Archiv des Themenkreises ›TV‹


»The Antiques Rogue Show«

London, 24. Januar 2009, 12:12 | von Dique

Bei uns heißt es »Kunst und Krempel«, und das Äquivalent bei der BBC nennt sich »Antiques Roadshow«. An diesen Titel wiederum lehnt sich dann die am 4. Januar ausgestrahlte »Antiques Rogue Show« an, eine dieser sehr gut gemachten BBC-Docufictions, welche sich oft weltweit verkaufen like hot buns.

Es geht um Shaun Greenhalgh, einen britischen Künstler, der sich aber vor allem als Fälscher einen Namen machte. Passt also sehr gut zum zweitbesten Feuilleton-Artikel 2008, die »Spiegel«-Story von Jörg Diehl und Ralf Hoppe, die sich auch um die Frage drehte, was denn ein fanatischer Künstler macht, wenn er seine Werke nicht verkaufen kann.

Hans-Jürgen Kuhl jedenfalls ging den direkten Weg und fälschte Geld. Greenhalgh dagegen fälschte Kunst und machte diese dann erst zu Geld. Während Kuhl irgendwann mal ein Teil des etablierten Kunstbetriebs war, Warhol persönlich traf usw., fristete Greenhalgh ein eher bizarres Dasein, welches er auch nicht änderte, nachdem er einige Stücke aus seiner Fälscherwerkstatt zu Geld gemacht hatte.

Sein Leben lang wohnte er mit Eltern und Tante in einer Sozialwohnung in Bolton bei Manchester und kam selten da heraus. Aber in seiner Gartenlaube fälschte er Kunstwerke aller Art. Sein größter Hit war die Amarna Princess, eine angeblich über 3.000 Jahre alte ägyptische Figur aus der Amarna-Periode.

Shaun studierte die wenigen vorhandenen Kunstwerke dieser Zeit sehr genau. Er besorgte sich dann Alabaster aus Ägypten, den er überwiegend mit Baumarktwerkzeugen bearbeitete. Den Alterungseffekt erreichte er mit einem Sud aus Tee und Chicken-Shit. Auch unser großer deutscher Fälscher, Konrad Kujau, tauchte die Seiten zumindest in Tee, um seine Hitlertagebücher alt aussehen zu lassen.

Alt sahen dann jedenfalls die Experten aus, die mit ihrer Begeisterung das lokale Museum anstachelten, die Alabaster-Prinzessin für 440.000 Pfund zu kaufen. Um abzusichern, dass dieses bedeutende Kunstwerk nicht das Land verlässt und natürlich auch, um einen Knüller im eher provinziellen Museumsprogramm zu haben.

Neben der Kunstfertigkeit des fälschenden Künstlers war besonders der Verkaufs-Style bemerkenswert. Hier trat der betagte Vater Greenhalgh in Aktion. Er besorgte einen alten Auktionskatalog aus dem späten 19. Jahrhundert, in dem zwei ägyptische Statuen angeboten wurden, welche aus dem Nachlass eines Earls stammten. Er behauptete dann einfach, dass sein Großvater eine davon gekauft hat und sich diese seitdem im Familienbesitz befindet.

Hier funktionieren die gespielten Szenen der Doku besonders gut. Eine Kunstexpertin besucht Mutter und Vater Greenhalgh zu Hause, und während die alte Greenhalgh so tut, als würde sie auf dem Dachboden nach diesem alten Auktionskatalog kramen, nervt ihr Mann die Expertin mit langweiligen Geschichten aus seinem Leben, aus seiner Jugend, vom Krieg, und die Arme macht mit all ihrer britischen Höflichkeit eine gute Miene. Die reine Zermürbungstaktik, denn der Katalog liegt natürlich im Nebenzimmer bereit und muss nicht erst noch auf dem Dachboden zufällig gefunden werden.

