Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Lost: 6. Staffel, 9. Folge

Berlin, 28. März 2010, 18:11 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Ab Aeterno«
Episode Number: 6.09 (#111)
First Aired: March 23, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Seit Anbeginn der Zeit« (EA 12. 5. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Die lange erwartete Richard-Folge! Richard Alpert – Seine Vorge­schichte, sein Teufelspakt und seine Dämlichkeit (»I want to live forever!«). Insgesamt ziemlich viel Höllentalk, und die allegorischen Mächte Gut und Böse rüsten sich weiter zum Endkampf. (Einen L.A.-Plot gibt es diesmal nicht.)

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Lost: 6. Staffel, 8. Folge

Paris, 18. März 2010, 10:16 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Recon«
Episode Number: 6.08 (#110)
First Aired: March 16, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Kundschafter« (EA 5. 5. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Widmore bereitet sich auf der Nachbarinsel auf den Kampf mit Fake-Locke vor, warum auch immer. Sawyer spielt sich als Doppelagent auf, verfolgt aber natürlich noch mal eigene Interessen. Und in der Nicht-Absturz-Welt ist er kein praktizierender Betrugskünstler mehr, sondern ein Cop, und sein Partner ist Miles.

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Lost: 6. Staffel, 7. Folge

Paris, 10. März 2010, 09:45 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Dr. Linus«
Episode Number: 6.07 (#109)
First Aired: March 9, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Dr. Linus« (EA 28. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Macht und Machtverlust sind die Hauptthemen der gesamten Serie. In dieser 7. Folge der Finalstaffel hat dieses Themenpaar wieder mal einen schönen Auftritt, und dass es eine auf Ben Linus zentrierte Folge ist, hilft diesem zum Lutscher degradierten einstigen Überboss der Others wieder zu einigen Sympathiepunkten:

1. – Insel-Plot

Nach dem Überfall des Fake-Locke auf den Temple schließt Ben in der Finsternis des Inseldschungels zu den anderen Jacobinern auf. Sie sind in deutlicher Unterzahl und wollen sich erst mal zum Strand zurückziehen.

Miles, der ja als relativ plumper Deus ex machina in die Serie geschrieben wurde, soll anhand von Jacobs Asche (mitgeschleppt von Ilana) herauskriegen, wie der Inselgötze starb. Das bringt Ben in die Bredouille, denn nun wissen alle, dass er ihn abgestochen hat. Ilana ist auch ziemlich sauer über den Verlust ihrer Vaterfigur Jacob.

Im Strandlager darf auch Sun mal wieder was sagen. Ok, von jetzt ab heißt sie nur noch Kulissen-Sun, weil sie nur noch dumm in den Kulissen steht und sie nur noch aus Mitleid ein paar Sätze zugeschustert kriegt. Ilana jedenfalls erzählt ihr, dass sie und/oder Jin candidates seien für die Übernahme von Jacobs Job.

Inzwischen findet Ben in den Zeltresten ein Schmuddelheft (»Booty babes«) und ein Buch von Disraeli, außerdem ein weiteres, das von ihm aber nicht beachtet wird, den 60er-Jahre-Bestseller »The Chosen« von Chaim Potok. Man fürchtet, dass das vielleicht sein letztes intellektuelles Erlebnis war, denn kurz darauf wird er von Ilana dazu gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln.

Fake-Locke erscheint ihm, sprengt seine Fußfessel und lädt ihn auf die andere Insel ein, wo er sich angeblich mit den Ausreisewilligen versammelt hat. Ben flieht denn auch und hat die Chance, seinerseits Ilana umzunieten. Aber ein klärendes Gespräch mit viel Sentiment verhindert das. Ilana vertraut ihm wieder, und statt Fake-Locke zu folgen, kehrt Ben mit ins Strandcamp zurück.

Soweit die Haupthandlung auf der Insel. Ansonsten haben wir auch Jack und Hurley wiedergetroffen. Letzterer erwacht im Dschungelgras mit den Worten »cheese carrots« auf den Lippen. Aber ohne Dusche und Frühstück will Jack gleich weiter zum Temple. Die beiden werden aber von Richard abgepasst, der sie stattdessen zur Black Rock führt, diesem stylischen alten Britenschiff, das zu einem Lieblingsgimmick der Zuschauer geworden und nun endlich einmal wieder zu sehen ist.

Übrigens gab es bei Richards Auftauchen noch einen dieser typischen Langweilerdialoge, buuuaah:

Jack: Where did you come from.
Richard: You wouldn’t believe me if I told you.
Jack: Try me.

Richard, der offenbar mit dem altehrwürdigen Schiff auf die Insel gelangt ist, sagt aber auch gute Sachen, etwa: »I’m not a cyborg.« Er erklärt auch seinen komischen Nichtalterungsprozess: Jacob habe ihn berührt, deshalb. Die Unsterblichkeit sei aber natürlich mehr Fluch als Segen (gääähn). Richard könne sich auch nicht selber um die Ecke bringen, jemand anderes müsse es tun. Jack vergisst seinen hippokratischen Eid und erklärt sich dazu bereit. Er setzt sich neben Richard, während in der Black Rock die Lunte abbrennt. Jack ist sich sicher, dass nichts passieren werde, und es passiert auch nichts.

Zusammen mit Hurley ziehen sie zum Strand, wo es ein Wiedersehen mit den anderen Jacobinern gibt. Als Cliffhanger fungiert ein Periskop, das vor der Insel den Ozean durchpflügt. Es gehört zu einem U-Boot, in dem Widmore sitzt. Der alte Zausel nimmt nun also endlich wieder am Kampf um die Insel teil.

2. – L.A.-Plot (Lehrer Linus)

Dr. Ben Linus, in Studienratsoutfit mit Studienratsnickelbrille, referiert in seiner Klasse über Napoleons Elba-Aufenthalt und über dessen tragischen »loss of power«. Genau darum geht es auch im alternativen L.A.-Plot, und weil das »Lost«-Thema auch hier im Kleinen so gekonnt bespielt wird, kann man diese Folge als sehr gelungen bezeichnen.

Ben ist ja in dieser Parallelwelt Lehrer an derselben Schule, an die es auch Locke als Substitute verschlagen hat. Und Locke schlägt ihm im Lehrerzimmer vor, doch nach dem Amt des Schuldirektors zu streben, da er sich so für die Schule und die Schüler einsetze. Ben bekommt auch bald die Möglichkeit dazu. Es stellt sich heraus, dass Alex, seine adoptierte Inseltochter, hier in L.A. seine Lieblingsschülerin ist. Und Alex hat nun mitbekommen, dass Principle Reynolds nun also mit einer Krankenschwester usw. und auch noch auf dem Schulgelände!

