieder geheiratet, zu Katherines Leidwesen, die zuerst mit ihrer völlig unglaubwürdigen Mike-Fixierung nervt und dann in der zweiten Hälfte der Staffel auf prüdeste Art und Weise mit ihrer sexuellen Orientierung experimentieren darf.

Wenn sonst nichts mehr passiert, muss aus heiterem Himmel wieder ein bisschen Schicksal herunterstürzen, diesmal ist es ein Kleinflugzeug, das in die Weihnachtsfeierlichkeiten in der Wisteria Lane kracht. Karl stirbt, Susans Ex-Mann, der Bree nun doch nicht wie geplant ehelichen kann, wie schade. Eine Folgeerscheinung seines Ablebens: Susan erbt von ihm einen Stripclub (Folge 12), das ist dann auch kurz fast ein bisschen lustig.

Der seit der ersten Staffel von der Mary-Alice-Stimme gesetzte Rahmen funktioniert zwar immer noch, aber die für DH so typische Emotions- und Empathiemaschinerie ist an ihr Ende gekommen. Der Drehbuch­baukasten schimmert einfach ständig durch: Während Lynette (schon wieder *yawn*) ungewollt und mit Zwillingen schwanger ist, geht in Fairview der junge verpeilte Mädchenmörder Eddie um. Kurz vor Schluss darf Mörder-Eddie dann Lynette bei der Geburt ihres einen verbliebenen Kindes helfen. Emotionen für Melonen.

Ganz am Ende gibt es wieder die Anbahnung duuuuunkler Geheim­nisse für Staffel 7, diesmal: bei der Geburt vertauschte Kinder oder so, ein Fall betrifft Wisteria Lane, gääähn. Und Mary Alice‘ Gatte Mr. Young zieht in Susans und Mikes Haus ein, was für eine ermüdende Idee, Phantasielosigkeit in ihrer reinsten Form.

»Screw Fairview!«, schreit da sogar Heidi Klum (Gastauftritt in Folge 17). Nie wieder DH.