Der Trick geht jedenfalls auf. Der Katalog und ein bisschen gefälschte Familienkorrespondenz helfen bei der Bescheinigung der Echtheit. Insgesamt 17 Jahre verhökern die Greenhalghs fröhlich und erfolgreich die vom Sohn gefälschte Kunst. Immer wieder geht der unscheinbare Alte zu Auktionshäusern und Händlern und bietet seine Familienstücke an und fragt ganz unschuldig, »whether they are worth a couple of quid?«

Kurioserweise bleiben sie bei allem Erfolg auf dem Teppich, wohnen weiter gedrängt in ihrer Sozialwohnung, haben aber eine halbe Million Pfund auf dem Konto. Erst als sie dem britischen Museum drei assyrische Reliefs anbieten, auf denen sich einige Schreibfehler in die Keilschrift geschlichen haben, fliegt der Schwindel auf. Shaun sitzt jetzt für vier Jahre und acht Monate im Gefängnis, aber »it could have been much worse«, wie die Doku gleich am Anfang feststellt, und zwar unter Verweis auf das Schicksal von van Gogh.


Mit BBC Two durch Russland:
Jonathan Dimbleby? A Great Man!

London, 10. Juli 2008, 07:49 | von Paco

Jonathan Dimbleby»Lost« findet bis Januar 2009 erst mal nicht mehr statt, und auch sonst ist gerade Sommerpause im Serienland. Also kuckten wir letzthin die fünfteilige Russland-Doku von Jonathan Dimbleby, die zwischen dem 11. Mai und dem 8. Juni, sonntags, auf der BBC Two lief (»Russia – A Journey with Jonathan Dimbleby«). Parallel dazu ist ein Buch erschienen, die DVDs sind auch schon da (cf. die Website des Projekts).

Ein ungenannter Nachbar von Dique hatte schönerweise die 5 Teile aufgenommen, während wir unseren Giro d’Italia absolvierten, so konnten wir nach unserer Rückkunft wie jeder gute Serienjunkie alle Folgen hintereinander wegkucken. Bei der TV-/VCR-Klapperkiste des Nachbarn war manchmal wahlweise der komplette Empfang oder der Ton ausgefallen, oder vielleicht war das auch Teil des BBC-Plans, ein wenig zusätzliche russische Authentizität zu erzeugen, hehe.

Ok, es geht natürlich um – Russland, aber vor allem geht es um Dimbleby, und das ist ganz genau gut so. Er ist irgendwie eine Mischung aus Gerd Ruge (Russlandreisender) und Günter Jauch (gilt irgendwie als Intellektueller). Seine insistierende, manchmal bedenkenträgerische, manchmal ironische Art macht jedenfalls süchtig. Teilweise wusste ich gar nicht mehr, worum es gleich noch mal ging.

Die Reise von Murmansk nach Wladiwostok fand 2006 statt, »at a particularly critical stage in Russia’s history«, und die mehr als einjährige Verzögerung der Ausstrahlung hat diese Einschätzung im weitesten Sinne plausibler gemacht, wenn man der westlichen Lesart folgt, was man ja nicht unbedingt muss.

Dimbleby jedenfalls führt in seinen Dialogen gern die Demokratie­defizite der Russen vor, sein Fazit am Ende der letzten Folge: »The appetite for democracy in Russia is diminishing, and that, for me, is a dispiriting prospect.« Diesen politischen Kommentarton bringt er aber immer erst im Nachhinein, gegenüber seinen Gesprächs­partnern verhält er sich stets non-judgmental (außer wenn die Stalin-Liebe einer dicken Russin mal etwas zu heftig durchkommt).

Dimbelby hat die 10.000-Meilen-Reise übrigens angetreten, ohne ein Wort Russisch zu können – ein Hauch von Wolfgang Büscher weht durchs weite russische Land, hehe. Nach dem erfolgreichen Kauf eines Tickets auf dem Kursker Bahnhof in Moskau scherzt er: »I’m getting better. At least I can do ›spasibo‹.«

Umso erstaunlicher ist es, dass er mit seinen Annäherungs­versuchen ans russische Volk wirklich immer für authentisch wirkende Szenen sorgt. Die Einheimischen setzen sich durchweg zutraulich zu ihm in Beziehung. Wenn jemand kein Englisch kann oder nicht gut genug, fungiert eine russische Muttersprachlerin aus seinem Doku-Team als Übersetzerin. Sie hält sich aber dezent im Hintergrund, im Fokus ist immer nur Dimbleby.

Er stellt sich zum Beispiel in eine Undergroundparty in Jekaterinburg und schaut sich später in derselben Stadt eine Schnapsbrenner-Razzia an. Oder er küsst eine zahnlose, aufgedrehte Bäuerin und lässt sich dafür von der umstehenden Bäuerinnen-Peergroup feiern. Oder er besucht in Tschita eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der Dekabristen.