Bens Erpressungsversuch scheitert jedoch, da Reynolds ihn vor die Wahl stellt: Wenn er seinen Posten tatsächlich räumt, dann werde er auch Alex‘ Yale-Empfehlung versemmeln. In diesem Machtspiel entscheidet sich Ben für Alex‘ Fortkommen und handelt damit anders als in Folge 4.09, als er Alex geopfert hat.

In einer Einzelszene sehen wir noch, wie sich Ben um seinen kranken Vater kümmert. In diesem Gespräch erwähnt der Vater auch seine Beteiligung an der Dharma-Initiative. Er war also mit seinem Sohn damals auf der Insel, hat sie aber offenbar wieder rechtzeitig verlassen und bedauert das jetzt gegenüber seinem Sohn: »Who knows what you would have become?«


Lost: 6. Staffel, 6. Folge

Paris, 4. März 2010, 09:21 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Sundown«
Episode Number: 6.06 (#108)
First Aired: March 2, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Bei Sonnenuntergang« (EA 21. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Okay, das könnte alles doch noch irgendwie funktionieren. Fake-Locke wird systematisch zum mephistophelischen Verführungskünstler aufgebaut. Er sucht, als schwarzer Rauch verkleidet, den Temple heim und rekrutiert sich weiter sein Team zusammen. Die Geschichte in der Nicht-Absturz-Welt (a.k.a. flash-sideways) ist dagegen wieder dröge wie nur was, es geht um Sayid und seine Verflossene.

1. – Insel-Plot

Jetzt aber! Sayid will Antworten von Dogen, der in seiner Privatkammer hockt und ein Buch liest (hoffentlich was Lustiges, es wird seine letzte Lektüre sein). Reichlich grundlos folgt eine Kampfszene, die beiden schmeißen sich gegenseitig durch den dunklen Raum. Irgendwann fällt der Baseball, mit dem Dogen in der vorvorletzten Folge schon gespielt hatte, auf den Boden, von der »Lost«-Kamera signalartig inszeniert. Alea iacta est, so scheint es, und der japanische Tempelmensch raunt seinem irakischen Sparringspartner verschwörerisch zu: »Go! Leave this place! Never come back!«

Inzwischen sind Claire und ihr Kumpel Fake-Locke am idyllischen Tempelteich angekommen. Claire informiert Dogen darüber, dass »er« ihn sehen wolle. Und auf einmal soll Sayid doch bleiben, verkündet durch den wieder mal typisch überinszenierten Satz von Dogen: »Things have changed.« Jedenfalls sei der Typ, der mit Claire jetzt hier hergekommen sei, »evil incarnate« und wolle jetzt, da Jacob krepiert ist, alles Leben auf der Insel vernichten.

Es geht weiter mit klischiertem Unsinn: Sayid soll nun einfach mal so diesen allegorischen Brausepöter mit einer Art Stilett umbringen gehen. Wichtige Info: Er soll sein Opfer nicht zum Sprechen lassen kommen, dann sei es schon zu spät. Sayid trifft dann kurz noch auf Kate, die beiden gehen aber in verschiedene Richtungen weiter, Kate zum Tempel, wo Claire wartet, das »Australian chick, (…) acting all weird, still hot, though« (Miles).

Sayid trifft dann auch wirklich gleich den gefakten Locke, der schafft es aber problemlos, »Hello, Sayid!« zu sagen, und zieht dann das Stilett einfach wieder aus seinem Leib: »Now why did you go and do that?!« Sayid lässt sich dann mehr oder weniger von Fake-Locke rekrutieren, Mephistopheles at work: »What if I told you that you could have anything you wanted?«

Sayid singt das Lied verlorener Liebe, aber selbst im Falle der dahingestorbenen Nadia ist das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen, so jedenfalls der geschickte Verführer, und überhaupt ist ja die »Lost«-Insel mit ihren Auferstehungserscheinungen so was wie ein Friedhof der Kuscheltiere.

Doppelagent Sayid soll nun alle Tempelbewohner von ihrer Heimstatt weglocken, damit sie geschlossen die Insel verlassen können. Entscheidung bitte bis Sonnenuntergang, sonst werden sie alle jämmerlich verrecken. Die Nachricht wird überbracht, ordnungsgemäß bricht Panik aus.

Nun ist es erst mal an Dogen, Sayid eine anrührende Geschichte zu erzählen. Sein Sohn sei nach einem Unfall in Lebensgefahr gewesen, aber ein Unbekannter, Jacob nämlich, habe ihn retten wollen unter der Bedingung, dass Dogen zur Insel komme und seinen Sohn niemals wiedersehe. Aber Sayid ist natürlich kalt gegen so ein gefühliges Geschwurbel und ertränkt Dogen kurzerhand. Dessen windiger und an Nervigkeit schwer zu überbietender Übersetzer, der »Holzperlenketten­hippie«, eilt zur Hilfe und wird auch abgemurkst. (Vielen Dank, Sayid!)

Es ist dunkel geworden. Sundown. Wie zu erwarten besucht nun das vor Lust quiekende Rauchmonster den Temple und zieht einen nach dem anderen aus dem Verkehr. Gleichzeitig trifft aber auch die mehr oder weniger Jacob-treue Strandtruppe ein: Ilana, Chopper-Frank, Ben und Sun. Ilana, Spitzname ab jetzt: Lara Croft, öffnet durch das Berühren eines bestimmten Steins einen geheimen Gang, wohinein ihr die anderen nachfolgen und so dem Rauchmonster knapp entrinnen.

Sayid sehen wir das Schlachtfeld abwandern, Leichen überall, dazu fast weihnachtlich anmutende Musik. Kate, die sich zu Claire in die Grube geflüchtet hatte, wird nun von dieser mit nach draußen gezogen. Dort wartet Fake-Locke mit einem guten Dutzend von überlebenden Temple-Others, die auf seine Seite gewechselt sind. Diese Szene ist so unheimlich und endlich wieder mal exciting wie eine ähnliche Situation in Folge 2.11 (»The Hunting Party«), als um die Lostianer herum aus dem nächtlichen Nichts heraus plötzlich dutzende Others-Fackeln aufleuchten.

2. – L.A.-Plot (Sayid)

Sayid hat sich fein gemacht, Besuch bei Nadia, seiner Traumfrau. Aber dann springen da Kinder herum und reden den Ankömmling mit »Uncle Sayid« an, und dann kreuzt Nadias Ehemann auf, der nun also nicht Sayid ist, sondern dessen Bruder Omar. Ein Businesstyp, der in finanziellen Nöten steckt, wie er Sayid schnell offenbart. Er habe sich Geld von einem Mann geborgt, das inzwischen auch zurückgezahlt wurde, aber jetzt wolle der Geldgeber jeden Monat frische Zinsen. Foltermeister Sayid soll nun »convince these people to leave me alone«.

