Trifft der weltberühmte Pariser Opernsänger Achille Papin die norwegische Betschwester Philippa. Trifft der fesche Offizier Lorens Löwenhjelm die Betschwester Martine. Das ist nicht der Beginn zweier schlechter Witze, sondern so startet Karen Blixens Erzählung »Babettes Fest«, und diese Geschichte ist derart superst, dass der Vatikan nicht nur den oscar-prämierten Film »Babettes Fest« auf seine Liste der besonders empfehlenswerten Filme gesetzt hat, sondern dass Papst Franziskus in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben »Amoris laetitia« vom 19. März 2016 auch noch wörtlichstens schrieb: »Man erinnere sich an die geglückte Szene in dem Film ›Babettes Fest‹, wo die großherzige Köchin« usw.
Dass ausgerechnet der Papst »Babettes Fest« so cute findet, ist umso erstaunlicher, als die Katholen dort eigentlich voller Argwohn betrachtet werden, jedenfalls von den zwei Betschwestern. Der Ausdruck Betschwestern ist in diesem Fall genetisch zu verstehen, denn Philippa und Martine sind die Töchter eines pietistischen Sektengründers. Durch Monsieur Papins Vermittlung nehmen die beiden in einem Sister Act der Barmherzigkeit unsere Titelheldin Babette als Hauswirtschafterin in ihre Wohngemeinschaft bei sich auf, nachdem sie beim Aufstand der Pariser Kommune als Pétroleuse festgenommen worden war, aber entrinnen konnte. Pétroleuse nennt man eine Frau, die Häuser mit Petroleum in Brand steckt, und außerdem klingt es ja auch viel eleganter als z. B. Mollywerferin.
Babette lebt nun also zwölf Jahre lang in dem norwegischen Kaff und es passiert das, was in einem Zeitraum von zwölf Jahren in einem norwegischen Kaff eben passiert, nämlich gar nichts, aber plötzlich, huch, gewinnt sie in der französischen Lotterie zehntausend Francs! Da trifft es sich natürlich gut, dass zum anstehenden hundertsten Geburtstag des verstorbenen Vaters und Sektengründers eine Feier ausgerichtet werden soll, zu der eine mittelgroße Anzahl von Gemeindemitgliedern sowie eine sehr kleine Anzahl von Externen, darunter auch Löwenhjelm, eingeladen sind. Zur Vorbereitung des Menüs lässt Babette eine Unmenge von erlesensten, exquisitesten, teuersten Zutaten extra aus Paris herankarren. Wie bei Pietistenpartys üblich, geloben die Gäste allerdings schon vor der Feier einander, dass sie »an dem großen Tage unter keinen Umständen über Speis und Trank ein Wort verlauten lassen wollten« (S. 44), denn Essen ist was Irdisches, Pietisten aber sind durchgeistigt, und auch Pietisten müssen zwar essen, aber nicht übers Essen zu reden finden sie eben himmlisch.
Der einzige, der während des Festmahls aus der Reihe tanzt, ist der in der Welt herumgekommene Löwenhjelm. Er trinkt den Wein, der ihm kredenzt wird, »wandte sich an seinen Nachbarn zur Rechten und sagte: ›Aber das ist doch ein Veuve Cliquot 1860?‹ Der Angesprochene blickte ihn freundlich an, lächelte ihm zu und machte eine Bemerkung über das Wetter« (S. 61). Löwenhjelm genießt das von Babette zubereitete, wunderherrliche Hauptgericht, »wandte sich an seinen Nachbarn zur Linken und sagte zu ihm: ›Das sind doch zweifellos Cailles en Sarcophage!‹ Der Nachbar […] blickte ihn geistesabwesend an; dann nickte er zustimmend und erwiderte: ›Ja, ja, gewiß doch. Was sollte es sonst sein?‹« (S. 63). Aber es kommt noch besser: »Als ein paar Augenblicke später Trauben, Pfirsiche und frische Feigen vor ihn hingestellt wurden, sagte er lächelnd zu dem ihm gegenübersitzenden Gast: ›Schöne Weintrauben!‹ Der aber antwortete: ›Und sie kamen bis an den Bach Eskol und schnitten daselbst eine Rebe ab mit einer Weintraube und ließen sie zwei auf einem Stecken tragen.‹« (S. 64)
Tania Blixen schreibt an dieser Stelle nicht, dass dies natürlich ein Zitat aus dem Buch Numeri ist (4. Buch Mose), Kapitel 13, Vers 23. Ich fand es ja immer eine herzallerliebste Tradition bei den Evangolen, dass sie einen Bibelvers auswählen, wenn sie konfirmiert werden oder wenn sie heiraten oder wenn sie auf Weintrauben angesprochen werden. Am herzallerallerliebsten freilich fände ich, wenn auf einer evangolischen Hochzeit das Brautpaar einmal das Hohelied, Kapitel 2, Vers 5, auswählen würde und wenn die Pastorin oder der Pastor dann zu diesem schönen Bibelvers eine Predigt halten müsste: »Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln«.
Usw.
Länge des Buches: ca. 90.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:
Tania Blixen: Babettes Fest. Aus dem Englischen übersetzt von W. E. Süskind. Zürich: Manesse 1989. S. 3–85 (= 84 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)