Oder er lässt sich von einem Sumo-Masseur kneten, in einem Sauna-Ambiente, das an die Nacktkampfszene in »Eastern Promises« erinnert. Während er durchgewalkt wird, sagt er in abgehackten Sätzen, dass er sich dabei wie das russische Volk fühlt:

»It’s a bit fanciful but there is a kind of metaphor here. If you think, all down the centuries the Russians have been oppressed in one way or another, by czars, autocrats, bloody tyrants, dictators, the Soviet system, and now, well, whatever it is now. I kind of feel I’m the Russian people here. Frivolous thought but it’s the kind of thing that comes to your mind when you’re going through this.«

Weitere anekdotenfähige Szenen: Im 30-Stunden-Zug nach Nischnewartowsk kommentiert er einen halb vergammelten Riesensamowar, der auf dem Gang steht: »The samovar. Russian icon. I never quite understand why it’s so special because it does, infact, a very simple thing which is give you water.« (Hehe.)

Im Zug ab Moskau teilt er sich mit einem ukrainischen Arbeitsmigranten ein Bier. Er wedelt mit der Penguin-Ausgabe seines Lieblingsromans und erklärt seinem kurzfristigen Saufbruder: »It’s a very famous Russian book, called ›Anna Karenina‹, by Tolstoy. You know Tolstoy? Great man, yeah, he’s a great man!«

Dieser Klappentextduktus wirkt seltsamerweise ähnlich sympathisch wie das genaue Gegenteil, wenn etwa Hamsun seinen Johan Nilsen Nagel über Tolstoi herziehen lässt (Dique hat das neulich erwähnt).

Natürlich besucht er auch Tolstois Landgut, Jasnaja Poljana, hervorzuheben sind außerdem seine Auseinandersetzung mit dem Veteranentum im Umfeld der 9.-Mai-Parade in Moskau oder der Besuch des Jüdischen Autonomen Gebietes im Südosten des Landes.

Übrigens haben ihn die Gremlins überall hin verfolgt. Die Gremlins? Ach so, der Kreml heißt auf englisch ›Kremlin‹, und da kann man sich schon mal verhören, besonders wenn der nachbarliche VCR gerade mal wieder den Ton verrauscht hat, hehe.

Also also, die BBC hat da eine ganz feine Doku gemacht, die man weiterempfehlen kann wie warme Semmeln.

Foto: »JD in Snowscape«
(© Random House; mit Dank an Claire Scott!)


Robert Hughes: Caravaggio (1975)

London, 19. Juni 2008, 08:29 | von Paco

Giorgio Vasari hat leider nicht lange genug gelebt, um auch die Vita des Caravaggio zu beschreiben. Also hat das der herrliche Robert Hughes mehr als 350 Jahre nach C.s Tod übernommen, natürlich nicht als Erster oder Einziger, aber als einer der kurzweiligsten Biographers.

In Vorbereitung auf den Italien-Betriebsausflug der Umblätterer-Squadra hatte ich mir noch mal Hughes‘ TV-Doku »Caravaggio« angesehen, die 75 Minuten lang ist und auch irgendwo in 7 Teilen auf YouTube rumfliegt.

In der Doku sehen wir Hughes in Jeans auftreten, in einem weiß-rosa Streifenhemd, manchmal mit einer Jeansjacke drüber, und einem fetten Staubwedel als Frisur (es waren die 70er). Damit mag der Porträtist heute wie ein Hallodri wirken – kunsthistorisch gesehen macht Hughes auf alte Schule: Der Australien-born Kunstkritiker und langjährige »Time«-Autor hatte in einem Interview vom Mai 1997 mal jeglichen Kommentar zu interaktiver Videokunst und dergleichen abgelehnt, mit den Worten: »I just don’t know. I’m a print asshole. I’m a paint boy.« (salon.com)

In seiner Annäherung an Michelangelo Merisi weist er zunächst jegliche biografische Sicherheiten von sich: »We don’t know how or why Caravaggio became a painter.« Mehrfach lobt er dann überschwänglich die realistische Malweise und den plastischen Eindruck, den bestimmte Gemäldeausschnitte beim Betrachter hinterlassen – diese Effekte sind auch ungeschulten Museumsbesuchern sofort vermittelbar und dürften noch immer erheblich zur Vermittelbarkeit und Popularität des Malers beitragen.