Omar landet bald im Krankenhaus, Sayid kümmert sich um die Kinder, die den sympathischen Ex-Folterer abgöttisch zu lieben scheinen. Es gibt ein »Why?!«-Gespräch zwischen Nadia und Sayid, er habe sie damals verlassen weil (der Klassiker!): »Because I don’t deserve you!«

Später erscheinen Männer in einem schwarzen SUV und nehmen Sayid darin mit. In einer düsteren Großküche wartet Keamy auf sie, der ja eigentlich am Ende der 4. Staffel von Richard abgestochen wurde. Nun brät er in der Parallelwelt fröhlich wie Mutter Beimer ein paar Eier und bietet sie Sayid an, »I make good eggs!«

Wie bei Ethan vor zwei Folgen ist auch dies ein interessanter Charakterwechsel, der aber nicht lange für was gut ist. Denn erst macht Sayid die beiden Bodyguards klar, Keamy will daraufhin beschwichtigen, aber Sayid erschießt auch ihn, so eiskalt wie Keamy damals in Folge 4.09 Alex hingerichtet hat.

Und dann, uff!, entdeckt Sayid im Kühlraum eine Inselbekanntschaft, und zwar Jin, der auf Koreanisch vor sich hin flucht.


Lost: 6. Staffel, 5. Folge

Paris, 28. Februar 2010, 12:20 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Lighthouse«
Episode Number: 6.05 (#107)
First Aired: February 23, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Der Leuchtturm« (EA 14. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Fake-Locke hat erst am Ende dieser Folge einen Kurzauftritt. Ansonsten geht es diesmal in der Nicht-Absturz-Welt um Jack und seinen Überraschungssohn, und auf der Insel sehen wir Hurley und Jack zu einer neuen Location marschieren, dem Leuchtturm. Und Jin ist zu Besuch in Claires Camp:

1. – Insel-Plot

Hurley und Miles spielen Tic Tac Toe auf dem Inselboden und überbieten mit ihrer Gelangweiltheit locker die beiden Putten, die Raffael unter seine Sixtinische Madonna gesetzt hat. Dann will Hurley wissen, ob es im Temple eine Küche gebe, hehe. Und wird stattdessen wieder mal von Jacob mit einem Auftrag versehen, »someone is coming to the island, I need you to help him find it«.

Hurley hat sich ein paar Anweisungen auf den Unterarm geschrieben und wird beim Umherlaufen im Temple von Dogen gestellt. Während­dessen erscheint ihm wieder Jacob, der für Dogen unsichtbar ist, der wiederum auf die Information hin, dass Hurley ein candidate sei, abgeht.

Hurley soll Jack mit auf den bevorstehenden Trip zum Leuchtturm nehmen, die Überredung ist ein typischer Zeitspieldialog, erst will Jack nicht, dann sagt Hurley irgendwas, dann will Jack auf einmal nichts lieber als mitkommen, gääähn.

Auf dem Weg treffen die beiden Wandersleut‘, natürlich, auf Kate, die ihrerseits auf der Suche nach Claire ist und das auch bleibt, und tschüss. Zwischenstopp bei den Caves, dem Refugium aus Staffel 1. Dort sieht Jack auch wieder den zerbrochenen Sarg seines Vaters, in dem dessen Leiche damals ja nicht mehr drin gewesen war.

Während des weiteren Dschungelspaziergangs reflektiert Hurley, was sie da eigentlich gerade machen, und das könnte auch als Tagline für die gesamten Serie dienen: »This is cool, dude. Very old school, (…) you and me trekking through the jungle, on our way to do something that we don’t quite understand. Good times.«

Sie gelangen schließlich zum Leuchtturm, wo Jack die dümmste Frage ever stellt: »How is it that we’ve never seen it before?« Hurley antwortet irgendwas darauf, aber liegt ganz falsch. Die Wahrheit ist natürlich, dass wir den Leuchtturm erst jetzt sehen, weil er erst jetzt von den Schreibern da hingeschrieben wurde, als Ausweg für die Gesamtstory, als Gimmick, was auch immer.

Sie drehen an dem Riesenkompass oben im Ausguck. Jedem Grad sind Namen zugeordnet, bei 23 Grad steht »Shephard« (vgl. das »Lost«-Sudoku in der Vorgängerfolge). Jack dreht den Kompass an diese Stelle, und in den Spiegeln, die eigentlich vielleicht zur Verstärkung der Leuchtfeuer dienen, ist jetzt Jacks Haus seiner Kindheit zu sehen. »He’s been watching us! The whole time! All of us! He’s been watching us!« Diese Leuchtturmspiegel sind also ungefähr das, was Borges als »Aleph« bezeichnet hat.

Aber Jack ist jetzt nicht nach Literaturgeschichte zumute. Er rastet aus und zerkloppt den Wunderspiegel, zersplittertes Glas auf dem Boden, das klassische schlechte Omen, hehe.

Nach dieser Wutorgie sitzt Hurley allein vor dem Leuchtturm und hat wieder eine Jacob-Erscheinung. Das sei jetzt nicht so schlimm, dass die Spiegel kaputt seien. Die mysteriösen Leute, die zur Insel kommen, »will find some other way«. Jacob habe die beiden auch nur vom Temple weglocken wollen, denn jemand arg Böses komme da gerade zu Besuch, und er meint damit sicher Fake-Locke, seinen großen rauchmonsterigen Multi-Shape-Gegner, der am Ende der Folge bei Claire und Jin reinschneit: »Am I interrupting?« Und Claire erläutert Jin: »This is not John, this is my friend.«

Übrigens Claire, sie hat Jin aus der Bärenfalle herausgeholfen. Sie ist da jetzt also seit drei Jahren im Dschungel unterwegs und sieht auch so aus und erinnert eben an die ebenso verwilderte und verstörte Rousseau. »Where are you hiding my son?«, fragt sie den einen überlebenden Others-Typen. Ihre Frage bleibt ohne Antwort, also will sie den Typen umhauen, aber Jin hält sie zurück, mit der Info, dass der kleine Aaron von Kate zu sich genommen wurde, als die Oceanic Six die Insel verlassen haben. Und dann drischt Claire trotzdem diesem Typen die Axt in den Leib.

Jin überschlägt kurz seine Überlebenschancen und entscheidet sich dafür, die Aussage, Aaron sei mit Kate von der Insel gegangen und von ihr aufgezogen worden, zurück. Nein, gar nicht, der Kleine sei bei den Others im Temple. Und dann schneit, wie gesagt, Fake-Locke herein, Claires »friend«.

2. – L.A.-Plot

Jack kommt nach Hause, zwischen zwei Familienfotos liegt unter einer Teetasse und Büchern ungelesen das »Wall Street Journal« und wird wohl auch auf ewig ungelesen bleiben, bei all dem, was Jack sonst noch zu tun hat. Er ist nämlich, soweit einer der Twists dieser Folge, Vater eines pianobegabten Jungen, David. Wer die Mutter ist, von der Jack getrennt lebt, erfahren wir jetzt noch nicht, und das lässt darauf schließen, dass das ein nächster Twist werden wird.

Die Vater-Sohn-Problemgeschichte ist an Klischees kaum zu überbieten: Ein Gespräch über »Alice in Wonderland« verläuft im Sand, der Junge leidet unter der ständigen Abwesenheit des Vaters, der Vater versucht das bei den raren Treffen zu überspielen, »I’m just trying to have a conversation with you, David« etc. etc.

Jack stattet außerdem seiner Mutter einen Besuch ab. Die Leiche von Christian Shephard ist gerade irgendwo in Berlin gelandet, egal, jedenfalls findet Jacks Mutter das Testament ihres Mannes. Darin wird eine Claire Littleton erwähnt, sie fragt Jack, ob er wisse, wer das sei.

Als Jack zurück in seine Wohnung kommt, ist sein Sohn nicht mehr da. Er spürt ihn schließlich abends beim Vorspiel am Konservatorium auf. Dort begegnet er noch jemandem: Schon von hinten, am seidig glänzenden Pferdeschwanz, erkennen wir den neuen Serienjapaner Dogen. Jetzt ist der Tempelboss eben auch am Konservatorium zugange und schwätzt ein bisschen doppeldeutig mit Jack herum.

Zum Abschluss des Nicht-Absturz-Plots gibt es noch einen sentimentalen Vater-Sohn-Dialog vor dem Konservatorium, in dem es um Versagensangst geht. Und dann ist alles wieder gut: »I’ve got some pizza back at the house. You hungry?«


Lost: 6. Staffel, 4. Folge

Paris, 27. Februar 2010, 10:23 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Substitute«
Episode Number: 6.04 (#106)
First Aired: February 16, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Der Stellvertreter« (EA 7. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Nachdem Fake-Locke, a.k.a. NotLocke, a.k.a. Jacobs Erzfeind, a.k.a. Der Antagonist, a.k.a. The Man in Black usw. in Folge 3 abgetaucht war, geht es in Folge 4 hauptsächlich um dieses allegorische Mischwesen. Achtung, es wird mal wieder leicht lächerlich:

1. – Insel-Plot

Unser Inselaufenthalt beginnt mit einer Kamerafahrt aus dem Point of View des Rauchmonsters. Eigentlich ja mal eine gute Idee. Nach ein bisschen Achterbahnfahren verwandelt sich das Rauchvieh aber schon wieder in Fake-Locke und hebt eine verrostete Machete vom Boden auf.

Damit befreit er nun Richard, den er in der Zwischenzeit in einem Netz oben im Wipfelbereich zwischengelagert hatte: »time to talk«. Die Gestalt John Lockes habe sich Fake-Locke gegeben, da sie ihm Zugang zu Jacob ermöglicht habe, da Locke ein what-so-ever candidat gewesen sei. Es folgt etwas faustischer Schmus, Fake-Locke zu Richard: »Come with me, and I promise, I’ll tell you everything!« Aber Richie Boy will nicht. Die Erscheinung eines blondschopfigen Jungen beunruhigt Fake-Locke, er macht sich von dannen.

Er sucht Sawyer im verlassenen Dharma-Dorf auf. Dieser wundert sich nicht über die Präsenz von Locke: »I don’t give a damn if you’re dead, or time-travelling, or the Ghost of Christmas Past.« Das dürfte auch vielen Zuschauern aus dem Herzen sprechen, hehe. Dann verspricht mit Fake-Locke mal wieder jemand das Blaue vom »Lost«-Himmel, die Antwort auf die »most important question in the world«: »Why are you on this island?!«

Ok, Sawyer folgt dem gefakten Locke, und wieder begegnen wir dem blonden Jungen, der zunächst von Fake-Locke gejagt wird, ihn dann aber zurechtweist: »You know the rules! You can’t kill him!« Und der Fake-Locke antwortet lustigerweise mit dem Mantra des realen, jetzt toten Locke: »Don’t tell me what I can’t do!«

Zwischendurch trifft Sawyer auf dem weitläufigen Inselgelände ganz zuuufällig noch auf Richard, der ihn zum Temple mitnehmen will. Aber er will nicht, und Richard tritt in dem Moment wieder ab, in dem Fake-Locke wieder auftritt. Ein ziemlich unmotiviertes Erscheinen und Verschwinden von Figuren, über so was hat sich ja schon Lessing in der »Hamburgischen Dramaturgie« kaputtgelacht, und zwar zu Recht, hehe.

Als Nächstes gibt es ein wenig Bildungsfernsehen: Sawyer erzählt Fake-Locke von Steinbecks »Of Mice And Men«, der Stelle am Schluss, als George dem armen Lennie ein Loch in den Hinterkopf schießt, um ihn vor der Lynchjustiz der heranrückenden Menge zu bewahren. Sawyer hält nun auch Fake-Locke at gunpoint, um Lennies Schicksal nicht zu teilen. Aber Fake-Locke spricht, zu Trähnen rührend, von seinem eigenen Problem: Er sei trapped, er sei auch mal ein Mensch gewesen, »like you«, und ist nun offenbar eine Art Geist in der Flasche. Sawyer lässt dann auch von ihm ab und folgt ihm zu einer Felsklippe.

Die beiden klettern eine Leiter hinab, direkt Richtung Hades, scheint’s. Es folgt natürlich noch ein bisschen alpine Dramatik, Sawyer rutscht von der Leiter ab, Kampf am Berg, Mann gegen Leiter, und Fake-Locke rettet ihn. Sie gelangen unten in eine kleine Höhle. Dort steht eine Waage mit ein paar Steinen als Gewichten. Fake-Locke nimmt einen weißen Stein vom einen Ende der Waage und wirft ihn ins Meer, ein »inside joke«, haha.

Dann wird es wieder halbwegs interessant: An der Höhlendecke stehen die Namen der Oceanic-Abstürzler, einige davon sind durchgestrichen, jedenfalls: »that’s why you’re all here«. Jacob habe die Namen da hingeschrieben. Die Namen sind mit Zahlen kombiniert, einige Lostianer haben die bekannten »Lost«-Zahlen bei sich stehen, wohl ein Fingerzeig auf die nahende Auflösung. Dieses wohlfeile »Lost«-Sudoku lädt aber erst mal noch zum Gähnen ein: 4–LOCKE, 8–REYES, 15–FORD, 16–JARRAH, 23–SHEPHARD, 42–KWON.