Ich selber habe vor einigen Jahren das Gerücht gehört, dass sich vor dem »Supper at Emmaus« in der Londoner National Gallery mal jemand am visuell herausgestreckten Ellenbogen des links vom Betrachter sitzenden Tischgenossen gestoßen haben soll. Hughes zeigt uns nun dieselbe Stelle und weist auf die Löchrigkeit der aus dem Bild ragenden Kleidung hin.

Dann wird Caravaggio von Hughes vor allem noch als »connaisseur of violence« verstanden. Dafür wird uns das »Sacrifice of Isaac« präsentiert. In der Uffizien-Variante des Themas drückt Abraham seinen Sohn derb gegen den Boden: »Only a connaisseur of violence would show you that thick implacable thumb forcing Isaac’s head down on the altar, and that squalling mouth.«

Als weiteres Beispiel führt Hughes das Blutrunst-Bild schlechthin an, die Judith, wie sie Holofernes den Kopf bereits zur Hälfte abgeschnitten hat (im Palazzo Barberini, neulich schon von Dique erwähnt). Sowas widersprach natürlich dem Decorum-Gedanken der Kirchenleute, das ist was ganz anderes als Gerhard Richters bunte Glasfenster für den Kölner Dom, hehe.

Und dann ist die Hughes-Doku auch noch ein Stelldichein dieser britischen Überbetonung und beschert uns folgende Klangerlebnisse, ganz im Sinne des neulich beobachteten graw-tsee-yeah und des Titelhelden der Doku selber, »Kerewartscho«:

  • Majkilendschelo.
  • Tischen.
  • Louränsoh Lattoh.
  • Dschordschionäj.

Usw.


Fußball-Feuilleton (Teil 3):
Die Nazis der Schweiz

Konstanz, 1. Juni 2008, 10:57 | von Marcuccio

Die taz hat vor allem bundesdeutsche Leser, und also musste Tobi Müller die Sache in der Eurokolumne (I) schon mal kurz erwähnen: Die Sache ist nämlich die, dass Helvetien bei internationalen Turnieren, sowohl neulich beim Eishockey wie auch jetzt zur Fußball-EM, ganz offiziell von Nazi-Spielern vertreten wird.

In der eidgenössisch-landschaftlichen Koseform wird »Nationalmannschaft« nämlich »Nati« geschrieben und »Nazi« gesprochen (jedoch mit kurzem –a–, also »Nazzi«). Und so gibt es, zumindest mündlich, einen Nazi-Sturm, Nazi-Verteidiger, einen Nazi-Trainer (der ja bald Ottmar Hitzfeld heißt) usw. Schriftlich macht das –t– anstelle des –z– im schriftlichen Nachrichtenverkehr also Sinn, sonst blieben Schlagzeilen wie diese ja wirklich grenzwertig:

»Eishockey-Nati schlägt Weissrussland«

Und dann fällt mir in diesem Zusammenhang auch immer dieses Stück Schweizer Fernsehgeschichte ein (ich transkribiere aus »Stuckrad bei den Schweizern«, Folge 7):

BENJAMIN VON STUCKRAD-BARRE im Zug (blättert Zeitungen, schnellt von seinem Sitz hoch und fragt): Gibt’s hier eigentlich ne Fußball-Nationalmannschaft?

Schweizer antworten spontan längst nicht auf alles, schon gar nicht auf pöbelnde Deutsche im Zug.

STUCKRAD-BARRE (zu einer Mitreisenden am gegenüberliegenden Fenster): Sagt man hier Nati zur Nationalmannschaft?

DIE MITREISENDE: Nazi.

STUCKRAD-BARRE: Nazi? Also, das ginge bei uns nich‘. Das ginge nicht bei uns in Deutschland. Da könnte man nicht sagen: Die Nazis haben heut gewonnen … Sagt man wirklich Nazi hier. Die Nazi?

DIE MITREISENDE: Jaja, das ist einfach Dialekt.

STUCKRAD-BARRE: Bei uns sagt man: Nazis raus. Is ja lustig.

Er blättert weiter Zeitungen, bleibt auf einer Seite hängen und liest laut vor:

STUCKRAD-BARRE: Polizei hebt Bande junger Neonazis aus. Hier, sind ja auch Nazis. Neonazis. (Er zeigt auf einschlägige Szene-Outfits.) Die U21 mit ihren Trikots.