Es gehe jedenfalls im großen Ganzen um den Schutz der Insel. Es folgen weise Worte von Fake-Locke, die weisesten seit dutzenden Folgen: Die Insel müsse eigentlich vor niemandem geschützt werden, das sei eben der Witz. Und dass sie deshalb lieber allesamt nach Hause gehen sollten. Sawyer: »Hell, yes!«

Meanwhile, am Strand. Ilana will Erklärungen von Ben, der ihr sagt, Locke habe sich in das Monster verwandelt und habe Jacob und Ilanas Kumpel gekillt. Ilana ruft zum Aufbruch, sie kriegt auch Sun dazu, mit der Aussicht auf ein Wiedersehen mit Jin, später, im Temple. Aber unser wallonischer Freund Tao von Critik en séries hat sicher Recht, wenn er vermutet: « Mais s’ils doivent se retrouver, j’ai l’impression que ce ne sera pas avant les ou le dernier épisode de la série. »

Vorher findet aber noch das Begräbnis des realen Locke statt. Das hätte der auch nicht gedacht, dass sein letztes Geleit mal aus Sun, Ilana, Chopper-Frank und Ben Linus bestehen würde. Ben hält die Grabrede auf den »man of faith«, darin der schöne Halbsatz: »and I’m very sorry I murdered him«.

2. – L.A.-Plot (Nicht-Absturz-Welt)

Locke zu Hause bei seiner Frau Helen, die beiden stecken in Hochzeitsvorbereitungen. Helen findet die Visitenkarte von Jack, Locke findet seine Begegnung mit ihm eher wenig anschlussfähig, aber Helen sagt: »Maybe it’s destiny.«

Da Locke nicht auf der Konferenz in Sydney war, wird er nun gefeuert. Kurz darauf begegnet er Hurley, der glücklicherweise der zuständige Firmenchef ist und Mitleid mit ihm hat. Er verweist ihn an eine ihm gehörende Arbeitsvermittlung. Dort trifft Real-Locke nach einigen Umwegen bei der Jobberatung (»What kind of animal would you describe yourself as?«) auf Rose. Als Ergebnis landet er als Aushilfslehrer an einer Schule.

Im Lehrerzimmer begegnet er dann, *huch*, einem pseudobebrillten Ben Linus, Lehrer für Europäische Geschichte, der den Aushilfslehrer Locke herzlich willkommen heißt. Da fragen wir uns doch endlich mal folgsam, was sich auch Tao fragt: « Je me demande toujours quel est le but de ce monde parallèle. »

(Morgen folgt hier der kulturhistorische Recap zu Folge 5, dann sind wir wieder auf der Höhe und bleiben dann aktuell, soweit zumindest DER PLAN. Dienstagabend »Lost«, Mittwochmorgen Umbl-Recap.)


Lost: 6. Staffel, 3. Folge

Paris, 26. Februar 2010, 08:10 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »What Kate Does«
Episode Number: 6.03 (#105)
First Aired: February 9, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Taxi in die Freiheit« (EA 31. 3. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Sayid: »Jack, what happened to me?«
Jack: »Erm, you died.«

Ein Sinnlosdialog wie aus einem Helge-Schneider-Roman. Weiter geht’s mit den lustigen Drehbuchideen der TV-Megaserie »Lost«. Fake-Locke und die Strandtruppe kommen in dieser dritten Folge nicht vor, wir haben es also nur mit den beiden anderen aktuellen Schauplätzen zu tun:

1. – Der Temple-Plot

Sayid, der Lazarus der Stunde, ist wieder am Start. Alle wundern sich natürlich, aber der japanische Tempelherr Dogen und sein Dolmet­scher, der übrigens aussieht wie ein besonders bösartiger Sozialarbeiter, diese beiden wundern sich anders über Sayids Resurrection.

Der japanische Tempelboss führt ein Elektro-Experiment an Sayids Körpers durch, wirklich nicht sehr feinfühlig, und am Ende steckt er noch eine glühende Speerspitze in dessen vormalige Wunde. Der Übersetzer, dieser Hallodri mit Nickelbrille, lässt ihn danach wenigstens wissen, dass er den Test bestanden habe. Im Gespräch mit seinem Boss wird aber klar, dass das nicht zu stimmen scheint. Und was das jetzt für ein meschuggener Test war: Auf diese Information sollen wir spannungsgeladen warten. Ziemlich billige Erzeugung von Suspense.

Jack soll auf Anweisung der Tempelherren Sayid irgendeine Pille verab­reichen, denn sonst: »The infection will spread.« Dogen redet Jack mit ein wenig Rhetorik die Schuldrolle ein (Sayid sei wegen ihm verwundet etc.), um ihn willfährig zu machen. Es folgt eine Cowboy-Unterhaltung zwischen Jack und Sayid, ob der jetzt die Pille schlucken soll oder nicht, »Matrix« für Minderbemittelte.

Dogen spielt derweil mit einem Baseball, Jack stößt zu ihm. Who are you, fragt Jack. Dogen: »I was brought here like everyone else.« Weil Dogen ihm nicht sagen will, was die Pille enthält, die er Sayid verabreichen soll, provoziert Jack drauflos und schluckt kurzerhand die Pille selbst, aber Dogen prügelt sie ihm wieder heraus, es sei nämlich Gift drin, aha.

Dann rücken Japaner und Dolmetscher endlich mit einer Information heraus: Sayid solle sterben, weil er »claimed« sei. Eine Dunkelheit werde sein Herz ergreifen und ihn ziemlich abfucken, das sei jedenfalls auch Jacks Schwester passiert, also: Claire.

Sawyer ist unterdessen entflohen mit den Worten »don’t come after me!«, aber natürlich wird ihm dann doch gefolgt, Kate und Jin sollen ihn holen gehen. Zusammen mit zwei Aufpassern der Others (Aldo und Justin) machen sie sich auf den Weg. Kate haut dann die beiden Others um, schnappt sich ihre Waffen und sucht das sogenannte Weite.

Im verlassenen Dorf der Others (uuaaahh, unheimlich!) trifft sie auf Sawyer, den sie beim Trauern beobachtet. Auf einem romantisch gelegenen Bootssteg unterhalten sie sich über Juliet und die jüngsten Ereignisse, was-wäre-wenn bis zum Erbrechen, Sawyer meint, er habe Juliet heiraten wollen usw. usf., Kate heult. Auf dem Reißbrett entstandenes Gefühlstheater.

Irgendwo in der Nähe wird Jin festgenommen, seine beiden Festneh­mer werden aber abgeschossen, und zwar von: Claire. Sie ist also zurück und sieht jetzt verstört und dschungelig aus wie einstmals die Inselfranzösin Rousseau.

2. – L.A.-Plot (Nicht-Absturz-Welt)

Kate ist im von ihr usurpierten Taxi zunächst gar nicht nett zu Claire. Der Taxifahrer und Claire machen sich irgendwann aus dem Staub, Kate befreit sich in einer Werkstatt von den Handschellen. Beim Umkleiden entdeckt sie in Claires Tasche ein paar Kindersachen, darunter einen schönen Plüschdelfin, der sie ganz sentimental stimmt.

Sie pickt Claire wieder auf und fährt sie zu ihrem ursprünglichen Zielort, den Adoptivmenschen, die Claires Baby haben wollen. Claire und Kate sind dann fast so Thelma-&-Louise-mäßig unterwegs.

Die Adoptiveltern in spe sind aber inzwischen schon nicht mehr zusammen, das wird also nix werden mit der Babyweitergabe, und vor lauter Schreck macht sich Claires Baby bemerkbar, auf ins nächste Krankenhaus! Dort dann große Überraschung: Ethan arbeitet da als Weißkittel, »Dr. Goodspeed«, und macht eine gute Figur als beruhigen­der Doktor in komplett doktoraler Profiart, ein interessanter Charakterwechsel.

Dann taucht die Staatsgewalt auf und sucht nach Kate, aber Claire wimmelt die Uniformierten ab. Dann verabschieden sich die beiden »Lost«-Mädels freundlich voneinander, Kate geht.

(Morgen weiter mit Folge 4.)


Lost: 6. Staffel, 1. und 2. Folge

Paris, 25. Februar 2010, 08:00 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »LA X (Parts 1 + 2)«
Episode Number: 6.01+02 (#103+#104)
First Aired: February 2, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Los Angeles (Teil 1 + 2)« (EA 17./24. 3. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

»Lost«, 6. Staffel, wir sind ein bisschen hinterher, auf geht’s.

Das Gute zuerst: Gleich zu Beginn dieser initialen Doppelfolge wird ein alternativer Zeitstrang eingeführt, diesmal ganz ohne Weißflash-Orgien. Auf dieser zusätzlichen Erzählebene stürzt der Flug Oceanic 815 nicht ab und kommt demzufolge also im September 2004 wohlbehalten in L.A. an, vielleicht als Ergebnis der Jughead-Explosion am Ende von Staffel 5. (Die Spiegel-Online-Recapper nennen es die »Nicht-Absturz-Welt«, diese Bezeichnung übernehme ich mal.)

Trotzdem läuft natürlich der 2007er Zeitstrang auch weiter, und da kommt mit dem Temple eine neue Insel-Location dazu, neue Klischeecharaktere, neues mystisches Geraune und Getue, und außerdem wird dort weiter am mythologischen Überbau gearbeitet (Jacob vs. böser Erzfeind).

Vor lauter Enträtselungssucht scheint den meisten zu entgehen, wie bescheuert sich auf dieser Ebene Plot und Charaktere entwickelt haben. Jack hat alle paar Minuten dieses angepisste Überraschungs­grinslachen im Gesicht. Ben ist vom coolen Machtbolzen zum Lutscher geworden, der nur noch blöd in den Kulissen herumlungert. Sawyer ist vom Slanger und Checker zum romantischen Vollpfosten abgestiegen. Mit andern Worten: Diesen ganzen Zeitreisemist der Vorgängerstaffel haben die Figuren nicht gut überstanden.

Unter den neu eingeführten Charakteren sticht sofort dieser nicht Englisch sprechen wollende Japaner hervor (wir werden erst am Ende von Folge 3 erfahren, dass er sich Dogen nennt). Der ist von Anfang an eine auf Big Mystery machende Klischeefigur à la »Lost«. Allein dieser kaftanartige Umhang, den er trägt und der aussieht wie eine billige Longjacke von Quelle. Dogen ist irgendwie der Häuptling einer versprengten Others-Gruppe, die im Temple residiert. Nebenbei, dieser Bau sieht aus wie eine Maya-Pyramide für Arme und wirkt so billig zusammengeklebt wie damals das Pappmaché-Drehrad, mit dem Ben die Insel hat verschwinden lassen.

Der »Lost«-Stil scheint endgültig an sein kreatives Ende gekommen zu sein. Schon 150 Mal wurde in der Serie jemand im Dschungel abgegriffen und irgendwohin abgeführt. Und das geht einfach so weiter. Dann finden durch diverse Umgruppierungen Leute wieder zusammen und fragen sich gegenseitig, wo sie gewesen sind, erhalten als Antwort dann aber nie mehr als irgendwelche ungenauen Mystikkommentare. Das, liebe Freunde, ist die totale ERZÄHLHÖLLE. Und man will gar nicht mehr darüber nachdenken, welche Pfeile am Figuren-Reißbrett wohin gezogen worden sind von den Autoren, um einerseits das Serienende eine weitere Staffel lang hinauszuzögern und die Serie dann andererseits irgendwie doch noch zu Ende zu schaukeln.

Aber der Reihe nach: drei Schauplätze, zwei Zeitebenen.

1. – Flugzeug und Flughafen, September 2004

In der Nicht-Absturz-Welt wird Oceanic 815 zwar von irgendeiner Luftwelle erfasst, aber es geht alles gut. Die »Lost«-Insel wird reibungslos überflogen, und das wissen wir so genau, weil die Kamera kurz auf Tauchfahrt geht, durch die Wolken hinab und bis auf den Meeresgrund hinunter, wo ein vom Wasser verschlucktes Dharma-Dorf durchflogen wird bis hin zum ebenfalls unter Wasser befindlichen vierzehigen Statutenfuß. Nicht so schlecht, das sieht dann gleich wie eine Atlantis-Story aus, mal sehen.

Ansonsten hat Jack an Bord einen kurzen Chat mit der Stewardess Cindy, die wir nachher auch auf der Insel unter einer Abordnung der Others wiedertreffen. Außerdem begegnet Jack noch kurz Desmond (»Do I know you from somwhere?«), der ja zeitgleich eigentlich einen Button im Hatch zu drücken hat. Und es gibt ein Wiedersehen mit dem am Ende von Staffel 3 abgesoffenen Charlie, der jetzt hier im Flugzeug bewusstlos auf der Toilette liegt und von Jack gerettet wird.

Irgendwann landet Oceanic 815 ganz normal in L.A., eine nachdenkliche-süß-saure Happy-End-Melodie setzt ein, alles wird in Zeitlupe getaucht.

Im zweiten Teil der Doppelfolge geht es im L.A.-Plot dann vor allem um Kates Flucht. Es gelingt ihr, den Marshal loszuwerden, sie klaubt sich noch seine Pistole und wuuuuush, weg ist sie. Sie flieht weiter in ein Taxi, wo neben ihr dann die schwangere Claire sitzt. Ansonsten ist nicht viel los auf dem Flughafen: Der Sarg von Jacks Vater ist abhanden gekommen. Der wartende Jack verfängt sich in ein Gespräch mit Locke und gibt ihm seine Visitenkarte mit Aussicht auf Hilfe für den Querschnittsgelähmten (»Nothing is irreversible!«).