Usw. usf.


»Autogeographie«

Konstanz, 12. November 2007, 16:05 | von Marcuccio

P. S. Ich bin Landkarten-Hardliner. Erdkunde zählte schon zu meinen Lieblingsfächern, als sie noch Heimat- und Sachkunde und nicht Google Earth hieß. Ich bin auch der Meinung, dass alle Nerv-Navis dieser Welt das bisschen Restgeografie, das wir in unseren Köpfen noch haben, zerstören.

Und natürlich, niemand will zurück zum Schmalkunde-Lehrer der Marke »Geo & Sport«. Aber wirklich verwunderlich, nein beängstigend war schon, dass Missing Montenegro niemandem auffiel, noch nicht mal den Kollegen vom Tagesschau-Blog.

Dabei waren doch gerade erst positive Anzeichen einer Re-Geografisierung unseres Kulturkreises zu spüren:

»Die Zeit« erfand mit ihrer Deutschlandkarte eines der innovativsten Formate des Jahres, die FR postete zur Einführung ihres neuen Formats eine Weltkarte des Tabloids, und der frauenlose deutsche Osten hätte wohl längst nicht so schöne Pointen abbekommen, wäre die Lila-Landkreis-Optik nicht überall präsent gewesen.

Schönes Erdkunde-Feuilleton war auch, als Claudius Seidl, bester Feuilleton- und Reise-Ressortleiter seiner Zunft, diese ganzen Burma-Birma-Myanmar-Toponyme der Nachrichtensprache aufspießte (FAS vom 30. 9., S. V 1). Und last but not least gab es da noch diese Thomas-Cook-FAS vom 23. 9., in der Jonas Siehoff (S. 71-73) eine Lanze für die Geografie als solche brach.

Nur die Karten-Redaktion der Tagesschau übte sich in ihrer »Autogeographie«. War das nicht eigentlich das Genre, das gerade in der F-Zeitung vorabgedruckt wird?


Missing Montenegro: Der Karten-GAU der Tagesschau

Konstanz, 11. November 2007, 20:35 | von Marcuccio

»Geografische Verwirrung« mailte mir der Perlentaucher im Subject seines Feuilleton-Newsletters vom Freitag – und ich musste sofort an den 14. Oktober denken. An diesem Tag war ich nämlich zum Tagesschau-Gucken bei meiner Tante im Taunus. Es kommt nicht oft vor, dass ich bei meiner Taunus-Tante zum Tagesschau-Gucken bin, aber wenn, dann immer gern.

Dazu muss man vielleicht wissen: Ich bin ein gebranntes Kind der Leipziger Sprecherziehung, und meine Tante ist Wortradio-Hörerin alter Schule. Aus dem Off ihres Landscape-Fernsehsessels lässt sie sich immer verlässlich, köstlich, despektierlich über die mangelhaften Sprechqualitäten im heutigen »Bildfunk« aus, namentlich die Tagesschau-Sprecher der jungen Generation. Tantchens Gnade findet einzig und allein Marc Bator.

Am 14. Oktober sprach aber nicht Marc Bator die 20-Uhr. Es war Jan Hofer, und er tat es als Chefsprecher soweit fehlerfrei. Doch dann passierte es: On air war gerade die Meldung, dass die serbische Regierung sich weiter gegen die EU-Pläne eines unabhängigen Kosovo sperre, da kam es zum kartografischen Super-GAU:

Die Serbien-Karte neben Jan Hofer zeigte zwar, korrekt, kein unabhängiges Kosovo, aber sie zeigte – Lapsus Maximus – eben auch kein unabhängiges Montenegro, sondern ein Großserbien, das sich bis ans adriatische Meer erstreckt.

Wahh! Aus lauter Scham für diesen Erdkäs rutschten meine Tante und ich fast aus den Sesseln, aber die Legende wies es wirklich aus: »Serbien« und nicht etwa wenigstens noch »Serbien & Montenegro« oder »Ex-Jugoslawien« oder so. Oder war das am Ende gar ein historischer Moment: Die öffentlich-rechtliche Annexion Montenegros zur Primetime, und live im ersten deutschen Fernsehen, haha.

Wie viele Redakteure arbeiten bei ARD-aktuell? 90? Hallo Deutschland, so können, dürfen deine »GEZGebührengelder« nicht vor die Hunde gehen.