2. – Auf der Insel, nach Jacks Atombombenabwurf

Falls der weiß aufgeblendete Bildschirm am Ende von Staffel 5 einer Detonation gleichzusetzen ist, dann war das eine physikalisch recht merkwürdige Angelegenheit. Denn der Stammcast liegt lediglich bewusstlos irgendwo im Dschungelgras herum und versammelt sich jetzt wieder, als sei nichts geschehen (Kate, Jin, Jack, Sawyer, Miles, später kommen Hurley und Sayid dazu). Sie finden dann auch noch die Überreste des zerstörten Swan-Hatch, der nach dem Atombomben-Incident im Jahr 1977 eigentlich gar nicht hätte gebaut werden dürfen.

Die an Goethes »Wahlverwandtschaften« angelehnte Vierecksstory zwischen Juliet, Sawyer, Kate und Jack wird auf die nächste Ebene gewuchtet. Sawyer ist jetzt nämlich sehr sauer auf Jack, weil er Juliet auf dem Gewissen habe. Noch aber ist Hoffnung, eifrig graben die gebeutelten Lostianer einem leisen Wimmern entgegen, und tatsächlich, Juliet ist blutüberströmt, wie sich das nach einem Sturz in den Brunnen und einer kurz darauf folgenden Atombombenexplosion gehört, hehe, lebt aber noch so ein bisschen.

Die Schreiber wollten hier ganz offensichtlich noch mal die unaushaltbar emotionale Abschiedsszene vom Ende der 5. Staffel wachrufen, die kam bei den Fans ja supergut an (cf. noch mal das sablog). Juliet und Sawyer knutschen jedenfalls, blutverschmiert und schweißgebadet, Kate schaut zu, Jack schaut zu, alle schauen zu. Dann stirbt Juliet doch noch, ca. eine Sekunde, bevor sie Sawyer noch etwas Ultrawichtiges sagen kann. Der saure Sawyer zu Jack: »You did this!«

Nachdem Sawyer Juliet begraben hat, sucht er die Nähe zu Miles, der ja auch als Transmitter für Nachrichten von Toten arbeitet. Er horcht ins Grab hinein: »It worked!«, das wollte Juliet noch gesagt haben kurz vor ihrem Tod. »What worked?«, will Sawyer wissen, und wir mit ihm, aber statt Miles weiter zu befragen, macht sich Sawyer von dannen, wie logisch!

Irgendwo um die Ecke hat die Kamera wieder mal ein wenig tiefgrünes Inselgras eingefangen, bis aus dem Nichts Jacob erscheint und Hurley um ein kurzes Gespräch bittet. Jacob, eigentlich ja von Ben ordnungs­gemäß gekillt und danach verbrannt, gibt hier, sicher nicht zum letzten Mal, den Deus ex machina und spornt Hurley mit wichtigen Anweisun­gen an. Außer Hurley könne ihn übrigens keiner sehen, meint Jacob noch, »because I died an hour ago«. Dieser Satz ist mindestens genauso schlecht wie Faradays einstiges »I’m from the future!« in Folge 5.14. Wie auch immer, Hurley soll Sayid zum Temple bringen, und die anderen, bis auf Sawyer und Miles, begleiten ihn selbstverständlich, Jin weiß, wo’s langgeht.

Sie erreichen ein altbekanntes Gemäuer mit einem Loch darin und steigen hinab. Im ersten Raum finden sie einen der toten Franzosen (Opfer des Rauchmonsterviechs), sie schütten einen Proviantsack aus, ein Buch von Kierkegaard ist darin, »Crainte et tremblement«, mal wieder das typische pseudointellektuelle Namedropping der »Lost«-Autoren. (Ist übrigens ein schönes kleines 100-Seiten-Buch, das wir auch in unseren Kanon der schönen kleinen 100-Seiten-Bücher aufgenommen haben.)

Während die Lostianer die unterirdischen Gänge durchforsten, werden sie wieder mal überfallen, nach draußen geführt und at gunpoint gehalten. Eine wieder neue Abteilung Waffennarren führt sie rüber zum Temple. Die dort dann dazueilenden Tempelritter haben auch die Stewardess Cindy unter sich, die ihren unfreundlichen Kompagnons mitteilt, dass die Neuankömmlinge aus dem »first plane« stammen, wie sie selber auch. Wie Cindy zu dieser Others-Abteilung gelangt ist, keine Ahnung.

Jedenfalls tritt als Anführer dieser Dogen auf und befiehlt die sofortige Erschießung aller Aufgegriffenen. Darauf Hurley: »Jacob sent us!« Und das ist die Rettung, das Zauberwort, allerdings nur gepaart mit dem Addendum: »He gave me that guitar case!« Im Gitarrenkoffer findet sich ein großes hölzernes Anch-Kreuz, vor dem sich der Japaner kurz verbeugt, bevor er es über dem Knie zerbricht und ihm einen Zettel entnimmt. Sayid muss gerettet werden! Das steht da angeblich. Sonst seien alle seriously fucked, auch die Tempelritter.

Im Inneren des Temples gibt es einen riesigen Whirlpool. Dogen schneidet sich die Hand auf und hält sie blutig ins Wasser. Danach wird Sayid gebadet, eine Art Mikwe vielleicht, aber dann sieht es doch nach klassischer Ersäufung aus, und dann scheint er auch tatsächlich abgenippelt zu sein.

Etwas später gibt Dogen dann den Klischeejapaner, der in seinen Privatgewölben seine Pflanzen zurechtschneidet. Hurley wird zu ihm gebracht und wundert sich, warum Dogen zwar Englisch versteht, es aber nicht spricht. Darauf eine coole Antwort: »I don’t like the way English tastes on my tongue!« Hurley verklickert Dogen und seinem Dolmetscher, dass Jacob tot sei, und sofort ist Action im Bienenstock! Eine rote Signalrakete wird abgesetzt, »to keep him out«, und da raten wir mal, wer das sein wird.

Als Cliffhanger der Doppelfolge gibt es einen von den Toten auferstehenden Sayid, der mit ultrabläädem Gesichtsausdruck fragt: »What happened?«

3. – Auf der Insel, am Strand beim Statuenrest

Und noch ein Schauplatz: Im Bunker unter dem Statuenrest hängen der Fake-Locke und ein konsternierter Ben herum, der mit seinem Mord an Jacob hadert: »Why didn’t he fight back?!« Draußen sieht Ben den Leichnam des echten Locke und tut verständnislos. Statt wie befohlen Richard mitzubringen, wird Ben von ein paar Gewehrleuten zurück in diese Bunkersituation gestoßen. Es sind Jacob-Leute, die auf den falschen Locke zu schießen beginnen, der aber irgendwann einfach weg ist und als Rauchmonster samt Klapperschlangengeräusch zurückgesaust kommt.

Jedenfalls schleudert das Black Smoke Monster die Jacob-Leute ein paar Mal um ihre eigenen Gedärme. Einer kann sich retten durch einen Kreis, den er um sich zieht, aber dann fällt er um, der arme Kerl, und wird vom Monster malträtiert. Richtig schlimm ist dann die Deutlichkeit, die dem Geschehen aufgepfropft wird. Der Fake-Locke sagt zu Ben, der das alles beobachtet hat: »Sorry you had to see me like that.« Man muss diese Aussage mal auf Deutsch hier hinschreiben, um den Horror der Explizitheit, der hier sicher noch nicht seinen Gipfel erreicht hat, nachzuvollziehen: »Äh, tschuldige, dass ich mich grad in ein Rauchmonster verwandeln und diese Typen durch die Luft schleudern musste, kommt nicht wieder vor.«

Im zweiten Teil der Folge äußert der Fake-Locke gegenüber Ben dann seinen dringlichsten Wunsch: »I want to go home!« Er ist also wahrscheinlich so eine Art E.T. des 21. Jahrhunderts, hehe. Aber egal, draußen sehen die Others um Richard die rote Signalrakete. Fake-Locke kommt dann aus dieser Bunkerhalle stolziert, haut Richard ordentlich zusammen, schultert ihn und trägt ihn davon. »I’m very disappointed, in all of you!«, schreit er der Strand-Crowd noch zu.

Soweit, Recap zur dritten Folge kommt morgen.


Vorwort zum laufenden Feuilletonjahr (1/2010)

Paris, 1. Februar 2010, 07:01 | von Paco

In Island

  ∙ für Julien Louis Geoffroy ∙  

1. The Maulwurf has landed! Ausgabe 5, für das Feuilletonjahr 2009, ergänzt von einem Umbl-Interview bei DRadio Kultur: »Das Feuilleton lauert überall.« – 12. Januar 2010, mp3

2. Vor ein paar Jahren, im Café Cantona: Die Erfindung des Umblätterers.

3. Das neue Outfit der Literaturzeitschrift EDIT, aua! Dieses Apothekerblau, und die Frontpage sieht aus, als ob die eigentliche Frontpage mutwillig ausgerissen wurde. Was ist da passiert? WER IST DAFÜR VERANTWORTLICH!

4. Auch wenn Christian Kracht inzwischen von Guido Westerwelle bevorwortet wird, wogegen sich leider niemand wehren kann, und jetzt hab ich das Ende des Satzes vergessen. Jedenfalls, der gerade erschienene Band »Christian Kracht« ist voller primärer Sekundär­literatur und eine uneingeschränkte Empfehlung wert. Eckhard Schumacher in Bestform! Und die erste apokryphe Schrift zum Band ist bereits hier im Umblätterer erschienen: »Der Eisenbahner Christian Kracht«.

5. »Zum 80. Geburtstag von Rainald Goetz.«

6. Immer noch die germanistische Königsdisziplin: die Aufzählung aller Teilbände der »Römischen Octavia«.

7. Seit dem 25. November 2008 kündigen wir hier so regelmäßig wie großspurig die große Coen-Brothers-Retrospektive an, eine Werkmonografie über alle bisherigen 14 Coen-Filme. Seit über einem Jahr war sie »so gut wie« fertig, und jetzt musste noch »A Serious Man« laufen, und jetzt ist es dann angeblich soweit. Der reguläre Betrieb setzt aus, hier gibt es dann zwei Wochen lang In-depth-Film-Feuilleton von San Andreas.

8. »Lost«, die sechste Staffel, das Finale, ab dem 2. Februar auf ABC. Wir sind beim narrativen Showdown dabei, Folge für Folge, wie immer (our very own Episodenführer). Nach dem ganzen zusammenge­stückelten SciFi-Brei in den Staffeln 4 und vor allem 5 kann es eigentlich nur schlecht enden, hehe. Bisheriger dramatischer Tiefpunkt ist natürlich der Satz von Locke bzw. dessen Resurrection-Double: »I think this is the best mango I’ve ever eaten.« (Folge 5.07) Die Recaps starten hier dann irgendwann nach der Coen-Brothers-Werkschau.

9. Hehe.


Vorwort zum laufenden Feuilletonjahr (6/2009)

Paris, 30. Dezember 2009, 09:12 | von Paco

Ein schönes Bild

1. Der Umblätterer – 5 Jahre Feuilleton-Exzellenz-Initiative. Bald:

2. Am 12. Januar erscheint hier die fünfte Ausgabe unserer jährlichen Feuilleton-Top-Ten. DER GOLDENE MAULWURF wird also wieder verliehen. Letztes Jahr ging er an Iris Radisch für ihren herausragen­den Littell-Verriss. In diesem Jahr haben es bis jetzt 30 Feuilletontexte in die Longlist geschafft (noch sind eineinhalb Tage Zeit, hehe). Die endgültige Auswahl erfolgt dann nach der Lektüre der Silvester­ausgaben. Die Beratungen werden bis zum Schluss andauern, harte Kämpfe innerhalb des Consortiums zeichnen sich schon jetzt ab.

3. »UNO-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali hat sich für den Weltfrieden ausgesprochen.« (Meldung auf Deutschlandfunk, Anfang/Mitte 90er)

4. Der in Vorwort 4/2009 unter Nr. 9 erwähnte Aufsatz über die Kommentatoren in Alban Nikolai Herbsts Dschungel-Weblog ist fast fertig. ANHs Position wird darin mit einem Wort Zarathustras herausgestrichen werden: »Ich bin nicht auf der Hut vor Betrügern, ich muss ohne Vorsicht sein: so will es mein Loos.« – Der Satz fällt im Vierten Teil des Nietzschebuches, im Gespräch mit dem Zauberer (einem Prä-Internet-Troll), der den Wanderer mit seinem Kohlenbecken-Gedicht zum Narren halten will.

5. »Sie habe nicht alles von Christian Kracht gelesen, aber ›1979‹ habe ihr auch gefallen, sagt Judith Hermann.« – http://bit.ly/5vFvUZ

6. Angesprochen auf Schillers Gedichtfragment »Deutsche Größe« sprach Minister zu Guttenberg von einem »gedichtähnlichen Zustand«.

7. Die 7. Staffel von »Curb Your Enthusiasm« hat neulich spektakelartig geendet, versehen mit mehreren Momenten TV-Geschichte. (Unser Episodenführer.)

8. Nächstes Jahr noch die letzte Staffel »Lost«, und das war es dann erst mal mit den US-Serien. In »Desperate Housewives« geht es ja mittlerweile auch nur noch darum, dass irgendwelche Leute sinnlos in der Vorstadt herumwohnen.

9. Weiter im TEXT.

 
Weitere Vorworte des Herausgebers zum aktuellen Jahrgang

 
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